Wo die Natur spricht
Der Prader Naturfotograf Philipp Egger fängt mit Geduld, Mut und Hingabe Bilder ein, die weltweit unter die Haut gehen.
Prad - Es zeigt einen toten Steinbock, verendet auf 2.500 Metern Höhe im Stilfser-Joch-Gebiet. Doch was zunächst nur wie ein Kadaver wirkt, wurde zu einem Bild, das nun weltweit für Aufsehen sorgt: Philipp Egger, 25 Jahre alt, Naturfotograf und Filmemacher aus Prad am Stilfserjoch, hat mit diesem Motiv die prestigeträchtige „Asferico International Nature Photography Competition 2025“ gewonnen. Ein Wettbewerb, zu dem jährlich über 20.000 Einsendungen aus aller Welt eingehen. „Der Kadaver erzählt von Gamsblindheit, Hunger und Überleben. Von Würde im Vergehen. Vom unaufhaltsamen Kreislauf der Natur“, beschreibt Egger die Aufnahme. Über 4.000 Stunden lang, über sechs Monate hinweg, arbeitete er daran, den perfekten Moment einzufangen. „Nicht inszeniert. Nicht eingegriffen. Nur beobachtet.“ Der junge Fotograf spricht von einem „stillen Zeugnis der Wildnis“, das Ergebnis von viel Geduld, technischer Präzision und tiefer Verbundenheit mit dem, was er fotografiert. Es ist sein Lieblingsbild aus einem Langzeitprojekt, entstanden ohne Auftrag, aus reiner Leidenschaft. „Wo Fels und Himmel ineinanderfließen, lag ein stummer Zeuge, ein Steinbock, gescheitert an der Härte des Hochgebirges. Gamsblindheit raubte ihm das Licht, der Hunger den letzten Rest an Kraft. Zurück blieb ein Körper, ein Echo von Leben, von Würde, von Vergänglichkeit. Die ersten Bilder wirkten leer, wie Schatten einer Idee. Doch in mir formte sich eine Vision, ein Bild, das die rohe Schönheit der Wildnis spürbar macht“, so Egger. Immer wieder kehrte er zum Ort des Geschehens zurück, schier endlos legte er sich im Geröll, im Schnee, auf die Lauer. Eine Lichtschranke zeichnete jede Bewegung auf: „Ein Adler, ein Fuchs, die kleinsten Aasfresser, alle wurden zu Akteuren in einem uralten, stillen Drama. Dem Tanz von Leben und Vergehen.“
Die Natur ist sein Zuhause
Philipp Egger ist kein typischer Fotograf. Schon als Kind begleitete er seinen Vater zur Jagd. Er stammt aus einer Jägerfamilie, die ihm früh den respektvollen Umgang mit der Natur lehrte. Mit zehn Jahren machte er seine ersten Aufnahmen, und zwar beim Fischen. „Meine Freunde konnten nie genau das einfangen, was ich fühlte, also habe ich die Kamera selbst in die Hand genommen“, erinnert er sich. Heute, nur 15 Jahre später, ist er hauptberuflich Fotograf und Filmemacher, unter anderem auch für den ORF. Die Zeit, die er in seine Projekte steckt, sei unbezahlbar, sagt er. Denn seine Bilder entstehen aus purer Eigeninitiative und einer tiefen Faszination für das Wilde, Unberührte, Echte.
Vulkankunst in New York
Mit seinem neuen Werk, einer eindrucksvollen Aufnahme des Ätna-Ausbruchs, wurde Philipp Egger unter Tausenden von Einsendungen als Finalist beim renommierten internationalen Wettbewerb BigPicture ausgewählt. Die Aufnahme wird im Rahmen einer hochkarätigen Ausstellung zunächst in San Francisco und anschließend auch in New York gezeigt. Allein die Auswahl in die engere Finalrunde gilt in der Welt der Naturfotografie als bedeutende Anerkennung. Das Bild zeigt den Ätna, um genau zu sein den Ausbruch im Februar 2025. Egger war dabei. Auf über 3.000 Metern stieg er durch giftige Rauchschwaden, kletterte durch die Lavafelder, überquerte glühende Spalten von eineinhalb Metern Breite und fotografierte mitten im Geschehen, u. a. mit einer Drohne. Entstanden ist ein surreal anmutendes Bild, das den Titel „Tanz der Elemente“ trägt: „Durch den Westwind wurde eine Seite der Landschaft schwarz, die andere blieb weiß. Es wirkt wie von der Natur selbst gemalt“, beschreibt Egger. Es sei ein Bild der Gegensätze, geteilt in Licht und Schatten, wie Yin und Yang. „Der vom Sonnenuntergang in warmes Gold getauchte Hochnebel verwandelte die apokalyptische Szenerie in ein stilles Epos“, so der Foto-Künstler. Es war eine der gefährlichsten Expeditionen seines bisherigen Lebens und gleichzeitig eine der eindrucksvollsten: „Man geht an seine Grenzen, körperlich und emotional. Vor der Lava spürt man einen extremen inneren Trieb. Einen Dopaminrausch. Es ist etwas Uriges, Archaisches.“