Auch für Journalisten gibt es Grenzen

Publiziert in 15 / 2010 - Erschienen am 21. April 2010
Wahrheitsgetreue und kritische Berichterstattung in Ehren, aber auch für Schreiber, Fernseh- und ­Radioleute gibt es bestimmte Grenzen. Bei der Eisenbahn-Tragödie im Vinschgau war leider allzu oft das Gegenteil der Fall. Bereits am Unglückstag wurden Angehörige von Opfern telefonisch bombardiert. Auch spät am Abend noch wurden sie von Journalisten aus Mailand, Rom und anderen Städten ange­rufen. Ebenfalls am selben Tag - und an den folgenden natürlich auch - lauerten ­Kamerateams vor der Leichenkapelle in Schlanders, um sich ja keine Träne von trauernden Angehörigen, Freunden oder Bekannten der Opfer entgehen zu lassen. Sogar vor den Haustüren der betroffenen Familien wurde geklingelt. Um sich die „Meute“ vom Hals zu halten, mussten zum Teil die Ordnungs­hüter gerufen werden. Vor allem bei Tragödien wie dieser sollte ein gewisses Maß an Zurückhaltung und Respekt vor dem Leid anderer Menschen gewahrt bleiben. Dies gebietet nicht nur die Berufsethik der schreibenden, filmenden und berichtenden Zunft, sondern schon allein der Anstand. Ungewöhnlich groß und zum Teil wohl überzogen war auch der mediale Aufmarsch bei den Sterbegottesdiensten. Zu Denken gab mir die Äußerung einer Frau, die als Notfallseelsorgerin tätig ist: „Beistand und Trost für Angehörige und Freunde der Opfer sind notwendig und wertvoll. Allerdings sollte man die Angehörigen nicht mit psychologischen Betreuungsangeboten ‚überschütten’, sondern sie in ihrem persönlichen und familiären Umfeld in Ruhe trauern lassen.“ Außerdem soll man in solchen Fällen auch einmal schreien oder das Handy an die Wand knallen dürfen. Was die Frage der Verantwortung betrifft, so ist zu hoffen, dass sie möglichst rasch geklärt wird und dass jahrelange Mammutprozesse ausbleiben. Sepp Laner (redaktion@dervinschger.it)
Josef Laner

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