Etschregulierung im oberen VinschgauEtschregulierung
Publiziert in 20 / 2004 - Erschienen am 21. Oktober 2004
Kaiserin Maria Theresia, welche mit „Allerhöchster Entschließung“ am 15. April 1747 den Betrag von 150.000 fl. zur Regulierung der Etsch ausgewiesen hatte, gab damit den Anstoß zu Verbauungen zwischen Glurns und Sacco bei Rovereto, die nach mehrmaligen Rückschlägen erst um 1890 beendet werden konnten.
Bevor sich damals die Regierung in Wien mit der Etsch beschäftigte, waren die Dorfgemeinschaften oft auf sich alleine gestellt und mussten aus eigener Tasche Verbauungen an der Etsch und an den Wildbächen bezahlen. Die Eingriffe waren aber in Art und Ausdehnung sehr bescheiden und wurden bald wieder durch Hochwasser und Muren zerstört.
Diese Bemühungen galten bei den Wildbächen dem Schutz der Dörfer, bei der Etsch galten sie dem Schutz der Äcker und Wiesen.
In diesem Sinne muss auch ein Büchlein vom „Kammeralisten, königlichen Landgeometer und Strassenbau – Ingenieur“ Franz Patscheider (1807) verstanden werden, welches bereits im etwas langen Titel das Problem der Fließgewässer beschreibt: „Vorschlag über die Austrocknung und Beurbarung des zwischen Glurns und Laaß in Ober Vinschgau liegenden Morastes, die Bezähmung der dort verheerenden Wildbäche und der Etsch, der daraus erfließenden Sicherung der in Gefahr stehenden Wohnplätze, und der Gewinnung des fruchtbringenden Grundes zur Vergrößerung des National Reichthumes“. Im ersten Teil geht Franz Patscheider auf verschiedene Wildbäche wie den Sulden, Ram- und Saldurbach ein und beschreibt vor allem deren Geschiebetransport und die dadurch verursachten Gefahren und Schäden im Bereich der Ortschaften.
Im zweiten Teil widmet sich der Autor der Etsch und betont, dass eine Verbauung derselben den Talboden zwischen Glurns und Laas nachhaltig entwässern würde. Von Glurns bis Laas fände „man nichts anders als schlechten Wald, und Aue, Morast, und die ungeheursten Sandfelder“. Weiters steht, dass kein einziger Teil dieses Feldes „für die Landwirtschaft gehörig genutzt“ würde. Der Autor stellt deshalb die Frage: „Und sollte man der Natur durch die Kunst (Kunst des Wasserbaus, Anm. des Autors) nicht zu Hilfe kommen können? Sollte man nicht mehreres, nicht etwas nützlicheres aus dieser ganzen Gegend zu ziehen vermögen?“
Der Talboden zwischen Glurns und Spondinig war damals deshalb stark vernässt, weil sich der Schwemmkegel des Suldentales quer über das Tal ausbreitete, die Etsch nach Norden bis an den Hangfuß des Sonnenberges abdrängte und als eine Art Damm für das dahinter liegende Gebiet wirkte. Ähnliche Funktion hatte auch der Murkegel des Gadriabaches, der die Etsch an den Hangfuß des Nörderberges drückte, wobei es im dahinter liegenden Gebiet zwischen Laas und Spondinig zu Verlandungen und Vernässungen kam. Wie es aus der Franziszäischen Landesaufnahme um 1820 gut ersichtlich ist, hatte die Etsch in diesen flachen Abschnitten einen mäandrierenden Verlauf; Sumpfwälder und Sumpfwiesen nahmen einen Großteil des Talbodens ein.
Zu jenem Zeitpunkt bestand bereits die Verbindungsstraße Spondinig – Prad, was an der geraden Linie, die quer über das Tal verläuft, erkennbar ist. Sie war Teil der Straße auf das Stilfserjoch, welche im Jahre 1825 fertig gestellt wurde.
Aus der um 1850 veröffentlichten Kulturenskelettkarte ist deutlich ersichtlich, dass die von Franz Patscheider vorgeschlagene Etschregulierung bereits abgeschlossen, weite Teile des Sumpfwaldes gerodet und Entwässerungsgräben geschnitten wurden. Das so der Naturlandschaft abgerungene Land wurde auf dem Reißbrett in Parzellen unterteilt und endlich von der Landwirtschaft „gehörig genutzt“.
Die Verbauung der Etsch in der Zeit von 1820 bis 1850 hatte im Wesentlichen das Ziel, die unproduktive Sumpflandschaft zu kultivieren und für die Volkswirtschaft nutzbar zu machen. Dass damit natürliche Rückhalteräume und aus heutiger Sicht ökologisch wertvolle Biotope zerstört wurden, stand aus damaliger Sicht nicht zur Debatte.
Hanspeter Staffler
Literatur: Patscheider, Franz (1807): Vorschlag über die Austrocknung und Beurbarung des zwischen Glurns und Laaß in Ober Vinschgau liegenden Morastes, … Innsbruck.
Weber von Ebenhof, Alfred (1892): Der Gebirgs-Wasserbau im Alpinen Etschbecken. Spielhagen & Schurich Verlagsbuchhandlung. Wien.
Prad am Stilfserjoch (1997): Beiträge zur Orts- und Heimatkunde von Prad, Agums und Lichtenberg im Vinschgau/Südtirol. Hrsg. Marktgemeinde Prad. Tappeiner Verlag.