Renate Sulser (in der Bildmitte) mit Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern am Farbentisch.

Ausdrucksmalen

Publiziert in 26 / 2007 - Erschienen am 11. Juli 2007
Begleitetes körper- und sinnes­orientiertes Malen für Menschen mit einer Demenz oder geistiger Behinderung: Dieses Weiterbildungsseminar im Auftrag der Landesfachschule für Sozialberufe „Hannah Arendt“, Autonome Provinz Bozen, ­haben Hilde Raffeiner aus Laas und ­Matthias Oberhofer aus Schlanders am 5.10.2006 begonnen und am 9.06.2007 erfolgreich abgeschlossen. Kursinhalte dabei waren: Geschichte des Ausdrucksmalens, Urformenlehre und prozess­orientiertes Malen, Annäherung an die subjektive Wirklichkeit von Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung, Körper-Erinnerungsvermögen, Einblick in das metaphorische Malen, Einblick in die Stadien der Demenz und Ausdrucks­fähigkeit von Malenden mit einer Demenz oder geistiger Behinderung, Bedeutung der Farben in der maltherapeutischen Arbeit, Empathie und Wahrnehmungsschulung, validierende Arbeitsweise, Animation und Begleitung, Struktur und Ritualcharakter von Malsequenzen, Atelier-Einrichtung und Konzepterstellung, Ausdrucksmalen als Selbsterfahrung und Assistenzbegleitung. Die Landesfachschule hat dieses Weiterbildungsseminar das ­erste Mal angeboten und mit ­Renate Sulser eine erfahrene und ausgezeichnete Referentin verpflichtet. Sie bildete sich während der Zeit von 1979 bis 1983 zur Maltherapeutin bei Esther Hofmann aus und leitet seit 1983 ein eigenes Malatelier für Ausdrucksmalen mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie für Menschen mit geistiger und psychischer Beeinträchtigung. In Wetzikon im Kanton Zürich begann Renate Sulser als Mitarbeiterin im gerontopsychiatrischen Krankenheim Sonnweid begleitetes Malen für Menschen mit Demenz aufzubauen. Sie erarbeitete im Laufe der Zeit ein Konzept, das es Menschen mit „veränderter Wahrnehmung“ ermöglicht, trotz fortschreitender Demenz sich malend auszudrücken und schöpferisch zu betätigen. Ab 1994 leitet sie Weiterbildungskurse bei Curaviva Schweiz, Sonnweid Campus. 2002 wurde ihr der Preis der Schweizerischen Alzheimervereinigung für besondere Leistungen verliehen. 2007 ist im Verlag Hans Huber (Bern) ihr Buch „Ausdrucksmalen für Menschen mit Demenz“ erschienen. Die Kursleiterin, Maltherapeutin und Dozentin Renate Sulser zum Thema Ausdrucksmalen: „Ausdrucksmalen ist eine schöpferische und kreative Arbeit. Unbewusste, noch verborgene Bilder werden gemalt, nehmen Farbe und Gestalt an. Malen ist eine nonverbale Ausdrucksmöglichkeit und wird mit allen Sinnen ganzheitlich erlebt. Wahrnehmung wird durch Ausdrucksmalen sensibilisiert und gefördert. Über längere Zeit kontinuierlich begleitetes Malen auf den Grundlagen des Ausdrucksmalens ermöglicht sich näher kennen zu lernen und neue Kräfte zu schöpfen. Konflikte und Nöte werden besser erkannt und Spannungen abgebaut. Lebensfreude und Energie werden geweckt und verändern den Alltag. Malen ist ein sinnliches Erleben. Entscheidend ist nicht das Produkt, das Bild, sondern der Prozess des Malens. Ausdrucksmalen ist frei von psychologischer Deutung und künstlerischem Anspruch. Voraussetzung ist inneres Engagement, Freude am Tun und Lust auf Begegnung. Es braucht keine Vorkenntnisse oder künstlerische Begabung. Meine Aufgabe als Malleiterin ist, unterstützend und Anteil nehmend da zu sein. Beim Begleiten löse ich mich von persönlichen Ansprüchen und Wertvorstellungen und tauche ganz in das Geschehen im Malraum ein. Für mich ist dieses Eintauchen wie ein Angeschlossensein an einem Stromkreis. Durch mein Dastehen verkörpere ich Dabei sein, Mitempfinden und Mittragen. Ich versuche, Freude und Mut zu wecken beim ‚sich Ausdrücken’. Sinnliche und meditative Einstimmung ist eine wertvolle Vorbereitung. Unser Lebens­rhythmus wird häufig unterbrochen durch die tägliche Flut von Eindrücken und Einflüssen, denen wir ausgesetzt sind und die unsere Sinne oftmals überfluten und uns erschöpfen. Um einen tiefen und persönlichen malerischen Ausdruck zu ermöglichen, ist eine Einstimmung wichtig. Ich sehe in einer Art Meditation einen Weg, Geist, Körper und Seele auf den Malprozess einzustimmen. Im Atelier kann man sich geborgen fühlen wie in einer Höhle. Das Malatelier steht grundsätzlich allen Interessierten offen. ­Malende, die sich nur unzulänglich mitteilen können, wie hochbetagte demenzkranke Menschen, besuchen das Malatelier im Krankenheim Sonnweid. Das Atelier ist ein geschützter Raum und nur Malende und Mitbegleitende haben Zutritt zum Malraum und den Bildern. Ich verzichte weitgehend auf Tageslicht, damit die Malgäste die ‚inneren’ Fenster öffnen und ohne Ablenkung von außen ihr Geschehen malen. Gemalt wird meist stehend und in kleineren Gruppen. Die Malwände mit ihren feinen Farbstrukturen vermitteln eine stille und anregende Ausstrahlung. Durch das Stehen beim Malen kann der ganzheitliche Mensch empfinden und mitschwingen, denn die Malbewegungen fliessen durch den ganzen Körper. Der Farbentisch mit seinen vielen wasserlöslichen Gouachefarben und weichen Pinseln ist das Zentrum des Raumes und Begegnungsort. Die Malenden nehmen sich gegenseitig wahr und üben so soziale Rücksicht und achtungsvollen Umgang mit dem Material. Außer den Malwänden mit den farbigen Spuren und dem Farbentisch ist der Malraum leer, damit Konzentration und Vertiefung möglich wird.“ Hilde Raffeiner hat bereits 18 Jahre Berufserfahrung in der Altenpflege, mit Zusatzqualifikationen in Sterbebegleitung und Demenzbetreuung. Matthias Oberhofer ist langjähriger Referent im kreativen Bereich in der Kinder- und Erwachsenenbildung. Gemeinsam möchten sie ihr erworbenes Wissen jetzt gerne anbringen und ein Konzept erstellen um das Gelernte sinnvoll umzusetzen. Im neuen Wohn- und Pflegeheim in Laas bietet sich dafür die Möglichkeit. Wir wünschen viel Erfolg in der Umsetzung. Monika Prohaska

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