Alexander Ortler will es noch einmal wissen

Publiziert in 37 / 2008 - Erschienen am 22. Oktober 2008
Sulden – Alexander Ortler ist ein Sportler, der in den ­letzten vier Jahren leider ­Gottes ­nahezu ausschließlich die Schatten­seiten des Leistungssports kennenlernte. Eines der ehemals größten Nachwuchstalente im italienischen Skisport erlitt bereits vor sieben Jahren einen Kreuzbandriss im linken Knie, im Sommer 2004 zog sich der junge Suldner beim Sommer­training auf dem Stilfserjoch dann einen komplizierten Schien- und Wadenbeinbruch zu. Als Vorläufer auf der Weltcup-Abfahrtsstrecke in Bormio erlitt er bei einem Horrorsturz „lediglich“ eine Rippenprellung und eine Ellenbogenluxa­tion. Doch er gab nicht auf und biss die Zähne immer wieder zusammen, auch wenn er immer ­wieder mit Schmerzen zu kämpfen hatte. Beim Europacup-Riesentorlauf im letzten Winter in St. Vigil ­Enneberg zog sich der mittler­weile 23-jährige Riesentorlaufspezialist dann auch noch ohne zu stürzen eine schwere Knieverletzung zu. Die ­schlimme Diagnose: Padella­sehnenriss im ­linken Knie. Nach der durchge­führten Operation waren die Ärzte allesamt sehr skeptisch, ob der Suldner überhaupt jemals wieder Skirennen bestreiten könne. Daraufhin stand Alexander vor dem sportlichen Aus, er selbst hakte seine Karriere bereits ab. Nachdem die Reha in Bad ­Wiessee in Deutschland aber sehr gut verlief und die Verletzung immer besser ausheilte, wagte sich Alexander mit seinem Vater Hermann Ende April erstmals wieder auf die Piste und absolvierte die erste Stufe einer Skilehrerausbildung. Dieser neuerlich erste Kontakt auf Skiern war eigentlich nur als Ablenk­ung gedacht, doch der Suldner bekam wieder Lust auf mehr, unter anderem auch, weil er phasenweise sogar ­wieder ohne Schmerzen normal Skifahren konnte. „Der Vinschger“: Was hat dich bewogen trotz dieser zahlreichen Verletzungen es heuer noch einmal zu probieren? Alexander Ortler: Wenn du dein ganzes Leben damit verbringst Ski zu fahren und seit ungefähr 17 Jahren alles deinem Ziel unterordnest, in die absolute Weltspitze vorzudringen, dann wäre ich mit mir selber nicht glücklich gewesen, meine Karriere jetzt zu beenden. Obwohl mich vor allem die Ärzte nach meiner letzten Verletzung auf ein bestehendes Risiko hingewiesen haben, sollte ich noch einmal Rennen bestreiten, so muss ich es einfach noch einmal probieren. Es ist für mich ein überschaubares Risiko und als Skifahrer geht man sowieso immer gewisse Gefahren ein. Ich würde mit mir selbst einfach nicht klar kommen, wenn ich jetzt nicht noch ­einmal ­einen Anlauf starte. Sollte ich aber zu große Schmerzen verspüren oder nicht mehr an meine früheren Leistungen anschließen können, dann werde ich die Konsequenzen ziehen und meine Ski-Karriere sofort beenden. Was sagt dir dein Gefühl für diese für dich entscheidende Saison? Alexander Ortler: Ehrlich gesagt ist es ein ganz lustiges Gefühl. Im Moment gehöre ich keiner Nationalgruppe mehr an, sondern ich befinde mich nur mehr in der Sportgruppe der Carabinieri. Gecoacht werde ich von meinem lang­jährigen Trainer Alois Veith und von meiner Konditionstrainerin Agneta Platter. Ich habe eigentlich nichts mehr zu verlieren und verspüre auch ­keinen ­allzu großen Druck mehr. Nach ­Meinung vieler, ist meine ­Karriere sowieso schon vorbei. Mir ist mittlerweile auch nicht mehr wichtig, was andere Leute über mich denken oder reden. Während meiner letzten Ver­letzungspause, in der ich anfangs nie mehr damit gerechnet hätte, überhaupt noch einmal die Möglichkeit zu bekommen im Skirennsport einzusteigen, habe ich mich anderweitig weiter­entwickelt und andere Seiten des Lebens kennen­gelernt. Ich besuche derzeit beispielsweise die Universität in Bozen, verbringe mehr Zeit mit meiner Familie und Anfang November diesen Jahres werde ich zusammen mit Alois Veith einen Ski­service samt Skiverleih in Sulden er­öffnen. Ist das dein letzter Anlauf um den Sprung in die Weltspitze zu schaffen? Alexander Ortler: Das ist mit Sicherheit mein letzter Versuch. Ich bin mit meinen 23 Jahren zwar immer noch jung, dennoch möchte ich nicht, dass ich mit 30 Jahren immer noch FIS- oder Europacuprennen bestreite. Nach einer neuerlichen Verletzung wäre dann sowieso Schluss. Aber wie erwähnt weiß ich mittlerweile auch, dass es nicht nur das Skifahren gibt, sondern noch viele weitere Herausforderungen im Leben auf mich warten. Was erwartest du nach diesen ganzen Rückschlägen von dir selbst? Alexander Ortler: Mein ­größter Wunsch wäre, wenn mein Körper ja sagt und ich endlich wieder einmal ohne bzw. mit weniger Schmerzen Ski­fahren könnte. Das ­Wichtigste ist eben, dass meine Knie ­halten, das ist logischerweise die Grundvoraussetzung. Es wäre wirklich super, wenn ich es heuer wieder in den Europacup schaffen könnte, um dort dann die so wichtigen Platzierungen einzufahren. Ich werde dafür alles geben und wenn meine Gesundheit mitspielt und ich einmal das nötige Glück habe, dann ist viel möglich, davon bin ich überzeugt. Sollte ich jedoch den Eindruck haben, nicht mehr konkurrenzfähig zu sein, dann kann ich mir auch durchaus vorstellen, etwa bereits Anfang Jänner die Skier an den Nagel zu hängen. In einer solchen Zeit bin ich sehr glücklich sagen zu können, dass mich meine Freundin, meine Familie und sämtliche Betreuer und Bekannte unterstützen und zu mir halten, das ist für mich persönlich sehr wichtig und gibt mir die Kraft, die ich brauche. Rudi Mazagg
Rudi Mazagg
Rudi Mazagg

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.