Von Kofelboden kann man über die Quellmulde des Plawenntals ins Vivanatal blicken – der verlorene Berg „Plawennspitz“ kann so ausgesehen haben.

Der katastrophale Ursprung der Malser Haide

Publiziert in 27 / 2011 - Erschienen am 13. Juli 2011
Mals/Glasgow - Die Malser Haide ist als größter Schwemmkegel der Alpen bekannt und gehört zu den eindrucksvollsten geologischen Formationen der Welt. Sie staut den Haidersee auf und erstreckt sich über mehr als 10 Kilometer in einer erstaunlich eben abfallenden, geschwungenen Form bis hinunter nach Glurns. Es wurde stets davon ausgegangen, dass die Malser Haide durch die Ablagerung unzähliger Materialschichten entstanden ist, und zwar in dem Maβe, wie Sturmfluten weiteres Material aufschütteten. Es gibt jedoch außer einigen Aufzeichnungen, die in den 1960er Jahren von Prof. Fischer in Augsburg* gemacht wurden, keinerlei Forschungen zu ihrer Entstehungsgeschichte. David Jarman, ein schottischer Geomorphologe, besuchte Mals erstmals im Jahr 2003, um sich den „absackenden“ Berg Watles anzusehen, dem ein Artikel von Prof. Giovanni Crosta von der Universitä Mailand-Bicocca gewidmet war. Er war von der Malser Haide dermaßen beeindruckt, dass er zweimal zurückkehrte, um ihren Ursprung zu erforschen. Er war davon überzeugt, dass sie aufgrund der Tatsache, dass sie aus einem winzigen Seitental herausquillt, viel zu groß war, um in Ablagerungsschichten entstanden zu sein – und in der Quellmulde des ­Plawenntals fand er aussagekräftige Beweise dafür, dass die benachbarten Täler (Vivanatal, Rosell, Planeiltal) ziemlich abrupt abgeschnitten worden waren. David rekonstruierte einen verlorenen Berg namens „Plawennspitz“ mit einer Gipfelhöhe von weit über 3.000 m, der diese fehlenden Quellmulden wieder herstellt. Der derzeit höchste Gipfel, Mittereck (2.908 m), ist daher nur ein abgesägter Stumpf. Das Volumen der „Plawennspitz“ stimmt gut mit dem für die Malser Haide geschätzten überein, das ungefähr 1.650 Millionen Kubikmeter beträgt. Zusammen mit seinen Mailänder Kollegen stellte David diese Idee im Jahre 2008 auf einer internationalen Konferenz in Lausanne vor. Nach eindringlicher Untersuchung durch führende Geo­wissenschaftler wurde sie jetzt in einer Sonderveröffentlichung der angesehenen Geological Society of London veröffentlicht. Die Malser Haide gehört damit laut Jarman zu den drei größten katastrophalen Erdrutschen in den Alpen - nach Flims und ­Köfels. Das Ereignis muss noch datiert werden, es fand jedoch wahrscheinlich zu Ende der Eiszeit vor ca. 8.000 bis 10.000 Jahren statt. Die Vinschgauer ­Megaschwemmfächer – der verlorene Berg ­„Gadriaspitz“ Natürlich ist der Vinschgau für seine beeindruckende Ansammlung von Schuttkegeln bekannt, zu denen ein halbes Dutzend „Megaschwemmfächer“ gehören. David hat den Ursprung des riesigen Allitz-Laas Megaschwemmfächers im Gadriatal untersucht und ist hier sogar auf noch deutlichere Beweise für ein katastrophales Ereignis gestoßen. Der verlorene Berg „Gadriaspitz“ könnte somit auch wieder höher als 3.000 m gewesen sein und dies stimmt wiederum mit dem Volumen des Fächers überein, das schätzungsweise 2.250 Millionen Kubikmeter beträgt und das der Malser Haide somit sogar noch übersteigt. David wird seine Entdeckung im Juli 2011 auf der internationalen Quartärkonferenz in Bern vorstellen. David Jarman wird sich zusammen mit seinem Mitautor Federico­ Agliardi und einem Forschungsteam aus Mailand/Bozen in der zweiten Julihälfte im Vinschgau aufhalten und das Gadriatal­ untersuchen. Dank zollt David Jarman, der führende schottische Forscher auf dem Fachgebiet „Große Erdrutsche und Bergstürze in ­Gebirgsregionen“, allen, die ihm die Zufahrt zu den Forschungsstandorten ermöglichten und somit die Feldarbeiten maßgeblich beschleunigten. Das veröffentlichte Dokument trägt die Bezeichnung: Jarman D, Agliardi F, Crosta G (2011): Megafans and outsize fans `from` ­catastrophic slope failures in alpine glacial troughs: the Malser Haide and the Val Venosta cluster, Italy. Geological Society Special Publication 351, 253-278; Slope-tecto 2008 Lausanner Tagungsbände, herausgegeben von ­Michel Jaboyedoff. *Fischer, K. 1966. Die Murkegel des Vinschgaues. Der Schlern, 40, 24-34.

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