Dörfer im Vinschgau

Publiziert in 16 / 2004 - Erschienen am 26. August 2004
Fotos: Florian Peer, Text: Andrea Perger [F] Im Erdbeertal [/F] [K] Ortsnamensbedeutung: Erstmals urkundlich erwähnt um 1280 als "Martel", Mundart: "Martell", amtl. ital. Name: "Martello". Vom lateinischen "Martellum" , "Hammer". Laut anderen Theorien ist die genaue Herkunft des namens nicht restlos geklärt. Quellen: "Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte", von Egon Kühebacher 1991 "Vinschgau" von Josef Rampold, Auflage 1997 "Das Martelltal- eine Chronik" von Antonia Perkmann-Stricker 1985 "Die Wappen der Gemeinden Südtirols" Landesverband für Heimatpflege in Südtirol 1972 Informationen: Antonia Perkmann-Stricker [/K] [F] Historisches [/F] Das Wappen der Gemeinde Martell zeigt einen schwarzen Doppeladler. Diesen dürfen die Marteller seit einer tapfer geführten Schlacht am Talausgang in ihrem Wappen führen, berichtet eine legendäre Überlieferung. Nach der letzten Eiszeit soll es in Martell mehrere größere Seen gegeben haben, deren Ausbruch das Tal in die heutige Form gebracht haben soll. Der genaue Zeitpunkt der ersten Besiedelung ist unklar. Die ersten Menschen, die nach Martell kamen, waren mit großer Wahrscheinlichkeit Hirten. Die ersten Gebäude entstanden auf den Almen (circa 5. bis 6. Jh.) und an den Berghängen, denn die Talsohle war sumpfig und wurde öfters von Überschwemmungen heimgesucht. Die erste Dauersiedlung wird um die Zeit von 1100 vermutet. Der Grund und Boden gehörte den Grafen, die ihn an die Bauern zur Bewirtschaftung gaben. Diese mussten dafür den Zehent abliefern, der aus etwas Geld, vor allem aber bäuerlichen Produkten, wie Butter, Käse, Fleisch, Wolle, Flachs, Holz, Schindeln usw. bestand. Der Hof wurde vom Vater an den Sohn in Pacht weitergegeben. Die Höfe blieben bis in die Mitte des 19. Jh. im Besitz der Grafen. Ebenfalls von Bedeutung für Martell war der Bergbau. Abgebaut wurde vor allem Eisen, Kupfer und etwas Silber. Viele der einstigen Stollen sind heute noch gut sichtbar. Das Verhältnis zwischen Bauern und Bergknappen war mehr schlecht als recht. Vor allem weil letztere meist von außerhalb des Tales kamen. So war es den Bergleuten verwehrt Holz zu schlägern. So waren die Knappen oft zum Diebstahl des Brennmaterials gezwungen, oder zum Betteln. Der Bergbau kam vor gut 200 Jahren zum Stillstand, einige Arbeiter jedoch blieben und mussten sich nach neuen Erwerbsquellen umsehen. Sie verdienten sich fortan als Korbmacher, Drechsler oder Binder. Die gefertigten Stücke wurden oft bei Nacht und Nebel zum Verkauf ins Tal, teilweise bis Meran gebracht. Zur Zeit der Option sind die meisten Arbeiter abgewandert. Immer wieder in der Geschichte von Martell gab es große Überschwemmungen. Die Gletscherzungen bildeten wiederholt natürliche Dämme, hinter denen sich das Schmelzwasser in "Wasserstuben" sammelte, bis es dann zum Ausbruch kam. So gab es große Überschwemmungen in den Jahren 1779, 1888, 1889, 1891 jeweils im Monat Juni, als der große Schmelzwasserfluss einsetzte. Deshalb wurde in den Jahren 1892 und 1893 eine große Schutzmauer (Klause) gebaut, die heute noch sichtbar ist (etwa 20 Gehminuten hinter Zufall) und seinerzeit die größte ihrer Art im gesamten Alpengebiet war. Bereits 1894 bewährte sich die Mauer zum ersten Mal und bewahrte das Tal vor einer weiteren großen Überschwemmung. Das Hotel Paradies wurde in den Jahren 1933-35 erbaut und war ein Nobelhotel der modernsten Art. Anfangs beschäftigte das Hotel nur italienisches Personal, aber nach und nach fanden hier zunehmend Marteller Arbeit. Das Hotel war für die Marteller Bauern gleichzeitig ein guter Absatzmarkt. Einen weiteren Zusatzverdienst für die Bauern bot der Kutschdienst. Die Gäste und ihr Gepäck wurden mit Kutschen oder im Winter mit Schlitten zum Hotel gebracht. 1943 wurde der Hotelbetrieb eingestellt, das Hotel von der deutschen Wehrmacht besetzt und als Spionageschule benutzt. [F] Dorfzahlen [/F] Die Gemeinde Martell umfasst die Ortschaften Tal, Gand, Salt, Ennewasser und Martell Dorf. Insgesamt leben im Martelltal 880 Menschen. [F] Dorfleben [/F] Martelltal, das sind in erster Linie köstliche Beeren. Tatsächlich brachte die Modernisierung in der Landwirtschaft durch Einsatz neuer Maschinen, sowie die Umstellung auf den Obst- und Gemüsebau dem Tal einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. So werden heute in Martell Karfiol, eine eigene Radicchiosorte, Kartoffeln und vor allem verschiedene Beerensorten angebaut. Neben den bekannten Erdbeeren finden sich in Martell Himbeeren, sowie rote und schwarze Johannisbeeren. Der "Beerenkultur" zur Ehre findet seit einiger Zeit das jährliche Erdbeerfest statt. Durch das günstige Klima gedeihen die Beeren bis ins hintere Martelltal, wo die Ernte in guten Jahren bis Ende September anhalten kann. Dies ist auch den zahlreichen Erntehelfern aus Osteuropa recht, denn so können sie sich nach der Erdbeerernte direkt bei der Apfelernte in den Nachbargemeinden verdingen. Neben dem relativ jungen Obst- und Gemüseanbau, besteht in Martell weiterhin die Viehwirtschaft. Neben dem Milchvieh floriert die Schafzucht (gut 1500 Stück). Die zwei großen Rinderalmen, wurden erst nach Bau des Stausees neu errichtet. Die alten Almen befanden sich auf dem heutigen Areal des Stausees und dürften sehr alt gewesen sein. So fanden sich hier sehr alte Gegenstände aus dem Hirtenalltag. Diese mussten das Vieh, vor allem die Schafe, noch vor Raubtieren beschützen. Die Almhütten waren einfache Blockbauten. Neben den zwei Almen fielen dem Stauseebau ein Wohnhaus und ein Gasthaus zum Opfer. Nach Vermessungen und Planungsarbeiten in den 40er Jahren wurde der Stausee in den Jahren 1954 und 1955 erbaut, dem kostbares Weideland zum Opfer fiel. Doch schlimmer als der Verlust des Bodens ist die Überschwemmungskatastrophe vom August 1987. Durch das Öffnen der Schleusen wurden ungeheure Schäden angerichtet. In Gedenken an diese dunklen Stunden, in denen viel Hab und Gut, aber zum Glück kein Leben verloren ging, wurde eine Gedenkstätte errichtet. Alljährlich findet hier eine Andacht statt. Das Vereinsleben im Tal ist sehr ausgeprägt, gleichsam das überlieferte und neue Brauchtum. So wie der "Pfeffer", eine traditionelle Speise am heiligen Abend. Der Name trügt, denn hierbei handelt es sich um ein Mohngericht, das mit Honig und Zimt gekocht wird. Heute ist dieses Gericht jedoch vielerorts durch die Krapfen abgelöst worden. Am ersten Sonntag im Mai werden am Kirchplatz Brötchen mit Maibutter gereicht, wer Milchvieh besitzt, tischt die Maibutter außerdem zu Hause auf. Der Tourismus hat im Martelltal bescheidene Ausmaße beibehalten. Erfolgreich wehrten sich hier die Bauern gegen die Errichtung von Aufstiegsanlagen. So finden sich in Martell im Winter nur einzelne Besucher, Wintersportort im eigentlichen Sinn ist Martell keiner. Im Sommer besuchen vor allem Tagesausflügler das Tal. Diese zeitweise in so großer Masse, dass viele Einheimische sich gestört fühlen. Und doch, einen Ausflug ist das Martelltal halt eben allemal wert. [F] In Martell, in mei Tol Von Norbert Florineth [/F] Wenn i gea übern Komm, schaug i ochi ins Tol siech di Baam und die Wiesn griaß enk Gott ollemol. Seits nou grian, seits nou schian, als hatts schianres nia gebn. In Martell, in mein Tol möcht i olleweil lebn. Kimp der Herbscht übert Schneid, brennand Larchn am Hong, follnd Schottn afd Maader, weard der Obad sou long. Gibsch a Rua und hosch gnua, als hatts pessres nia gebn. In Martell, in mein Tol möcht i olleweil lebn. Und im Winter der Schnea deckt die Dachr, die Stuan, legg si aui aft Aschtlan, afn Zaun, afn Ruan. Olz isch weiß, olz isch staat, als hatts staatres nia gebn. In Martell, in mein Tol möcht i olleweil lebn. Muaß i gian von mein Tol, stea i still af der Brugg, siech is Wosser wias oirinnt, schaugis leschtemoll zrugg. Ach wos taati für Thioul und fürs Rasimitol gebn. Weil Martell isch darhuam, i möcht olleweil do lebn. [K] Vorschau: 09.09.04 - Lichtenberg 23.09.04 - Katharinaberg [/K]

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.