Mit Fangnetzen und Leuchttürmen
Über 50 Schmetterlingsforscher aus 19 Ländern Europas zu Gast in Mals.
Mals/Schleis - Schon seit Jahrzehnten ist die Gemeinde Mals ein besonderer Anziehungspunkt für Experten und Expertinnen, die sich mit der Schmetterlingskunde befassen. Gerhard Tarmann (Tiroler Landesmuseen) hat das Schmetterlings-Eldorado im Großraum Graun, Mals und Taufers im Münstertal bereits in den 1970er Jahren zum ersten Mal kennengelernt und zusammen mit Forscherkollegen im Laufe mehrerer Jahrzehnte im Gemeindegebiet von Mals über 3.000 Schmetterlings-Arten erfasst. Weil die Gemeinde Mals schon seit Jahren eines der SEL-Studiengebiete ist – SEL steht für „Society for European Lepidopterology“ – war sie ganz bewusst für den Start und den ersten Feld-Workshop des europäischen Forschungsprojektes „Psyche“ ausgewählt worden.
Die Wahl fiel nicht zufällig auf Mals
Aufgrund der einzigartigen Lage in Europa und der Kombination aus Geografie und Klima weist Mals eine sehr hohe Biodiversität auf. Mit eine Rolle spielte bei der Wahl von Mals laut einer Pressemitteilung auch die „aufgeschlossene Haltung der lokalen Bevölkerung gegenüber der Entnahme von Insektenproben und der Tatsache, dass Mals sich klar gegen den übermäßigen Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ausspricht.“ Wie Gerhard Tarmann dem der Vinschger bestätigte, „ist die Welt vor allem an den Hängen von Schleis, Laatsch und Taufers noch in Ordnung, während das weiter unten, wo intensiver Obstbau betrieben ist, nicht mehr der Fall ist.“
Zum ersten Feld-Workshop, der vom 14. bis zum 18. Juli stattgefunden hat, waren Forscher und Forscherinnen sowie Studierende aus 19 europäischen Ländern angereist, aus Albanien und Griechenland ebenso, wie aus Schweden, Frankreich, Spanien und anderen Ländern. Laut Evelyn Kustatscher, der Leiterin der „Naturwissenschaftlichen Sammlungen“ der Tiroler Landesmuseen, verfolgt das EU-Forschungsprojekt „Psyche“ das ehrgeizige Ziel, alle rund 11.000 Schmetterlingsarten, die in Europa vorkommen, zu sequenzieren. Konkret machten sich die Workshop-Teilnehmenden daran, mit Hilfe von Netzen und Leuchttürmen möglichst viele Arten von Tag- und Nachtfaltern zu bestimmen und einzelne Individuen „ausgewählter Arten zu entnehmen“, wie Benjamin Wiesmair (Tiroler Landesmuseen) am Abend des 16. Juli beim Spielplatz in Schleis ausführte. Dort hatten Interessierte die Möglichkeit, bei einer „Nacht der Nachtfalter“ einem Forschungs-Team bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Kinder durften beim Aufbau von Leuchttürmen mithelfen.
Ideale Modellorganismen
Schmetterlinge – in der Wissenschaft nennt man sie Lepidoptera, sind laut Kustatscher nicht nur wichtige Bestäuber, „sondern auch Frühwarnsysteme für den Zustand unserer Ökosysteme.“ Zudem stellen sie eine Schlüsselgruppe in der ökologischen Forschung dar. Manche Arten zählen gleichzeitig zu den bedeutendsten Schädlingen in der Land- und Forstwirtschaft. Die vergleichsweise kleinen Erbgut-Datensätze der Tag- und Nachtfalter „machen Schmetterlinge zu idealen Modellorganismen für die moderne Genomforschung.“ Schmetterlinge gehören zu den am besten erforschten Insekten in Bezug auf Biologie, Ökologie und Morphologie. Diese Fülle an Wissen öffne in Verbindung mit den rasch wachsenden Erkenntnissen über ihre DNA-Sequenzen die Tür zur Beantwortung spannender neuer wissenschaftlicher und angewandter Forschungsfragen. Die Analyse sämtlicher Daten erlaube Einblicke in die Anpassungsstrategien an den Klimawandel, die Entstehung von Pestizidresistenzen sowie in die Strategien bei Wiederansiedlungen.