Zu Musik und Kastanienfeuer
Goldrain - Das Bildungshaus und seine Besatzung haben es verstanden. Der Herbst ist nicht nur Melancholie oder Abschied oder Rückzug. Es ist die Jahreszeit zum Genießen, zum besseren Hinhören und natürlich zum Nachdenken. Bildungshausleiterin Gertrud Wellenzohn und ihre HelferInnen haben dies verstanden und sich zwei Kreative ins Bildungshaus geholt. Der eine, der „feinfühlige Literat“ Horst Saller aus Schlanders, ist inzwischen ja bekannt. Der andere, der zwischen Sallers Rezitationen ein digitales Klavier bediente und Klangwelten improvisierte, hat überrascht und erstaunt. Sowas nennt man ja gelungen, wenn dem Publikum ein unbekannter, aber virtuoser Künstler präsentiert wird. Die Besucher der Matinee am 12. Oktober erlebten erstmals Nico Platter aus Algund im Bildungshaus, der nicht nur „piano“, sondern auch „forte“ mit dem Klavier umging. Vergebens versuchten die Besucher, ein ihnen bekanntes Motiv herauszuhören. Alle im gut besetzten Graf-Hendl-Saal versuchten es, aber Horst Saller ließ ihnen keine Zeit. Er überraschte mit Sidonie Grünwald-Zerkowitz‘ „Der Herbst, der war mir lieber“. Es folgten das „Oktoberlied“ von Theodor Storm und der Klassiker von Theodor Fontane „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“. Bei Carl Zuckmayrs „Oktobernarren“ mit zahlreichen Wortkombinationen zum Thema Herbst, machte der Vorleser aufmerksam, dass Zuckmayr das Oktoberfest vergessen habe. Herzhaftes Lachen. Einer der Klassiker von Rainer Maria Rilkes „Herbsttag“ beginne wie ein Gebet und ende in philosophischen Betrachtungen. „Ohne Südtiroler Autorin oder Autor wollte ich diese Lesung nicht machen“, merkte Saller an. Er habe an NC Kaser gedacht und Saller sei „der „Stegener Markt“ eingefallen. Irgendwann erklärte er: „Ich muss Ihnen mitteilen, der Musiker und ich, wir beide haben uns noch nie gesehen.“ Es folgte „Allerseelen von Hermann von Gilm“, eines seiner Lieblingsgedichte. Im „Novemberlied“ von Konstantin Wecker „winterlet“ es schon sehr. Die Sonnenstunden werden knapp und man freut sich über das Kastanienfeuer. An Berthold Brecht‘s „Erinnerungen“ hängte Saller das Heintje-Lied „Im Winter, wenn die Schwalben nach Süden ziehen“, und rang den konzentriert lauschenden Besuchern wieder ein Lachen ab. Heinrich Heines „Der Herbstwind rüttelt die Bäume“ war das nächste Kontrastprogramm. Der Herbst sei die Zeit, sich Vorräte für den Winter anzulegen. Zum Beispiel durch Hamstern. Beim österreichischen Lyriker H. C. Artmann heißt der Hamster Humphrey, dessen Lebensphilosophie das Hamstern sei. Mit Frauen habe er angefangen, meinte Saller, mit Frauen wolle er aufhören. Mit „Herbst“ der in Polen geborenen Mascha Kalèko beendete Horst Saller die ungewöhnliche Matinee im Hendl-Schloss. Es folgte „der Freilauf“ im äußeren Schlosshof mit gebratenen Kastanien von Obmann Markus Pircher, mit „Sußer“ und Most.