Tschengls

Publiziert in 20 / 2003 - Erschienen am 23. Oktober 2003
Fotos: Florian Peer, Text: Andrea Perger Abseits und doch mittendrin Erstmals erwähnt 1149 als „Sengilis“, erst ab 1910 Tschengls, davor Tschengels, Mundart: „Tschengls“, amtl. ital. Name: „Cengles“. Der Name könnte auf das lateinische Wort Scandula (=Schindel) zurückgehen und so einen Ort bezeichnen, in dem Schindeln hergestellt wurden. Information: Markus Hauser, Alois Oberhöller, Herbert Raffeiner Quellen: "150 Jahre Dorfgeschichte – Die Musikkapelle Tschengls 1847 – 1997", Philipp Trafoier, Herausgeber: Musikkapelle Tschengls "Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte", Band 1 von Egon Kühebacher, herausgegeben vom Landesdenkmalamt Bozen Historisches Aus der Geschichte von Tschengls sei hier nur das Kapitel der Edelfreien von Tschengls herausgegriffen. Ihre Ansitze, die Tschenglsburg und das, etwas oberhalb des Dorfes gelegene Schloss Tschenglsberg zeugen heute noch von ihrer Bedeutung. Die Edelfreien von Tschengls, von denen man annimmt, dass sie aus dem Engadin stammten, waren Vasallen der Fürstbischöfe von Chur und hatten die Gerichtsbarkeit über das Gebiet Tschengls, Prad, Sulden in der Hand. Doch als die Tiroler Fürsten mächtiger wurden, ließen die Tschenglser ihre Lehnsherrn im Stich und wechselten die Fronten. Damit verlor dieses Adelsgeschlecht, das sehr früh ausgestorben ist, seinen Einfluss. Dorfzahlen Die Einwohnerzahlen von Tschengls steigen seit 1985 (Schaffung einer neuen Bauzone) kontinuierlich an. So lebten im Dezember 2002 477 Menschen in Tschengls, 1985 waren es dagegen nur 412. Im Ort entsteht eine neue Sportzone, in der neben einem Bolzplatz, einem Schießstand und anderen sportlichen Einrichtungen auch Platz für die Vereine vorgesehen ist, so erhält die Musikkapelle hier ein neues Probelokal. Auch ein Jugendraum für die gut funktionierende Jugendgruppe entsteht auf diesem neuen Areal. Dorfleben Tschengls, das ist ein abseits der Hauptverbindung gelegenes Dörfchen. Viele hier leben haupt- oder nebenberuflich von der Landwirtschaft und so ist bereits um sechs Uhr einiges los. Melkmaschinen füllen mit ihrem monotonen Summen die Luft, Traktoren rücken aus zum "Karfiolstechen", denn das Gemüse verträgt die starke Sonne nicht. Im Gegensatz zu anderen "bäuerlichen", kleinen Dörfern, die durch die Abwanderung der Bevölkerung um ihre Existenz kämpfen und deren Kerne zu vereinsamen drohen, erfreut sich Tschengls durch die neue Wohnbauzone seit 1985 wieder regen Zuwachses. Davon zeugt die Neubausiedlung unterhalb des Dorfes, aber auch der alte Teil des Dorfes. Hier finden sich wunderschön renovierte Bauernhäuser, die in Weiß erstrahlen, umrahmt vom warmen Ton des Holzes. So lebendig wie das Dorfbild sind auch die Tschenglser selbst. Es ist nicht schwer mit den freundlichen Leuten ins Gespräch zu kommen und bereitwillig erzählen sie von sich, vom Dorf, von früher, aber auch von heute. "Die Leit do gschoffen guat", sagt die Marianna vom Vorburghof, nach dem Klima im Dorf befragt, "obwohl s’Dorf heint mindeschtens doppelt sou groaß isch wia vor fufzig Johr. Es hoaßt jo a Tschengls isch a Schottenfleck, obr wer her-kimp, der geaht nimmer weg." "Jo weil miar’s schean hobm do und sou ruhig!", fügt der Pinter Max hinzu, der 1949 direkt nach der russischen Gefangenschaft nach Tschengls kam, um sich als Knecht zu verdienen und geblieben ist, so wie es das alte Sprichwort prophezeit. Obwohl das Dorf gewachsen ist, kennt hier doch jeder jeden. Daraus entsteht ein Zusammenhalt, der sich auch im regen Vereinsleben des Ortes spiegelt. Die Musikkapelle, die 37 Mitglieder zählt, konnte mich bei der Einweihung der neuen Feuerwehrhalle restlos von ihrem Können überzeugen und auch die Feuerwehr mit ihren 46 aktiven Mitgliedern nimmt ihre Aufgabe sehr ernst. Aber auch die Schützen mit 20 Mitgliedern und die anderen Vereine, wie etwa die Sportschützen mit ihren stattlichen 38 Mitgliedern sind ein fixer Bestandteil des Tschenglser Dorflebens. Im Gespräch mit den Tschenglsern konnte ich mich oft des Eindrucks der Bauernschläue nicht erwehren. "Die Leute sind sehr geschickt, jeder macht bei Bauarbeiten und Reparaturen vieles selbst", meint Pfarrer Oberhöller über seine Schäfchen. Das hohe Maß an Selbstständigkeit und Geschicklichkeit wird mir von mehreren Seiten bestätigt. Als ich nach dem Grund frage, erhalte ich als Antwort: "Oft fehlt das Geld, außerdem, wenn man so oft das Eigenheim wieder neu aufbauen muss, wie einige hier in Tschengls, dann lernt man eben so manches Handwerk!" Von der Schlagfertigkeit der Tschenglser kann sich jeder selbst in einem Gespräch überzeugen, z.B. am Abend, wenn sich die Älteren gegen sieben Uhr am Platz vor der Milchhalle treffen, denn gesprächsbereit sind sie allemal, die Tschengl-ser. So gesellig wie sie sind, so gern feiern sie auch, wie etwa Anfang September an "Maria Geburt", dem Rohnenkirchtag, wie dieser Feiertag in Tschengls aufgrund der Speise heißt, die früher an diesem Tag aufgetischt wurde. Aber auch zu "Fackl Toni", dem Kirchtag im Nachbardorf Eyrs, finden sich die Tschenglser ein. "Do gian mir onni Sunn inkafn!" , hieß es früher, denn von Katharina am 24.11 bis "Fackl Toni” am 17.01 bleibt das Dorf ohne Sonne. Aber wer meint, die zwei sonnenlosen Monate schlagen den Tschenglsern aufs Gemüt, der irrt, denn auf meine Frage diesbezüglich heißt es nur: " Ha, mir hobm zwor koa Sunn, ober deswegen lochn mr schu decht bei die Looser onni, weil sou kolt wia bei denen isch es bei inz holt dechtersch nit." Portrait Pfarrer Alois Oberhöller Seit neun Jahren ist der Sarntaler nun Pfarrer in Tschengls. Priester wurde er erst mit 52 Jahren. Das Besondere an ihm ist seine Liebe zu den Tieren, die er als Lobpreis Gottes sieht. Aber nicht in Gehegen und engen Stallungen leben seine Tiere, von denen ihm besonders die Hasen ans Herz gewachsen sind, sondern in völliger Freiheit. Dass der eine oder andere Hase den Füchsen oder Hunden zum Opfer fällt, sieht Oberhöller als natürlich an: "Das ist der Preis der Freiheit!" Er selbst würde nie eines seiner Tiere schlachten. "Ich habe kein Bedürfnis Fleisch zu essen."

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