Hexenwahn im Tal - Dunkles Kapitel der Geschichte

Des Teufels Gesinde im Vinschgau

Publiziert in 22 / 2003 - Erschienen am 20. November 2003
[F] Für uns sind Hexen und Zauberer Märchengestalten, die höchstens kleine Kinder erschrecken können, doch vor wenigen hundert Jahren war das anders. Hexen als dämonische Gestalten, die im Pakt mit dem Teufel standen, waren im Volksglauben fest verwurzelt. Wettermachen, Milchzauber, Schadenszauber,… das Spektrum "hexerischer" Machenschaften ist breit und so wurde versucht, dieses "Teufelspakt" ohne Gnade auszurotten. Damit gehört der Hexenwahn mit seinem Denunziantentum, den grausamen Folterungen und Hinrichtungen zu einem dunklen Kapitel der menschlichen Geschichte und auch in der Vinschger Geschichte finden sich seine Spuren. von Andrea Perger [/F] Hexenverfolgungen gab es im größeren Stil zirka ab dem Ende des 15. Jahrhunderts beinahe überall in Europa. Die letzte Hinrichtung einer verurteilten "Hexe" fand 1793 in Polen statt. Insgesamt fielen dem Hexenwahn 90.000- 100.000 Menschen zum Opfer. Die Verfolgungen erstreckten sich also über gut 3 Jahrhunderte und machten auch vor Tirol und dem Vinschgau nicht Halt. Dabei waren die Verfolgten und Verurteilten nicht wie allgemein vermutet, "weise Frauen", die kräuterkundig waren, sondern Menschen, die im Bund mit dem Teufel standen und durch Schadenszauber anderen Böses zufügten. Unerklärbare Ereignisse wie Seuchen, Hungersnöte, Unwetter, aber auch Teuerungen, Krisen, Kriege, und auch seltene Planetenkonstellationen wurden finsteren Mächten zugeschrieben und schürten den Aberglauben. Auch ein sehr negativ geprägtes Frauenbild dieser Zeit, sowie tabuisierte Sexualität (Hexen treiben im Volksglauben Unzucht mit dm Teufel) waren fruchtbare Böden für Hexenverfolgungen. Doch nicht nur Frauen, auch Männer, alte Menschen und sogar Kinder wurden der Hexerei angeklagt, gefoltert und - falls für schuldig gesprochen - oft auf grausame Art und Weise hingerichtet. Dies zeigt zum Beispiel der Zaubererjackl-Prozess, einer der größten Hexenprozesse der Geschichte. Der Jackl, ein Vagabund, der die Alpenländer durchzog wurde der Hexerei angeklagt und mit ihm seine Mutter und die Zaubererjackl- Bande. Der Hexer selbst wurde nie gestellt, aber seiner Bande gehörten angeblich viele Kinder und Jugendliche an. Eine Verhaftung und unter der Folter erpresste Geständnisse, bei denen den Angeklagten nicht selten die Worte in den Mund gelegt wurden führten zur nächsten Verhaftung. Eine Welle wurde ausgelöst, in deren Zug allein in Salzburg 138 Personen hingerichtet wurden, davon 56 Buben im Alter zwischen 9 und 16 Jahren. Folter und Hinrichtung von Kindern im zarten Alter war mancherorts nicht verboten oder verpönt. Bei einem Prozess wurde sogar ein 2-jähriges Kind der Folter unterzogen. Im Zuge des Zaubererjackl- Prozesses wurde am 13. Dezember 1679 in Meran auch ein Bub namens Johannes N. aus Göflan mit ungefähr 20 Jahren hingerichtet. Viele Prozesse sind jedoch nicht bekannt, da die Gerichtsprotokolle nicht mehr erhalten sind, oder wie im Falle unseres Tales vermutet wird, da sich die Akten in kirchlichen Archiven befinden und erst nach und nach auftauchen, da die Kirche erst in mühsamer Kleinarbeit dabei ist, die Verfehlungen vergangener Zeiten aufzuarbeiten. Die Gerichtsbarkeit im Vinschgau war zum Teil in der Hand der Churer Bischöfe und ihrer Anhänger, den so genannten Gotteshausleuten. Auch folgender Fall, den Mercedes Blaas im Buch "Die Fürstenburg" schildert, ist nur durch einen Brief bekannt. Dort berichtet Hauptmann Gaudenz über die Verurteilte Steffa de Ley aus Tschierv (siehe Sagen aus dem Vinschgau). 1648 verhaftet, wurde sie dreimal schwer gefoltert und gestand daraufhin den Bund mit dem Teufel, sowie Wetterzauber und Schadenszauber. Der Schlosshauptmann der Fürstenburg "begnadigte" die Hexe zum Tod durch das Schwert mit anschließender Verbrennung. Normalerweise wäre bei der Schwere der Verbrechen die Hexe bei lebendigem Leib verbrannt worden. Im Vinschgau sind weitere Prozesse zu vermuten, auf dem Gebiet wurde bislang kaum nachgeforscht. Das nahe Bünden gehörte vermutlich zu den, vom Hexenwahn am stärksten betroffenen Gebieten Europas. Auch im Tiroler Oberland sind Prozesse bekannt. Es ist kaum anzunehmen, dass der Vinschgau den sprichwörtlich "weißen Fleck auf der Landkarte" in diesem Zusammenhang darstellt. Indirekt taucht der Vinschgau auch in anderen Prozessen im Land auf, so zum Beispiel im Prozess gegen die "Schlernhexen" in Völs. Hier ist vom Engadeiner Krieg die Rede, wobei ohne Zweifel die Schlachten und zahlreichen Überfälle zwischen den Tirolern und den Eidgenossen gemeint sind. Eine besonders blutige und verlustreiche Schlacht ist die Schlacht an der Calven im Jahre 1499 gewesen. Quellen: "Hexen und Zauberer in Tirol" von Hans Benedikter; Athesia Verlag 2000 "Die Fürstenburg" von Mercedes Blaas, Martin Laimer, Helmut Stampfer, Werner Tscholl, Georg Flora; Tappeiner Verlag 2002 "Volkssagen aus dem Vinschgau" von Robert Winkler; Athesia Verlag 1968 "Die Zauberer- und Hexenverfolgungen in Tirol von 1637 bis 1645" von Manfred Tschaikner in "Tiroler Heimat 66" (2002), Seiten 81-112 „Streghe“ und „I giochi delle streghe“ von Pinuccia di Gesaro; Verlag Praxis 3; 1988 und 1995 [F] Hexen und Zauberer in der Vinschger Sagenwelt [/F] Obwohl Sagen keine historischen Quellen sind, finden wir hier doch einen Teil der Volksseele wieder, die vor allem dem Verständnis dafür dienen kann, warum es zu Hexenverfolgungen kam. In einigen dieser Sagen über Hexen wird der Ursprung in tatsächlich stattgefundenen Hexenprozessen vermutet. Meist werden hinter Phänomenen wie Murenabgängen oder Hungersnöten die schwarzen Künste, die aus dem Pakt mit dem Teufel hervorgehen, vermutet. Im Folgenden eine kleine Auswahl an Vinschger Sagen, die von meist weiblichen Hexen erzählen: Die Wetterhexe am Piz Lat bei Reschen schickt mit dem Falmiurbach Schutt und Geröll auf die Wiesen. Bei Malettes in Mals treffen sich die Hexen am Donnerstag zum Hexentanz. Die Tschierfser Hexe aus dem Münstertal verursachte in Plawenn eine Mure, die großen Schaden anrichtete. Die Hexe Nauna verwüstete Laatsch mit Hilfe des Rambaches. Die Glurnser Hexe ritt mit dem Besen nach Hall um Salz zu holen. Das Hexenmanndl von Schluderns zapfte beim Hüten Wein über einen Zaunpfahl aus einem Fuhrwerk an, das weit unten im Tal vorüberzog. Die Hexe von Tschengls machte Unwetter, verhexte die Kühe, so dass sie keine Milch mehr gaben, stahl Wein und Hennen und vollbrachte noch weitere Übel. In Laas stürzte eine ungeschickte Hexe gar mit dem Besen ab. Bei Kastelbell schickte eine Wetterhexe zwei Muren auf Höfe von Freiberg hinab. Zwei Hexen im Schnalstal fuhren jeden Donnerstag zum Hexen tanz und entführten dabei einen Burschen, der ihnen auflauerte. Auf dem Ötztaler Ferner sitzt die Hexe mit dem Namen Langtutin. Die alte Köfelin bat beim Bau der Brücke am Töllgraben um Späne. Da man ihr die Bitte verwehrte, schickte sie Unwetter und die neue Brücke wurde fortgerissen. Die Haslhexe quälte einen Hütbuben in Partschins, der sie tötete.
Andrea Perger

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