Wer passt mit wem zusammen?

„Neue Landkarte zeichnen“

Publiziert in 5 / 2017 - Erschienen am 15. Februar 2017
LR Schuler stellt Neuordnung der Gemeinden vor. Weitreichende Auswirkungen. Vom neuen Finanzierungsmodell sind nicht alle überzeugt. Naturns/Vinschgau - „Die Neuordnung der Gemeinden ist aufgrund ihrer langfristigen Auswirkungen die mit Abstand größte Reform der vergangenen Jahrzehnte“, gab sich Landesrat Arnold Schuler überzeugt, als er die geplanten Neuerungen am 30. Jänner dem Gemeinderat von Naturns vorstellte. „Stimmen bringt mir diese Arbeit keine“, so ­Schuler. Er sei sich aber sicher, dass die Gemeinden aufgrund der umfangreichen und weitreichenden Neuerungen einer positiven Entwicklung entgegengehen werden. Es seien das damalige Finanzierungsmodell sowie die hohe Verschuldung der Gemeinden gewesen, die ihn dazu motiviert hätten, als Präsident des Gemeindenverbandes zu kandidieren. „Nun hat sich die Chance ergeben, die Idee von damals endgültig umzusetzen“, schickte Schuler voraus. Grundsätzlich geht es nun zum einen um die Gemeindenfinanzierung und zum anderen um die Neuordnung der Gemeinden. Die neue Gemeindenfinanzierung Mehr Eigenverantwortung: Stark zum Tragen kommt im neuen Finanzierungsmodell der Gemeinden der Grundsatz der Eigenverantwortung. Schuler weiß, dass dieses neue Modell nicht alle Gemeinden zufrieden stellt. Er ist aber überzeugt, dass es langfristig viele positive Auswirkungen auf die Gemeinden haben wird. Beim bisherigen Modell war die Einwohnerzahl das ausschlag­gebende Kriterium für die Beiträge des Landes an die Gemeinden. Große Unterschiede, die sich in Gemeinden aufgrund hoher Einnahmen aus der Immobiliensteuer und der Wasserkraft ergaben, wurden nicht berücksichtigt. Das neue Modell sei in diesem Sinn gerechter: „Es berücksichtigt die Finanzkraft der Gemeinden, und somit die Kostenstruktur und die Einnahmen.“ Das Modell, gegen das einige Vinschger Gemeinden protestieren, weil es ­ihrer Ansicht nach nicht funktioniere, „ist einfach in der Anwendung, aber schwierig im Erklären.“ Es handle sich nämlich um ein variables Modell, das sich, gemessen an den Investitionen, jährlich ändert. Gerechtere Finanzierung: Bis­herige Sonderfinanzierungen werden abgeschafft. Besonders gefragt sein wird die Eigenverantwortung bei der Nutzung des vom Land gespeisten Investitionsfonds, dem Nachfolge-Fonds des Rotationsfonds, der seinerzeit geschaffen worden war, um teure Bankdarlehen zu vermeiden und die Gemeinden schrittweise zu entschulden. Auf den Investitionsfonds können die Gemeinden nach eigenem Ermessen zugreifen. Schuler: „Die Gemeinden können die Anteile, die ihnen zustehen, auch sofort beanspruchen, theoretisch sogar bis zu 10 Jahre im Voraus.“ Froh ist der Landesrat, dass es gelungen ist, die Verschuldung der Gemeinden von 1,145 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 643 Millionen im Jahr 2015 zu reduzieren. Die bisherigen und noch geplanten Entschuldungsmaßnahmen werden sich positiv auf die Kassen der Gemeinden und des Landes auswirken. Die Gemeinde-Haushalte seien bis 2027 gesichert und stabil aufgestellt. Diese Entschuldung hat enorme Auswirkungen auf die künftigen Haushalte der Gemeinden. Mussten die Gemeinden aufgrund der Dar­lehen der Depositenkasse in Rom 2008 noch 60 Millionen Euro an Zinsen zahlen, konnte dieser Wert bereits auf 30 Millionen Euro reduziert werden. Betrachtet man die künftige Entwicklung der Schuldenlast der Südtiroler Gemeinden, kann man erkennen, dass der Beitrag, welchen die Gemeinden für die Rückzahlungen aufgrund alter Darlehen, Zinsen und der fälligen Rückzahlungen in den Rotationsfonds aufbringen müssen, von ca. 140 Millionen Euro im Laufe von 20 Jahren gegen Null sinken wird. Weniger vom Land abhängig: Das neue Modell führt dazu, dass die Gemeinden finanziell weniger vom Land abhängig sein werden. Ein Stück weit ergeben hat sich das bereits Hand in Hand mit größeren Steuereinnahmen seitens der Gemeinden. Schuler rief die Gemeinden dazu auf, verfügbare Geldmittel auch einzusetzen, „denn Verwaltungsüberschüsse werden in Zukunft abzutreten sein.“ Die Gemeinden sollten zunächst die Eigenmittel einsetzen und erst dann beim Land um weitere Finanzmittel ansuchen. „Keine Hauruck-Aktionen“: Bezogen auf die relativ hochverschuldete Gemeinde Naturns wertete Bürgermeister Andreas Heidegger das neue Finanzierungsmodell als „recht gut.“ Man bekomme mehr Spielraum für laufende Ausgaben und Planungssicherheit bei den Investitionen. Heidegger warnte aber insgesamt vor Hauruck-Aktionen: „Land und Gemeinden sollen auf Augenhöhe miteinander verhandeln.“ Ein Verhandlungsspielraum nach oben müsse bleiben. Zeno ­Christanell gab zu Bedenken, dass sich Gemeinden bei den Investitionen übernehmen und dann auf hohen Folgekosten sitzen bleiben könnten. Vizebürgermeister Helmut Müller meinte, dass es nun in den Gemeinden darum gehe, „gut zu lernen, Geld selbst in die Hand zu nehmen.“ Möglichkeiten, die Gebühren für Trinkwasser, Abwasser und Müll weiterhin tief zu halten, wird es laut Schuler weiterhin geben. Er wies in diesem Zusammenhang aber auch darauf hin, dass diese Gebühren in Südtirol vergleichsweise sehr niedrig sind: „In Südtirol kostet den Bürger das Trinkwasser, Abwasser und der Müll pro Tag so viel wie ein ­Macchiato, in Bayern so viel wie eine Maß Bier.“ Die Aufgabe, über die Neuordnung der Gemeinden und das neue Finanzierungsmodell aufzuklären und Überzeugungsarbeit dafür zu leisten, sieht der Landesrat in erster Linie bei den Bürgermeistern angesiedelt. Die Neuordnung der Gemeinden Fusionen gibt es keine: Im Gegensatz zum Trentino, wo es im Vergleich zu Südtirol viel mehr Gemeinden gibt und wo Fusionen bereits vollzogen wurden bzw. noch geplant sind, sollen in Südtirol alle Gemeinden erhalten bleiben. Schuler: „Es wäre falsch, gewachsene Strukturen aufzulösen und neue zu schaffen.“ Der Gesetzentwurf zur Neuordnung, der noch vor der heurigen Sommerpause im Landtag behandelt werden soll, sieht keine Fusionen vor. Unerlässlich ist laut dem Landesrat eine Neuaufteilung der Aufgaben. So sollen bestimmte Aufgaben vom Land an die Gemeinden übertragen werden und andere von den Gemeinden auf das Land. Auch die an die Bezirksgemeinschaften delegierten Dienste seien klar zu definieren. Unnötigen Aufwand vermeiden: Die Gemeinden sollen grundsätzlich jene Aufgaben übernehmen, die auf Gemeindeebene am besten organisiert werden können, sowie jene, welche von den Bürgern vor Ort nachgefragt werden. Als Beispiele für mögliche Neuerungen nannte Schuler die Bildung und Kulturförderung, die Familie und Kleinkinderbetreuung, die Landwirtschaft, Lizenzen und Sperrstunden sowie Straßen- und Wegenetze. Dank der Neuaufteilung der Aufgaben sollen Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung vermieden und somit auch Kosten gespart werden. Die Rolle des Landes: Das Land soll sich in Zukunft darauf konzentrieren, die Rahmenbedingungen vorzugeben sowie den reibungslosen Ablauf der Funktionen und Dienste auf Gemeindeebene zu überprüfen und zu kontrollieren. Eine der wesentlichsten Neuerungen sei die Schaffung sogenannter Kompetenzzentren. Es geht darum, dass sich Gemeinden darauf einigen, Teile von Verwaltungsdiensten zusammenzulegen, wie etwa die Buchhaltung oder die Tätigkeit der Bauämter. Schuler: „Im Vordergrund steht hierbei die Qualität der Dienste. Wenn Hand in Hand damit auch Einsparungen erzielt werden, ist das ein positiver Nebeneffekt.“ Auch die Rolle des Gemeindesekretärs gelte es neu zu definieren. Den Gemeindesekretären komme bei der Neuordnung bzw. deren Umsetzung grundsätzlich eine besondere Bedeutung zu. Wer will mit wem?: Eine der größten Herausforderungen besteht in der Defini­tion der neuen Einheiten bzw. Organisationsstrukturen. Bei einer ersten Informationstour durch die Bezirke im Vorjahr sei der Vorschlag zur Schaffung von Kompetenzzentren zum Großteil auf ein positives Echo gestoßen. Um die Gemeinden für diese neue Art der Zusammenarbeit zu motivieren, sollen auch finanzielle Anreize in Aussicht gestellt werden. Über das Knie brechen will das Land die Entstehung der Zentren nicht, weil zusätzlich zur Festlegung optimaler Einzugsgebiete noch weitere Fragen einvernehmlich zu klären sind: ­Kollektivvertrag und Personalrecht, Aufteilung der Kosten und Anpassung des Personalstandes. Wer ist weisungsbefugt?: Abzuklären ist laut Schuler auch die Weisungsbefugnis: „Wenn zum Beispiel drei Gemeinden einen bestimmten Dienst zusammenlegen, können nicht drei Bürgermeister als Führungskraft Entscheidungen treffen, sondern nur einer. Natürlich werden die politischen Vorgaben der jeweiligen Gemeinden berücksichtigt.“ Im Auge zu behalten sei auch die Sicherung der Arbeitsplätze. Um zu vermeiden, dass ­Arbeitsplätze in den ländlichen Gemeinden verloren gehen und sich alles auf die Bezirkshauptorte konzentriert, „sollten die neuen Einheiten nicht zu groß sein.“ Als weitere Schritte der Neuordnung nannte der Landesrat neben der Diskussion auf politischer Ebene auch die Mitarbeit von technischen Arbeitsgruppen (Gemeindesekretäre und Gewerkschaften), die Verabschiedung des Gesetzes und das Abkommen zwischen dem Rat der Gemeinden und dem Land. sepp „Noch das eine oder andere korrigieren“ der Vinschger: Herr Landesrat Arnold Schuler, wie ist das erste Echo aus den Vinschger Gemeinden in Bezug auf die Neuordnung der Gemeinden? Arnold Schuler: Die Vinschger Gemeinden reagierten grundsätzlich recht positiv auf die Vorschläge. Ich glaube, dass alle die Notwendigkeit einer Änderung erkannt haben. Was sagen Sie jenen Gemeinden, die dem neuen Finanzierungsmodell wenig abgewinnen können bzw. befürchten, in Zukunft weniger Geld zu bekommen? Es wird immer zu wenig Geld geben, um alle Vorhaben finanzieren zu können. Es stimmt aber, dass am Modell der laufenden Zuweisungen noch das eine oder andere zu korrigieren ist, weil zum Beispiel Einnahmen angenommen werden, dort wo gar keine sind. Sie waren 24 Jahre lange Bürgermeister in Plaus und 4 Jahre Präsident des Gemeindenverbandes und des Rates der Gemeinden. Was wäre in Plaus bzw. in allen Gemeinden heute anders, wenn das neue Finanzierungsmodell schon damals eingeführt worden wäre? In der Zeit, als das „alte Modell“ ausgearbeitet wurde, war dieses richtig und notwendig. Land und Gemeinden hatten wenig Geld und konnten viele wichtige Investitionen wie den Bau von Trink- und Abwasserleitungen über langfristige Darlehen finanzieren. Mit den steigenden Landeshaushalten hätte man das bisherige Finanzierungsmodell früher ändern sollen. Das Land und vor allem Alt-Landeshauptmann Durnwalder haben uns mit einer Zusatzfinanzierung entscheidend geholfen, dass uns seit dem Jahr 2008 die Abkehr von der Verschuldung gelungen ist. Nun haben wir die Möglichkeit, einen weiteren Abschnitt der Gemeindenfinanzierung zu gestalten. Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner

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