„Grundeinkommen für alle“
Publiziert in 44 / 2010 - Erschienen am 9. Dezember 2010
Schlanders – Das, was heute als neu erscheint, geradezu revolutionär, ist nicht neu und wurde schon vor 20 Jahren diskutiert: das Thema „Grundeinkommen“. „Und es handelt sich um ein sehr effizientes Instrument zur Armutsbekämpfung,“ ist Sepp Kusstatscher überzeugt. Den früheren EU-Parlamentarier hatte der Bezirksausschuss des Katholischen Verbandes der Werktätigen (KVW) Vinschgau am 30. November zu einer Aussprache nach Schlanders geladen. Tagesordnungspunkt: „Grundeinkommen“ und die Frage: wie realistisch ist dies überhaupt und vor allem wie finanzierbar? Genau derartige Fragen seien es, die sofort von Seiten der Skeptiker gestellt würden, argumentierte Kusstatscher. Ein bedingungsloses Einkommen für alle, beispielsweise 1.000 Euro, das könne ja nur Faulheit fördern und vor allem, wer soll das bezahlen, heißt es. Doch genau an diesen Punkten kann sehr deutlich werden, dass es eben doch funktioniert, wenn allen Menschen, unabhängig von Einkommen und Arbeitswilligkeit ein bedingungsloses Grundeinkommen zustünde.
So zeige das Beispiel von Hartz IV in Deutschland, dass allein die Kosten für Kontrollen bei Sozialhilfeempfängern 27 % der ausgezahlten Sozialhilfe ausmachen. Das Grundeinkommen könnte damit nachhaltig zum „Bürokratieabbau“ beitragen, eine Forderung, die sowohl von Wirtschaft als auch Arbeitnehmern immer wieder gestellt wird. Auch die Frage der Finanzierbarkeit relativiere sich, so Kusstatscher, wenn man sieht, dass in Deutschland bereits heute durchschnittlich pro Einwohner und Monat 800 EURO an sozialen Transfers gezahlt werden. Angesprochen auf konkrete Zahlen für Südtirol, meinte Kusstatscher, dass es an der Zeit wäre, eine eigene Studie für unser Land zu machen, beispielsweise durch das Arbeitsförderungsinstitut (AFI). Und auf die Frage, wer dann überhaupt noch arbeiten wolle, könne man schon heute konkrete Daten anführen. So hat eine Untersuchung in der Deutschschweiz ergeben, dass 60 % der Bürger trotz Grundeinkommens weiterhin dieselbe Arbeit machen und nur ganz wenige gar nicht mehr arbeiten würden.
Überhaupt sei die Frage nach dem Grundeinkommen keine Frage der Finanzierbarkeit, sondern allein des politischen Willens, zeigte sich Kusstatscher überzeugt: „Dahinter steht die Idee einer solidarischen Gesellschaft, die ökologisch nachhaltig und demokratisch gestaltet ist.“ Nicht vergessen werden dürften natürlich einige wichtige Voraussetzungen wie etwa die europaweite Harmonisierung der Steuern und der Abbau gewachsener Institutionen.
Mittlerweile findet sich international eine breite Gruppe von Befürwortern für das Grundeinkommen. Dazu gehört auch der Gründer der bekannten DM-Drogeriekette Götz Werner, seines Zeichens Chef von 34.000 Mitarbeitern in 2.200 Filialen mit einem Umsatz von 5,2 Mio. Euro. Er ist überzeugt: „Wenn wir das Denken ändern, dann wird die Politik reagieren, gemäß dem bekannten Ausspruch von Victor Hugo, dass nichts so stark sei wie die Idee, deren Zeit gekommen ist.“