Die Chronik von Schulleiter Heinrich Waschgler
Publiziert in 26 / 2006 - Erschienen am 8. November 2006
1931
Februar, 1931. Starker Schneefall, der schon um Mitternacht angefangen hat. Um 12 Uhr mittags war bereits 1 m Neuschnee. 1 Grad Kälte. Vormittags wollten einige Besitzer in Außerwinkel ob den Häusern (Gaselgesäcker) den Schnee antreten, um die Lawinengefahr zu mindern. Beim Aufstieg ober dem Kreuzl rutschte der Schnee los und nahm 10 Männer bis auf den Weg herunter mit, die aber doch ohne weiteren Schaden wieder aus den Schneemassen herauskamen.
Einige Parteien im Außerdorf haben ihre Wohnungen wegen der Lawinengefahr verlassen.
Von einigen Häusern und Scheunen wird der Schnee abgeschöpft, weil man besorgt ist, dass der gewaltige Schnee den Dachstuhl zusammendrücken könnte. Die Schulkinder wurden schon um 8 1/4 Uhr von der Schule wieder heimgeschickt.
Zwischen der Nagelschmiede und dem Spritzenhaus ist der Schnee abgerutscht und hat den Weg überschüttet, so dass diese Strecke kaum passierbar war. Der Eingang zum Spritzenhaus wurde verlegt. Um 5 Uhr abends waren 133 cm Neuschnee, mit dem alten Schnee misst man 163 cm. Es schneit weiter und zwar recht ausgiebig mit großen Flocken. In Patzleida unter der Straße ist der Schnee in den Bach hinuntergerutscht. Beim Elektrizitätswerk ist auch der Schnee abgerutscht und hat die Eingangstür verlegt.
Die heutige Kreuzwegandacht unterblieb wegen Ungangbarkeit der Wege. Die Feuerwehr hatte Bereitschaft und gingen je zwei Mann eine Stunde in der Nacht durch das Dorf.
Auf das Haus Beidewasser Nr. 4 kam eine Lawine herab und drang in das Haus ein. Die Frau des Johann Pinggera, geb. Ortler musste aus dem Schnee ausgeschaufelt werden, litt aber keinen größeren Schaden. Bei der Sperre Gomagoi kam eine Lawine herunter und verlegte den Eingang.
In der Nacht vom 20. auf den 21. verließen viele Leute ihre Häuser, weil sie sich wegen Lawinengefahr fürchteten. Viele Leute haben heute noch die Dächer abgeschöpft, auch die Wege im Dorf wurden heute notdürftig gangbar gemacht.
Die Platzhöfer brauchten den ganzen Tag, um einen notdürftigen Weg ins Dorf herunter zu machen, es waren 10 Mann beschäftigt. Gestern und heute kam keine Post nach Stilfs.
Nachmittags kamen 6 Pferde von Prad herein bis hinter die ärarische Brücke; sie kamen nicht weiter, weil durch Gafair hinein viel Schnee auf die Straße heruntergerutscht ist.
Diese Pferde sollten wohl den Schneepflug von Gomagoi nach Prad hinausziehen und so die Straße wieder fahrbar zu machen. Abends noch kam Dr. med. Schgör von Prad nach Stilfs zur einer Entbindung (Andreas Grutsch).
Beschädigung des Speisesaales eines Magazines und des Elektrizitätswerkes des Suldenhotels durch Lawinen.
Circa 100 Stilfser arbeiten an der Freimachung der Straße nach Gomagoi, wurden aber nicht fertig. Heute kam wieder die Post.
Wie man nachträglich hört, hat eine Lawine den kleinen Bergstadel des Alois Thöni in Trafoi zerstört. Die Lawine kam beim grünen Tal herunter, reichte bis zu den Trafoier Äckern hinauf, bog dort um und traf im Herunterkommen den Stadel. Beim Godlwandtal und beim blauen Graben kamen Lawinen herunter, so dass das Tal von der 2. zur 3. Brücke voll mit Schnee angefüllt wurde.
Pfeifer Beneditk vom Ratschölhof schaufelte eine Steig aus zu den Gandhöfen herunter; er geriet unter eine kleine Lawine, so dass nur noch eine Hand und ein Stück vom Schaufelstiel sichtbar waren. Bauern von Gand beobachtetn den Unfall, eilten zu Hilfe und konnten den beinahe Erstickten noch lebend aus den Schneemassen herausholen.
Das Vieh auf dem Gafaunhof blieb einen ganzen Tag ohne Wartung, weil die Schneemassen und Lawinengefahr den Zugang unmöglich machten. Der Besitzer Johann Josef Pinggera wagte sich endlich doch den gefahrvollen Weg und versorgte das Vieh. Auf dem Heimwege wurde er von der Unterturnerlahn erfasst, konnnte sich aber noch retten. Beim Völlensteinhof in Sulden kam eine Lawine herunter und vertrug das Wegkreuz.
Frühjahrsvollversammlung der Raiffeisenkasse Stilfs Rechungsgenehmigung für 1930. 150 Mitglieder, 758 Einleger
Zinsfuß für Spareinlagen 4,25 %, 1. Jahresrechnung: 880.770,47 Lire.
II. Bilanz: 797.130,96 L, Reingewinn 5937,02 Lire.
Der Obmann J.J. Moser und das Aufsichtsratsmitlgied Vinz. Tschenett werden wieder gewählt.
27./28.4. Beginn der Volkszählung in Stilfs (Höfe) Kanzlei Stilfs.
Pfingstsonntag. Zusammenstoß zwischen Mottorrad und Radfahrer bei Km 5. Das Fahrrad lenkte Platzer Heinrich, des Anton und fuhr auf dem gleichen Rad auch Josef Thöni. Alle 4 Fahrer kamen zu Falle, erlitten aber nur leichtere Verletzungen.
Fronleichnamsfest prachtvolles Wetter. Der Umgang unterblieb über Auftrag des Papstes. Predigt statt der Prozession. Die Bevölkerung ist darüber erstaunt.
Die in diesem Jahre zur Druchführung gelangenden Verbesserungen der Suldenstraße, welche zum Provinzialstraßennetz gehört betreffend eine Strecke von 600 m, in welcher die Fahrbahn von einer Breite von 2,80 m auf eine solche von 5,5 m gebracht wird. Außerdem werden Kurven verbreitert, beschädigte Mauern ausgebessert und vollständig wieder hergestellt.
Herzjesufest. Hier gab es weder Umgang noch Bergfeuer. Auf dem Berge bei Kortsch sah man 3 Bergfeuer.
Bergkolonie der Nationalmiliz in Trafoi. Diese Milizler in der Kasserne bei den drei Brunnen geben sich als eine undisziplinierte Horde.
22.6. Erste Begehung der Ortler Nordwand durch Ertl und F. Schmid am 22.6. in 17 stündiger härtester Eisarbeit. Die Durchsteigung der 1400 m hohen, im Durchschnitt 60 Grad geneigten Eismauer, muss zu den schwierigsten und gewagtesten Fahrten im Ostalpeneis gerechnet werden.
Eine schwere Prüfungsstrecke in der internationalen Alpenfahrt 1931. Auf dieser Strecke auf dem Stilfserjoch mussten die Wagen je nach Motorstärke 30 bis 34 km Durchschnitt fahren.
(ausgewählt und redigiert: gerd, Fotoarchiv: Pinggera Gerd Klaus)
Gerd Klaus Pinggera