Kurt Diemberger (links) und Herbert Knapp (Mitte) lieferten sich im MMM Ortles teils heftige Wortgefechte; Reinhold Messner (rechts) versuchte mehrmals, die Emotionen zu dämpfen; im Hintergrund ein Foto der Schaumrolle.

Erstbesteigung der Schaumrolle: Streit hält an

Publiziert in 19 / 2006 - Erschienen am 20. September 2006
50 Jahre sind seit der Erstbesteigung der Schaumrolle an der Königsspitze vergangen. Um dieses Jubiläum zu feiern, haben die Alpinschule Ortler, die Bergrettung Sulden und Reinhold Messner am Sonntag zu einem Bergsteigerfest nach Sulden eingeladen. „Das Eisbergsteigen steckte vor 50 Jahren noch in zwölfzackigen Steigeisen. Den Erstbegehern der mächtigen Gipfelwechte, die 2001 abbrach, gebührt Anerkennung. Sie haben angesichts der damaligen Ausrüstung wirklich Großes geleistet,“ sagte Reinhold Messner bei einem Pressegespräch in seinem Eismuseum MMM Ortles. Erstmals durchklettert wurde die Schaumrolle am 22. September 1956, und zwar von Herbert Knapp aus Salzburg, dessen Eltern aus St. Lorenzen im Pustertal stammten, von Hannes Unterweger, der in Brixen geboren wurde und dessen Familie ebenfalls nach Österreich auswanderte, sowie von Kurt Diemberger aus Salzburg. Unterweger ist 1959 bei einer Bergwanderung tödlich verunglückt. Kurt Diemberger und Herbert Knapp sind der Einladung nach Sulden gefolgt. Es dauerte nicht lange, bis sich die beiden in die Haare gerieten. Während Diemberger behauptete, dass er der eigentliche „Macher“ der Schaumrolle sei, dass es eine Vereinbarung mit Knapp und Unterweger zur Erstbegehung gegeben habe und dass er von ihnen zu Hilfe gerufen worden sei, sagte Knapp, dass Diemberger die Tatsachen verdrehe. Laut Knapp sei Kurt Diemberger dazugekommen, als er und Unterweger bereits in der Mitte der Schaumrolle waren. „Um Hilfe gebeten haben wir ihn nicht. Es war Kurt, der uns gesucht hat,“ sagte Knapp. Kurt habe eine viel bessere Ausrüstung gehabt. „Es wäre eine Hypothese, zu behaupten, dass wir allein bis zum Gipfel hinaufgekommen wären,“ sagte Knapp. Während des letzten Stückes der Schaumrolle habe Kurt die Seilschaft geführt. „Ich ging als erster über die Schaumrolle und übernahm die Führung zum Gipfel,“ hakte Diemberger ein. Die Nordwand bis zur Schaumrolle habe er mit Albert Morocutti eine Woche vorher durchstiegen, sodass man von einer Erstbegehung „in zwei Raten“ sprechen könne. Zwischen Diemberger und Knapp kam es immer wieder zu teils heftigen Auseinandersetzungen. Sie warfen einander vor, Sachverhalte zu verdrehen. Reinhold Messner, der Diemberger in der Hitze des Wortgefechts vorwarf, „endlich mit seinem Geschwätz aufzuhören“, versuchte Klarheit in die Sache zu bringen: „Fest steht, dass Knapp und Unterweger an diesem Tag die ganze Nordwand durchstiegen und auch die Schaumrolle durchklettert haben, wobei Diemberger dazukam und während der letzten 15 bis 20 Meter führte.“ In diesem Sinne wurde auch folgende Pressenotiz verteilt: „Im September 1956 haben Herbert Knapp und Hannes Unterweger die Nordwand der Königsspitze und des Ortler durchklettert. Wie seinerzeit Hans Ertl 1930 zelteten sie beim See unterhalb der Hintergrathütte. Hier sprach Kurt Diemberger aus Salzburg sie an. Er hatte eine Woche zuvor gemeinsam mit Albert Morocutti die Nordwand der Königsspitze durchklettert, allerdings nicht über die Schaumrolle. Deshalb suchte er jetzt jemanden, um vom Gipfel zum Fuß der Schaumrolle hinabgesichert zu werden, um anschließend die Erstbegehung der Schaumrolle verbuchen zu können. Herbert Knapp und Hannes Unterweger sagten Kurt Diemberger zu. Wenn er eine Unterstützung haben wolle, solle er am 22. September um die Mittagszeit am Gipfel der Königsspitze sein. Der Entschluss, die Königsspitze-Nordwand zu durchsteigen, stand zu diesem Zeitpunkt für Herbert Knapp und Hannes Unterweger bereits fest. Sie kletterten schneller als erwartet, sodass sie bereits um 10 Uhr am Fuße der Schaumrolle anlangten - dort, wo Diemberger und Morocutti eine Woche zuvor auf den Suldengrat hinausgequert waren. Also stiegen sie über die Schaumrolle direkt Richtung Gipfel weiter. Sie waren bereits bis zur Hälfte der Schaumrolle gekommen, als Diemberger an der Kante des Gipfelgrates erschien. Als er sah, dass Knapp und Unterweger bereits mitten in der Schaumrolle waren, - außer sich vor Zorn und Enttäuschung - bat er sie flehentlich, auf ihn zu warten und das restliche Teilstück der Wechte führen zu dürfen. Sicher, damit auch er Anteil an der Erstbegehung habe. Als sie um 18.30 Uhr den Gipfel erreichten, war bei den drei Pionieren Freude und Stolz. Die von Diemberger später verbreitete Darstellung, Knapp und Unterweger hätten ihn zu Hilfe gerufen, ist falsch.“ Zu einem Eklat kam es auch, als der Leiter der Bergrettung Sulden, Olaf Reinstadler, an die Erstbegeher eine Ehrenplakette überreichen wollte. Herbert Knapp nahm die Plakette an, für Hannes Unterweger nahm sie dessen Bruder Manfred entgegen, Kurt Diemberger aber lehnte ab. „Hier stimmt die Reihenfolge nicht,“ sagte er, denn er müsse als erster angeführt werden. Geehrt wurden auch jene drei Männer, denen 1974 die erste Winterbegehung der Schaumrolle geglückt ist, nämlich Dieter Drescher, Leo Breitenberger und Helmut Larcher. Auch diese Begehung wurde als große Leistung gewürdigt. Grußworte und Glückwünsche überbrachten Bürgermeister Josef Hofer und der frühere Leiter der Bergrettung Sulden, Pfarrer Josef Hurton. Ehrengast war auch Hans Katschthaler, Altlandeshauptmann von Salzburg. Zum Thema Schaumrolle hat Reinhold Messner, der am Sonntag übrigens 62 Jahre alt wurde, im MMM Ortles zudem eine Sonderausstellung eröffnet. Ein Jahr lang werden nun Bilder, Gemälde und originale Ausrüstungsgegenstände der Erstbegeher zu sehen sein. Am Abend hielt Messner in der Tennishalle einen gut besuchten Vortrag (rund 700 Personen) zum Thema „Schaumrolle - Die Königin der Ortlerberge“.
Josef Laner
Josef Laner

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