„Autonomie der Bürger, nicht der Landesregierung“
Publiziert in 42 / 2007 - Erschienen am 28. November 2007
Stolze 25.823 Unterschriften sind heuer von Mitte März bis Mitte Juni auf Betreiben der Initiative für mehr Demokratie und weiterer 40 Organisationen und Vereine auf Landesebene gesammelt worden, um eine Volksabstimmung über ein besseres Gesetz zur direkten Demokratie in die Wege zu leiten. Rund 3.000 der genannten Unterschriften stammten aus dem Vinschgau.
Nun fragen sich viele, was aus den Unterschriften wird. Unsicherheit herrscht auch insofern, als dass im Jahr 2009 insgesamt 5 Volksabstimmungsanträge zur Abstimmung kommen werden, darunter auch 3 der Union für Südtirol. Laut Stephan Lausch, dem Koordinator der Initiative für mehr Demokratie, steht die wichtigste Phase im Kampf für bessere Formen der direkten Mitbestimmung der Bürger noch bevor.
„Der Vinschger“: Die Hürde des Sammelns von 13.000 Unterschriften für ein besseres Gesetz zur direkten Demokratie sowie für eine Abstimmung über den Flugplatzausbau wurde mit großem Erfolg genommen. Diese Unterschriften sind aber nur die Voraussetzung für die Abhaltung der zwei Volksabstimmungen im Jahr 2009. Herrscht bis dahin „Sendepause“?
Stephan Lausch: So wahrnehmbar, wie zur Zeit der Unterschriftensammlung, werden wir bis Anfang 2009 nicht mehr sein können, aber wir werden uns bemühen, möglichst vielen Menschen im Land auf ganz verschiedene Weisen nahe zu bringen, wie immens wichtig die für 2009 anstehende Entscheidung ist. Es liegt jetzt in ihren Händen, ob die weltweit so gelobte Südtirol-Autonomie nur eine Autonomie der Landesregierung bleibt, einer Landesregierung, die nachweislich immer wieder den anders orientierten Willen der Bürgerinnen und Bürger ignoriert (z.B. verkehrspolitische Entscheidungen im Vinschgau), kurz, ob wir lieber doch so etwas ähnliches wie ein Fürstentum bleiben wollen, oder ob diese Autonomie nicht doch endlich eine Autonomie der Bürgerinnen und Bürger wird.
Die Union für Südtirol hat bereits im Vorfeld genug Unterschriften für ihre drei Volksabstimmungsanträge gesammelt. Einer der Anträge betrifft ebenfalls ein besseres Gesetz zur direkten Demokratie. Dem Bestreben der Union, die Anträge noch heuer zur Abstimmung zu bringen, machte der Landeshauptmann kürzlich per Dekret einen Strich durch die Rechnung. Die Klage der Union gegen dieses Dekret wurde abgewiesen, sodass über alle 5 Anträge im Jahr 2009 abgestimmt wird, und zwar gemeinsam. Wer soll sich da noch auskennen?
Stephan Lausch: Zuerst einmal sollten wir uns freuen, dass wir es so weit gebracht haben, dass das Volk jetzt selber in einer Volksabstimmung über fünf verschiedene gesetzliche Regelungen zu Materien entscheiden kann, die vielen Menschen im Land ein Anliegen sind, die aber im Landtag aufgrund des Fraktionszwanges keine Mehrheit finden würden. Und so kompliziert ist das dann auch wieder nicht: Fünf verschiedene Vorschläge, zu denen auf fünf Stimmzetteln einzeln ja oder nein gesagt werden kann.
Freilich wäre vieles klarer und einfacher, wenn heute schon die von uns vorgeschlagene bessere Regelung zur Direkten Demokratie gelten würde. So bekämen z.B. alle Stimmberechtigten ein sogenanntes Abstimmungsheft zugeschickt, in dem alle fünf Anträge auf sachliche und objektive Weise dargestellt wären und mit dem man sich unabhängig von den Medien kundig machen könnte. Das einzig Komplizierte ist vielleicht, dass gleichzeitig über zwei verschiedene Vorschläge zur besseren Regelung der Direkten Demokratie abgestimmt werden kann. Wem grundsätzlich eine Verbesserung der politischen Mitbestimmungsrechte wichtig ist, der kann problemlos bei beiden mit ja stimmen, weil sich die Vorschläge sehr ähnlich sind. Wer eine überparteiliche, von vielen Organisationen getragene und in zwei wichtigen Punkten auch moderatere Initiative zur besseren Regelung der Direkten Demokratie bevorzugt, sozusagen das Original, hinter dem viele Jahre Kleinarbeit stehen, der wird, wenn er auswählen will, für den Gesetzentwurf der Initiative stimmen.
Welches sind die markantesten Unterschiede zwischen dem Antrag der Initiative für mehr Demokratie und jenem der Union?
Stephan Lausch: Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass im Verbesserungsvorschlag der Union so wie im derzeit geltenden Gesetz, das echte Referendum fehlt, nämlich die Möglichkeit, ein vom Landtag verabschiedetes Gesetz oder einen Beschluss der Landesregierung vor ihrem In-Kraft-Treten dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Weitere Punkte sind die Unterschriftenzahl zur Erwirkung einer Volksabstimmung, wo die Union 8.000 und die Initiative 10.000 vorsieht und die Anzahl der Wähler, die an der Abstimmung teilnehmen müssen, damit sie gültig ist. Für die Union ist eine Volksabstimmung unabhängig von der Beteiligung gültig, die Initiative hat sich mit den unterstützenden Organisationen im Kompromiss und entgegen dem geltenden von 40 Prozent auf ein 15 Prozent Beteiligungsquorum geeinigt.
Wäre es nicht sinnvoll, sich im Vorfeld auf einen gemeinsamen „Wahlkampf“ einzuschwören, zumal es ja in beiden Fällen um ein besseres direktes Mitbestimmungsrecht der Bürger geht?
Stephan Lausch: Die Volksinitiative für das bessere Gesetz zur direkten Demokratie ist in Zusammenarbeit mit vielen Organisationen überparteilich geboren und sie bleibt es. Parteipolitische Methoden sind nicht die unseren. Wir halten sie in der Sache auch für ungeeignet. Wir verwenden die Volksabstimmung nicht gegen eine Partei, sondern um in einer so wichtigen Frage die Bürger entscheiden zu lassen. Die große Herausforderung ist das 40 Prozent Beteiligungsquorum. Wenn jeder auf seine Weise arbeitet, um die Bürger zur Beteiligung zu gewinnen, dann schaffen wir es am ehesten.
Sie haben schon im Vorfeld der Unterschriftensammlung darauf hingewiesen, dass es nicht leicht sein wird, bei der Abstimmung die Beteiligungshürde von 40 Prozent zu schaffen, wie sie derzeit noch gilt. Ist nicht anzunehmen, dass diese Hürde leichter zu nehmen ist, wenn 2009 gleich 5 Anträge gleichzeitig zur Abstimmung kommen?
Stephan Lausch: Ja, und genau deshalb, also um der Sache willen, hat uns die Position des Landeshauptmannes, die Abstimmung auf einen Termin nach den Landtagswahlen zusammenzulegen, nicht weiter gestört.
Was geschieht, wenn beide Anträge die 40-Prozent-Hürde nehmen, und was, wenn es keiner schafft?
Stephan Lausch: Wenn beide die Beteiligungshürde nehmen und beide mehr Ja-, als Nein-Stimmen erhalten, dann wird jener Gesetzesvorschlag in Kraft treten, der mehr Ja-Stimmen auf sich vereinen kann. Fehlt auch nur eine einzige Stimme, um das 40 Prozent Beteiligungsquorum zu erfüllen, sind also 156.125 anstatt 156.126 Bürger zur Abstimmung gegangen, dann könnten die beteiligungsfeindlichen Kräfte im Land triumphieren, weil die Abstimmung für ungültig erklärt werden würde.
Interview: Sepp Laner
Josef Laner