Skigebiete am Scheideweg
Das Skigebiet Haider Alm soll laut BM Heinrich Noggler auf jeden Fall erhalten werden; Titelfoto: Blick vom Karlesjoch in Richtung Langtaufers und Reschensee.

Paukenschlag aus Nordtirol

Publiziert in 25 / 2013 - Erschienen am 10. Juli 2013
Nach Bürgerversammlung haben sich die Ereignisse überschlagen. Hans Sprenger zurückgetreten. Graun - Im Gegensatz zu ­Schöneben befinden sich die Skigebiete Haider Alm und Maseben in Langtaufers in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Situation. Ohne frisches Kapital ist eine Weiterführung dieser zwei Skigebiete fraglich. Vor diesem Hintergrund wurden am 3. Juli bei einer sehr gut besuchten Bürgerversammlung in Graun mehrere Konzepte für mögliche zukünftige Entwicklungen vorgestellt. Seit dieser Versammlung haben sich die Ereignisse überschlagen. Hans Sprenger ist als Präsident der Haider AG zurückgetreten und Investor Hans Rubatscher ist nicht mehr bereit, zu investieren (siehe eigene Berichte). Zunächst aber zurück zur Bürgerversammlung. „Sanierung durch qualitative Aufwertung Haider Alm-Maseben mittels Gletscheranbindung“ nennt sich das Gesamtkonzept, das Josef Thöni aus Langtaufers im Namen einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Haider AG, der Maseben KG und der ­Gletscherbahnen Kaunertal-Pitztal, vorstellte. Eine höhere Auslastung der Gästebetten in der Region lasse sich laut Thöni nur durch eine engere Zusammenarbeit der bestehenden Skigebiete und durch eine Gletscheranbindung erreichen. Betten seien derzeit genug da, das Problem sei, dass sie zu oft „kalt“ bleiben. Die Haider AG, deren Aktien zu fast 60% der Gemeinde gehören, stehe mit über 600.000 Euro in der Kreide. Für Instandhaltungsarbeiten und Revisionen brauche es in den nächsten 3 Jahren ca. 1,2 Mio. Euro. Das Gesamtkonzept beinhaltet eine Anbindung von Langtaufers an das Karlesjoch (Kaunertal) mit Kosten in Höhe von 16 Mio. Euro, Investitionen auf der Haider Alm mit Ausgaben von 9 Mio. Euro sowie Möglichkeiten des skitechnischen Anschlusses der Haider Alm an die Skigebiete Watles und Schöneben. 75% der 25 Mio. Euro würde - laut mündlicher Zusage - das Land tragen, den Rest eine Gruppe um den Investor Hans Rubatscher aus Innsbruck. Auch Maseben würde aufgewertet. Die Kaunertaler-Pitztaler Gletscherbahnen würden sich verpflichten, die Anlagen in St. Valentin für mindestens 10 Jahre zu erhalten, auszubauen und weiterzuführen. Als Vorteile des Konzeptes nannte Thöni das Entstehen eines grenzüberschreitenden Großraumskigebietes mit Alleinstellungmerkmal, eine bessere Bettenauslastung dies- und jenseits der Grenze, eine erhebliche Steigerung der Wertschöpfung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Als Nachteile nannte er ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, eine mögliche Fremdbestimmung durch neue Investoren sowie landschaftliche Eingriffe, die sich aber in Grenzen halten würden. „Zukunft Haideralm“ „Zukunft Haideralm“ heißt das Strategiepapier, das auf Initiative des Verwaltungsrates der Haider AG von einer eigenen Arbeitsgruppe in über einem Dutzend von Sitzungen erarbeitet worden ist. Markus W. Moriggl stellte die Ergebnisse, die auf einer Menge von Daten, Statistiken und Erhebungen fußen, vor. Moriggl hielt einleitend fest, dass bisher sämtliche Projekte an der Finanzierung gescheitert seien. Zu den Kernaufgaben der Haider Alm gehöre es, ein attraktives und gut funktionierendes Winter- und Sommersportgebiet anzubieten, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen sowie die Bettenauslastung und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe zu sichern. Die Vision der Arbeitsgruppe: „Die Haideralm soll ein attraktives Sommer- und Wintersportgebiet im Skiverbund mit dem Skiparadies Reschenpass und Watles, im Kartenverbund mit Kaunertal, mit modernen Infrastrukturen von der Talstation bis zur Seebodenspitze sein.“ Von 10 strategischen Optionen wurden zwei näher vertieft. Eine schließt sich dem oben erläuterten Gesamtkonzept der Arbeitsgruppe in Langtaufers an, die zweite Option lautet „Liftbetrieb Haideralm mit Zubringer Schöneben“. Diese sieht einen Verbindungslift von der Talstation der Haider Alm zur Bergstation des Skigebietes Schöneben vor. Außer der Umlaufbahn würden auf der Haider Alm alle Lifte abgebaut. Der Babylift würde durch ein Förderband ersetzt. Der Berggasthof soll erhalten bleiben. Kostenpunkt dieser von der Schöneben AG favorisierten Variante: 12 Mio. Euro (75% Landesbeitrag, 25% Gemeinde Graun und Schöneben). Pisten sowie ein Skiweg sollten in einem zweiten Schritt errichtet werden. In der Bewertung innerhalb der Arbeitsgruppe erhielt allerdings die Option „Kaunertal“ am meisten Punkte. Als Vorteile wurden genannt: Landesförderung, Kapital seitens neuer Investoren, attraktives Jahresangebot, mehr Pistenkilometer, Know-how aus dem Kaunertal. Bei der Variante „Schöneben“ hingegen wird durch eine gemeindeinterne Lösung die Selbstbestimmung gesichert, die Schöneben AG bleibt das stabilste Unternehmen der Gemeinde, die Umsetzung ist überschaubar, St. Valentin hat einen Zugang zu einem gut geführten Skigebiet. Als Nachteile bei der Option „Kaunertal“ fallen Umweltbeeinträchtigungen ins Gewicht, mehrjährige Umsatzeinbußen für die Schöneben AG und die Nauderer Bergbahnen sowie das höhere Verkehrsaufkommen in Langtaufers. Auch bei der Option „Schöneben“ ist von Nachteilen auszugehen: Gemeinde und Schöneben AG müssen finanzielle Mittel einbringen, der Skiverbund wird durch den Verlust an Pistenkilometern geschwächt, eine Verbindung mit dem Watles ist nicht mehr möglich, die Bettenauslastung im gesamten Gemeindegebiet wird nicht merklich steigen. In beiden Konzepten wird auf erfolgreiche Entwicklungen von Skigebieten in Nordtirol verwiesen, die von Zusammenschlüssen profitiert haben: Fendels, Jerzens, Hochzeiger und andere mehr. Aktuelle Trends zeigen, dass der nachhaltige Erfolg in skitechnischen Zusammenschlüssen liegt, um einerseits den Kundenwünschen nach einem abwechslungsreichen und großräumigen Wintersportgebiet gerecht zu werden, und andererseits die Kosten der Verwaltung zu senken. Moriggl sieht in der Schaffung einer grenzüberschreitenden Skiregion die Möglichkeit einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Oberland, das derzeit im landesweiten Vergleich in mehreren Bereichen nachhinke. „Keine Entscheidung vom Bauch heraus“ Mehrfach betont hat Markus W. Moriggl, „dass die Entscheidungen unter Einbezug aller Interessierten und gemeinsam getroffen werden sollen.“ In diesem Sinn äußerte sich auch BM Heinrich Noggler. Der von den Investoren genannte Endtermin des 10. Juli für eine Entscheidung im Gemeinderat könne jedenfalls nicht eingehalten werden: „Wir brauchen noch etwas Zeit und auch mehr Informationen. Eine Entscheidung dieser Tragweite kann nicht aus dem Bauch heraus getroffen werden. Klar ist, dass die Zeit für eine Entscheidung reif ist und wir werden auch entscheiden.“ Die Position der Schöneben AG brachte bei der Diskussion Vizepräsident Alfred Plangger auf den Punkt: Bei der Option „Kaunertal“ würde die Schöneben AG jährlich Umsatzeinbußen von ca. 600.000 Euro und mehr hinnehmen müssen. Unklarheiten gebe es auch im Zusammenhang mit Versprechungen. Das Ziel der Schöneben AG sei seit jeher eine Verbindung mit der Haider Alm. Dafür seien unter anderem Lawinenverbauungen mit Ausgaben in Höhe von ca. 2,5 Mio. Euro einzuplanen. Stimmen aus Nordtirol Der Nauderer Bürgermeister Robert Mair plädierte klar für einen Zusammenschluss Haider Alm, Schöneben und Nauders: „Wenn die Haider Alm stirbt, sind wir am Zusammenschluss Reschen-Nauders nicht mehr interessiert.“ Ein Zusammenschluss mit dem Watles wäre laut Mair super. Auch Eugen Larcher, der Geschäftsführer der Kaunertaler Gletscherbahnen, nannte die Variante „Kaunertal“ bzw. die Schaffung eines grenzüberschreitenden Ganzjahresbetriebes als große Chance für die gesamte Region. Ähnlich sieht es Franz Wackernell von den Kaunertaler Gletscherbahnen. Bei der Errichtung der Abfahrt vom Karlesjoch nach Langtaufers würde die Natur kaum beeinträchtigt. „Bei der Option ‚Kaunertal’ reden wir von einer Saisonverlängerung und genau das ist es , um was es geht,“ sagte der Touristiker Hartmann Ploner aus Nauders. Kleinstskigebiete haben so gut wie keine Überlebenschance und „mittlere müssen hart kämpfen.“ „Es wird schwierig werden, den Watles als Kleinskigebiet in eine sichere Zukunft zu führen,“ sagte sinngemäß Günther Bernhart, der Präsident der Malser „Touristik- & Freizeit  AG“. Bei mehreren Begehungen sei festgestellt worden, „dass mit einem Lift zur Haider Alm ca. 20 Pistenkilometer dazu kämen, und zwar zum Großteil an schneesicheren Nordhängen. „Ein Zusammenschluss Schöneben und Nauders mit Gletscheranbindung wäre eine Riesenaufwertung,“ so Bernhart. „Das Potential ist da. Wir könnten aus unseren Ressourcen viel mehr herausholen, zusammen haben wir viele und große Chancen,“ meinte Uli Stampfer, Geschäftsführer der Ferienregion Reschenpass. Aber auch Alternativen sollte man nicht außer Acht lassen. Was es brauche, sei Mut und zusätzliche Infrastrukturen. „Wir wollen keinen Halli-Galli-Tourismus, sondern setzen auf Ressourcen wie Natur, Kunst und Kultur, Menschen.“ Ängste um Umwelt und Lebensqualität Mehrfach bedauert wurde bei der Diskussion, dass der Investor Hans Rubatscher abwesend war. „Wenn er schon hier bei uns investieren will, hätte ich ihm schon gerne in die Augen gesehen,“ meinte ein Diskussionsteilnehmer. Mehrere Bürgerinnen und Bürger aus Langtaufers äußerten Bedenken, wonach die Lebensqualität im Tal im Falle einer Gletscheranbindung Schaden nehmen könnte. Vor allem ein erhöhtes Verkehrsaufkommen wird befürchtet. Hans Sprenger, Präsident der Haider AG, sagte, dass im Durschnitt ca. 600 Personen pro Tag ins Tal fahren würden. „400 bis 500 Autos pro Tag sind verkraftbar,“ meinte auch Josef Thöni. Im Bereich der Talstation der angestrebten Kabinenbahn auf das Karlesjoch würde ein Parkplatz entstehen. Richard Fliri aus Langtaufers meinte, dass es schon eine Riesenportion an Optimismus brauche, um an einen nachhaltigen Erfolg einer Gletscheranbindung zu glauben. Man dürfe sich nicht nur auf das Skifahren bzw. den Wintertourismus versteifen, es gebe auch Alternativen. Siegfried Plangger und weitere Diskussionsteilnehmer aus Langtaufers warnten vor möglichen Beeinträchtigungen des Trinkwassers. Man müsse im Vorfeld gut überlegen, in welche Richtung sich das Oberland entwickeln will. Mehrere Bürger erteilten der Option „Kaunertal“ eine klare Absage. Vertreter der Umweltschutzgruppe Vinschgau (Klaus Bliem und Albert Pritzi) verwiesen ebenfalls auf mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt. Außerdem stelle sich die Frage, ob alle rechtlichen Rahmenbedingungen und verwaltungstechnischen Prozeduren, die in der Regel Jahre dauern, eingehalten werden können: Skipistenplan, Umweltverträglichkeitsprüfung und, und, und. Ein nicht zu großes Gewicht sei politischen Versprechen beizumessen, „denn im Herbst werden sich die politischen Vorzeichen ohnehin ändern.“ Zum Vorschlag von Ludwig Wilhalm, eine Volksbefragung durchzuführen, meinte BM Heinrich Noggler dem „Der Vinschger“ gegenüber, dass dafür die Zeit nicht mehr reiche. Angesichts der finanziellen Situation der Haider AG sei innerhalb kurzer Zeit eine Entscheidung zu fällen. Hans Sprenger zurückgetreten Bei der Aktionärsversammlung der Haider AG, die zwei Tage nach der Bürgerversammlung stattgefunden hat, drängte Präsident Hans Sprenger auf eine Abstimmung über die Option „Kaunertal“, zumal sich Rubatscher einen Grundsatz­beschluss dazu innerhalb 10. Juli gewünscht hatte. BM Heinrich Noggler hingegen plädierte für eine Vertagung, weil es seiner Meinung noch weitere Informationen und Gespräche brauche. Als die Mehrheit der Aktionäre der Vertagung zustimmte, gaben Hans Sprenger und das Verwaltungsratsmitglied Martin Mall ihren Rücktritt bekannt. Laut Noggler werde man neue Mitglieder in den nach wie vor handlungsfähigen Verwaltungsrat kooptieren. Im Vorfeld der Versammlung der Haider AG hatte sich die Schöben AG mit einer neuen Verbindungsvariante ­Schöneben-Haider Alm befasst: Neue Talstation in der Nähe der jetzigen, Errichtung einer Mittelstation und Anbindung an Schöneben. BM Noggler gab sich am Montag vom Rückzug von Rubatscher überrascht: „Das wundert mich sehr, denn bei der Versammlung am 3. Juli hat Eugen Larcher noch erklärt, dass es ein Aufschub um ein paar Wochen sicher kein Problem sei. Nun sei die Gemeindeverwaltung bestrebt, die neue Variante der Anbindung Schöneben-Haider Alm voranzutreiben. Fallen lassen wolle man das Skigebiet Haider Alm auf keinen Fall. Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner

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