28. Marienberger Klausurgespräche

Bedrohte Demokratie: Wie wir schützen – was wir schätzen

- Auch heuer trafen sich im Kloster Marienberg Vertreter aus verschiedenen Bereichen (Kultur, Wirtschaft, Politik, Schule, Kirche) zu den Klausurgesprächen, bei denen über gesellschaftspolitisch relevante Themen referiert und diskutiert wurde. Den Veranstaltern gelingt es Jahr für Jahr immer wieder, renommierte Referentinnen und Referenten aus dem In- und Ausland zu den Gesprächen einzuladen – an einen Ort, der zum Nachdenken und Reflektieren geradezu ideal ist.

Der Präsident des Kuratoriums Marienberger Klausurgespräche Günther Andergassen wies bei der Eröffnung der Veranstaltung darauf hin, dass weltweit die Demokratie unter Druck gerät. Die Zahl der autoritären Regierungen steigt. „Auch in Europa verliert die Demokratie in Besorgnis erregender Weise an Attraktivität. Denn gerade in Krisenzeiten schlägt die Stunde von Demagogen und Populisten. So stellt sich zunehmend die Frage, wie sich eine demokratische Gesellschaft rechtzeitig vor autoritären Tendenzen schützen, dem Vertrauensverlust entgegenwirken und eine erneuerte Lust auf die Freiheiten und die Sicherheit der Demokratie wecken lässt“, so Andergassen.

Den Reigen der Vorträge bei der 28. Auflage der Klausurgespräche eröffnete der ehemalige Landtagsabgeordnete Hans Heiss. Er sprach zum Thema „Abgehängt? Rückzugsgefechte der Demokratie in Italien und Südtirol“. Laut Heiss geben der Grundzustand und die Akzeptanz von Demokratie europaweit Anlass zur Sorge – auch in Italien und Südtirol. Gesellschaftliche Leitwerte sind zunehmend die drei großen

„S“: Sicherheit im öffentlichen Raum; Stabilität der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse; Souveränität nach außen, teilweise in Abkehr von Internationalität und Globalisierung.

Das ist eine Folge der Krisenballung des vergangenen Jahrzehnts, wie der Migrationskrise, der Pandemie und der Kriegsfolgen von Ukraine bis Gaza, untermalt von der chronischen, sich verschärfenden Klimaerwärmung und sozialer Verwerfungen. Hinzu kommen der Schwund und Schrumpfung wichtiger Funktionsträger: der Parteien, Presse/klassische Medien und der Partizipation.

Heiss: „In Italien ist die Demontage von Demokratie durch die rechte Regierung Meloni spürbar, da die Rolle der Exekutive gestärkt, Parteien und parlamentarische Institutionen systematisch geschwächt werden. In Südtirol steht ein Check-up demokratischer Verhältnisse aufgrund der Parteienkrise, vor allem der Mehrheit, auf der Tagesordnung – begleitet von grundlegenden Orientierungsfragen.“

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar sprach hingegen zum Thema „Keine falsche Toleranz! Warum sich die Demokratie stärker als bisher zur Wehr setzen muss“. Er sieht die Demokratie vor einer Bewährungsprobe, weil vor allem die Rechte eine fundamentale Revision unseres Wertekodex will. „Die Potsdamer Geheimtagung zur Massendeportation von ethnischen Nichtdeutschen war ein Weckruf. Die radikale Rechte ist weiter auf dem Vormarsch – im Verborgenen insbesondere mit den Reichsbürgern, im politischen Raum vor allem mit der AfD“, so Kraushaar.

Um sie zu stoppen, bedarf es der Wiederbelebung eines bereits im Grundgesetz verankerten Konzepts, dem der „Wehrhaften Demokratie“. Dies umzusetzen, kann allerdings nicht allein Aufgabe des Staates und seiner

Behörden sein. Erst wenn auch in der Zivilgesellschaft ein Bewusstsein von der angewachsenen Demokratiefeindlichkeit existiert, wächst die Chance, die Gefahrenherde wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Der Referent schloss nach der nüchternen Analyse trotzdem mit einem Lichtblick: „Die Hunderttausenden, die zum Jahresbeginn in Deutschland gegen die AfD auf die Straßen gegangen sind, stellen jedenfalls ein Signal der Hoffnung dar.“

Die stellvertretende Chefredakteurin vom österreichischen Nachrichtenmagazin „Profil“ Eva Linsinger beschäftigte sich in ihrem Referat mit dem Thema „Demokratiekrise, Medienkrise: Das gefährliche Rutschen im Superwahljahr 2024“. Dieses Jahr werde laut Linsinger turbulent, die Demokratie stehe auf dem Prüfstand.

„Die Polykrisen verunsichern die Bevölkerung und stärken (Rechts)Populisten und deren vermeintlich einfache Antworten. Die hektische Daueraufgeregtheit, die Populisten verbreiten und Medien mitentfachen, sorgen für ständige Gereiztheit – und damit Politikverdrossenheit. Die Krise der Demokratie und die Krise der Medien bedingen und verstärken einander.“

Was können Rezepte sein, die Säulen der Demokratie wieder zu stärken? Populisten verbreiten einfache Antworten, deshalb ist es um so wichtiger, dass sich Bürger informieren, denn eine Demokratie lebt von informierten Bürgern. Demokratie kann laut Linsinger nur dadurch gestärkt werden, wenn die Bürger aktiv werden und sich auch bei Wahlen beteiligen. Ihr Appell: „Mischen wir uns ein!“

Die Politologin und Armutsforscherin Elisabeth Kapferer sprach über „Politisch (un-)gleich? Evidenzen und Innenperspektiven zum bedrohten Verhältnis von Armut und Demokratie. Vor dem Hintergrund sozialer Ungleichheit geraten zentrale Versprechen der Demokratie in Schieflage, nämlich unabhängig vom sozioökonomischen Status als Bürger gleichwertig zu zählen und damit in gleichwertiger Weise mitgestalten zu können. Dies belegen wissenschaftliche Studien wie auch autosoziobiographische Quellen, alsoZeugnisse von Menschen mit eigener Armutserfahrung.

Die Referentin stellte die Frage: „Wie werden Entwicklungen zu einer demokratischeren Demokratie (wieder) möglich?“ Die Zustimmung zur Demokratie ist laut Kapferer unabhängig vom sozioökonomischen Status. Aufgabe der Politik und Gesellschaft muss es sein, der sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken. Die Referentin plädierte in diesem Zusammenhang auch für eine breitere politische Bildung, die schon in der Schule ansetzen muss.

Der Historiker und Leiter des Instituts für Ideengeschichte in Innsbruck, Helmut Reinalter, sprach über „Rechtsextremismus als Gefahr für die Demokratie“. Die Demokratie ist weltweit auf dem Rückzug und Gefahren ausgesetzt, die mit dem Aufkommen populistischer Bewegungen und autoritär-autokratischer Regime sowie mit dem Rechtsextremismus eng zusammenhängen. Laut Reinalter hat der Rechtsextremismuskeine fest umrissene Weltanschauung, wohl aber eine extreme Ausprägung als politische Ideologie. „Er umfasst ultranationalistische, faschistische, neonazistische und rassistische Ideen, orientiert sich an einer stark ethnischen Zugehörigkeit und hat ein antidemokratisches Gesellschaftsverständnis. Politisch versucht er, den demokratischen Nationalstaat zu einer autoritär geführten Volksgemeinschaft umzugestalten. Volk und Nation werden dabei rassistisch, intolerant und fremdenfeindlich beschrieben.“

In Zeiten großer Umbrüche ist laut Reinalter die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus eine wichtige Aufgabe. Was die liberale Demokratie heute benötigt, sind kompetente und engagierte Bürgerinnen und Bürger, die der Logik der Ängste entgegentreten, für die Demokratie werben und ihre Vorteile bzw.Stärken besonders hervorheben. Dabei geht es darum, die Methoden und Schwachstellen des Rechtsextremismus aufzuzeigen und für ein neues Aufklärungsdenken einzutreten.

Zum Abschluss der Klausurgespräche war der ehemalige Außenminister von Luxemburg Jean Asselborn zu Gast. Er referierte zum Thema „Die Herausforderungen der EU heute – Europa braucht wieder eine große Erzählung“. In seinem Vortrag spannte er einen Bogen von der europäischen Einigung über die oft schwierigen zwischenstaatlichen Beziehungen der EU-Mitgliedsländer bis hin zum Ukrainekrieg, zum Krieg in Gaza und zu den aktuellen Gefahren durch den Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa. Besonders die Gefahr von rechts sei nicht zu unterschätzen, denn Parteien wie die AfD in Deutschland zerstören die demokratischen Institutionen von innen. Diese Gefahr besteht vor allem bei den bevorstehenden Europawahlen. „Die Rechten wollen die Europäische Union kaputtschlagen – deshalb dürfen sie diese Wahl nicht gewinnen“, so Asselborn.

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