AM SONNENBERG, Aquarell, von Robert Scherer, 48 x60 cm, 1995

Ruach / Robert Scherer

Publiziert in 12 / 2003 - Erschienen am 19. Juni 2003
Ruach Mit “Ruach” bezeichnen wir heute einen gierigen, groben oder rasenden Menschen; ursprünglich war es das Wort für ungestümes Drängen, für überschäumende, geis-stige Kraft. In diesem Sinne ist der Robert Scherer ein Ruach. Das Wort ist hebräisch und muss gedehnt und vinschgerisch ausgesprochen werden: ruachchchchch. Das „CH” entsteht fauchend im Rachen, wie der Vinschger Wind, der auf der Malser Haide Schwung nimmt. Ruach, der biblische Geist also, bedeutet das Wehen, den Geist ganz allgemein, auch den Heiligen Geist des Pfingstwunders. “Geist” ist verwandt mit dem Wort Gischt, meint die evangelische Theologin Dorothea Sölle und verweist darauf, dass “Ruach” im Hebräischen weiblich ist; dasselbe gilt für das lateinische “sapientia” und das griechische Wort “sophia”. Sölle spricht deshalb von der “Geistin”. Sie erkennt außerdem im “Geist” die gleiche Wortwurzel wie in der schäumenden “Gischt”: Weiße Kronen auf den Wellen des Wassers, das Aufsteigen von der Unendlichkeit des Meeres in die blaue Weltnacht. Geist, erregende Botschaft...Atem, Seele... RUACHCHCH... Robert Scherer Aus dem Vinschgau kommen gute Marillen, weißer Marmor, Künstler und “Korrner”. Mit allem hat der Robert etwas zu tun: Seine Kunst schmeckt gut wie Marillen, sie berührt auch den Marmor und zeitlebens war der Robert ein “Korrner”: Unruhiger Wanderer, ewig Suchender; der aus Kortsch stammende Künstler ist voller Neubeginn, ein wichtiger Botschafter des Vinschgau, künstlerisch und menschlich. Er ist das Gegenteil eines sesshaften, in sich ruhenden Menschen, wie etwa der Künstler Karl Grasser, der ebenfalls aus Kortsch stammt und mit dem Robert sogar verwandt ist. Studiert haben sie beide an der Akademie in Wien und sind noch immer freundschaftlich und künstlerisch miteinander verbunden. Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle, Wandbilder in Fresco, Secco, Sgraffito, Mosaik und Silikatmalerei, Glasfenster, Marmor- und Glas-Skulpturen umfassen Robert Sche- rers Werk, wofür er am 5. Juni 2003 - an seinem 75.Geburtstag - in Bozen mit dem “Walther von der Vogelweide Preis” ausgezeichnet wurde. Zahlreiche Freunde und Sammler erschienen zu dieser Ehrung. Prof. Dr. Gert Ammann, Direktor des Ferdinandeums Innsbruck, würdigte sein Werk und wandte sich direkt an den Künstler: ”Für mich sind viele deiner Gemälde Gedankenstützen, Bilder, die beeindrucken, die bewegen, die aufhorchen lassen, die dadurch Fixpunkte in der Erinnerung sind. Ich denke zurück an die Ausstellung im Zisterzienserstift Stams “Kreuz-Wege”. Der Gekreuzigte ist zentral und vertikal in die Bildmitte postiert, begleitet von der Dämonie der Unmenschlichkeit. Ein Aufbäumen gegen die Macht des Todes bei den Schächern, ein scheinbares Resignieren in der Ruhe des Gekreuzigten...Trotz der Ausweglosigkeit, welche das Ende signalisiert, kündigt sich im Auge Gottes die Hoffnung an.” Augen sind überall in Roberts Malereien, und Engel. “Engelwesen sind in ihrer Entmaterialisierung frei gewordene Menschen, die in die Sphäre des gleißenden Lichtes und der vibrierenden Luft eingetaucht sind”, sagte Ammann weiter in seiner Laudatio. Wasser. Der Robert war „Hirtabua“, er hat sicherlich auch Wiesen und Äcker bewässert. Er hat so ziemlich alles getan, was ein nicht begüterter junger Mensch auf dem Lande damals tun musste. Roberts Familie hat “optiert”und ist ausgewandert; in seinem bewegten Lebens-lauf spiegelt sich auch Südtirols politisches Schicksal. Wasser. Der Robert machte das Glasfenster für die erweiterte Pfarrkirche von Kortsch, die Johannes dem Täufer geweiht ist. Schon in der Farbskizze leuchtet das begehrte Nass und fließt blau und labend durchs große Glasfenster. Bin ich bereits im Himmel? Ähnliches empfinde ich in der Krypta von Marienberg, beim Schauen oder beim Lauschen der Erklärungen. Jede Führung - theologisch gelehrt oder schlicht gläubig - ist Linderung des Durstes. Kortsch, der ganze Vinschgau müsste verdursten ohne das künstlich gelenkte Wasser. Das verbindet den Vinschgau mit dem Heiligen Land. Robert Scherer, der ewig Wandernde, lebt und arbeitet nun schon lange im milderen Überetsch, liebäugelt mit dem Trentino, mit der altösterreichischen Grenzstadt Ala, wo er einen alten Ansitz erworben hat. Damit verbunden sind ganz neue Herausforderungen...neue Häuser, neue Freunde, neue Ideen. Gläserne Ideen. Seine Glasarbeiten stehen in der „Fucina degli Angeli“ in Venedig, eine Sammlung mit Weltgeltung. Robert Scherers Talent wurde dort schon sehr früh erkannt. Und wenn ihm das Land zu eng wurde - und das passierte früher häufig - ging er nach Venedig und kam zurück mit neuem Licht.
Hans Wielander

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