Luftaufnahme der Stadt Glurns von 1971.
Glurns, Postkarte mit dem Malser Tor ohne Datum (vor dem Ersten Weltkrieg)
Glurns, Heufuder, 1970
Glurns, Stadtmühle

500 Jahre Mäuseprozess

Dem wohl sonderbarsten Gerichtsverfahren der Tiroler Rechtsgeschichte sind im neuen Buch „Glurns zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit“ gleich zwei Kapitel gewidmet.

Publiziert in 16/17 / 2020 - Erschienen am 7. Mai 2020

Glurns - Am 2. Mai 1520, also vor 500 Jahren, verkündete der Richter Wilhelm von Haßingen im Gericht zu Glurns das Urteil im berühmten Mäuseprozess. Eingeleitet worden war dieser wohl sonderbarste Prozess der Tiroler Rechtsgeschichte im Jahr 1519, als Glurns noch an den Folgen der Calvenschlacht litt und von Feldmäusen heimgesucht wurden, die großen Schaden anrichteten. Der famose Mäuseprozess ist im Buch „Glurns zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit“, das kürzlich im Athesia Tappeiner Verlag erschienen ist, Gegenstand von gleich zwei Beiträgen. Im über 200 Seiten umfassenden Bildband (Herausgeber: Herbert Raffeiner; Band 11 der Veröffentlichungen des Südtiroler Kulturinstituts) wurden die wissenschaftlichen Ergebnisse der Tagung gesammelt, die 2018 von der Stadtgemeinde Glurns mit Unterstützung des Südtiroler Kulturinstituts zum Thema „Glurns zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit“ stattgefunden hat. Die Tagungsbände zu drei Symposien der Jahre 1994 (Stadt-Burg-Festung-Stadtbefestigung von der Antike bis ins 19. Jahrhundert), 1999 (Bündnerisch-tirolische Nachbarschaft Calven 1499-1999) und 2006 (Visionen der Vergangenheit – Glurns Stadt an der Grenze) liegen bereits vor.

Weiterer Meilenstein der Forschungsarbeit

Das neue Buch werten Landesrat Philipp Achammer und Bürgermeister Alois Frank in ihrem Vorwort als „weiteren Meilenstein“ in der Forschungsarbeit zur Stadtgeschichte. „Es geht in diesem Band um das Bild der Stadt und der Machtverhältnisse, dargestellt mit Wappen und anderen Herrschaftszeichen an den Toren und Häuserfassaden, und um das Grundkonzept, nach dem der Wiederaufbau mit den Mustern einer Renaissancestadt ausgeführt wurde, und um die denkmalpflegerischen Maßnahmen zwischen Erhalten und Nutzen der Baulichkeiten, die seit ca. 1900 gesetzt worden sind“, schreibt Herbert Raffeiner im Vorwort. Von Bedeutung sei außerdem die Untersuchung zur Lage jener Menschen, die um und nach 1500 im Konstrukt der machtpolitischen Gegebenheiten im Obervinschgau zwischen den Landesherren, dem Fürstbischof von Chur und dem Landesfürsten von Tirol, und dentlokalen Machtträgern nahezu aufgerieben worden sind. Auch um Kirchen, Kirchenbauten und um kirchliche Kunst geht es im Buch. Gustav Pfeifer stellt einleitend das Glurnser Stadtwappen von 1528 vor. Mercedes Blaas zeigt, in welcher schwierigen Lebenssituation die Gotteshausleute, also die Untertanen des Churer Fürstbischofs, in Glurns und Umgebung waren. Sie gerieten immer mehr in die Abhängigkeit der Landesfürsten von Tirol und wurden gezwungen, die Seiten zur Grafschaft Tirol zu wechseln. Von David Fliri stammen zwei Textbeiträge. Im Beitrag „Landesfürstliche Verwaltung vor Ort. Glurns als Gerichtssitz im 16. Jahrhundert“ geht es um die Gerichtspflegschaft des Jörg von Liechtenstein und der Grafen Trapp.

Originale Prozessakten gelten als verloren

Im zweiten Beitrag gibt David Fliri zusammen mit Kathrin Kininger eine Übersicht über den Forschungsstand zum Glurnser Mäuseprozess von 1519/20 mit der bekannten Bemerkung, dass die Originalniederschrift des Gerichtsprozesses als verloren gilt, sofern sich nicht doch noch die Einschätzung durchsetzt, nach der dieser Prozess auch eine spätere Erfindung sein könnte. Manfred Schlapp bietet vor dem Hintergrund des Glurnser Mäuseprozesses eine Übersicht über die lange Abfolge von tragischen Tierprozessen vom Mittelalter bis in die Neuzeit, die in der Jetztzeit in eine längst notwendige internationale Tieranwaltschaft münden sollte. 1519 war vor dem Glurnser Richter Klage gegen die Feldmäuse erhoben worden. Es wurde ein Verfahren mit Verhören und Zeugenaussagen eingeleitet. Im Urteil wurde angeblich festgelegt, dass die Mäuse innerhalb über eine eigens gebaute Brücke die Stadt verlassen müssen.

War Albrecht Dürer in Glurns?

Giorgio Fedele, der schon seit einiger Zeit Forschungen zum Auf- und Ausbau der Stadt Glurns im 16. Jahrhundert betreibt, sieht in den Grundmustern der Stadtplanung das Idealbild einer Renaissancestadt. Concino de Concini geht schon lange der spannenden Idee nach, dass Albrecht Dürer im Gefolge des Humanisten Willibald Pirckheimer am Kongress von 1496 in Glurns teilgenommen habe. Den Eindruck der Obervinschgauer Landschaft soll er dann in seinem Selbstporträt von 1498 verarbeitet haben. Waltraud Kofler Engl untersucht in ihrem Beitrag, wie und seit wann Glurns im Sinne des Denkmalschutzes als erhaltenswürdige Stadt gesehen wurde, was dafür unternommen wurde und wie Einzelschutz und Ensembleschutz mit Zustimmung und Zutun der Eigentümer umgesetzt werden konnten. Christof Anstein liefert einen fundierten Überblick über die Kirchenbauten des 16. Jahrhunderts, deren Ausstattung und Schicksale. Leo Andergassen präsentiert die Glurnser Pfarrkirche zum hl. Pankratius aus kunsthistorischer Sicht, deren Stilmerkmale und Ausstattungen von der Romanik über Gotik und Barock bis ins 19. und 20. Jahrhundert reichen.

Redaktion

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