Im ehemaligen Gemeinschaftsraum prosteten sich die Feinde von gestern gegenseitig zu.

Alpenwall wird Alpenattraktion

Publiziert in 26 / 2011 - Erschienen am 6. Juli 2011
Reschen – „Hier Pluto von Remo. Pinot Grigio del Friuli geöffnet. Den ehemaligen Feinden zugeprostet. Schlüssel zur Kaverne Nummer 20 übergeben“. Die Meldung hätte Mauro Licci - Tarnname „Plutone“ - Oberst der Brigata Alpina Tridentina, ­Battaglione Val Brenta, 73 Jahre nach Beginn der Bauarbeiten und 19 Jahre nach Schließung des Alpenwalls an seinen Vorgesetzten in Sterzing schicken können. Hätte, denn er hat sie natürlich nie abgegeben, aber die Wiedereröffnung des Bunkers Nummer 20 im Abschnitt „Remo“ - Codename der Grenzbefestigungen am Reschenpass - ist tatsächlich mit Pinot Grigio unter ehemaligen Feinden gefeiert worden. Zu später Abendstunde, am Donnerstag, 30. Juni 2011, hatten zukünftige Festungsführer, Vertreter der Gemeinde Graun, der Genossenschaft für Weiterbildung, der Carabinieri, der Erlebnisschule Langtaufers, der Ferienregion Reschenpass, der Forststation Graun, der Freiwilligen Feuerwehr Reschen, die Vertreter der Handwerksbetriebe, die Präsidenten der Fördervereine „Altfinstermünz“ auf Tiroler und „Oculus“ (Auge) auf Südtiroler Seite, Hermann Klapeer und Florian Eller, allen Grund zu applaudieren. Oberst Licci, bis 1992 verantwortlicher Befehlshaber der Bunkeranlagen am Reschen, hatte wirklich den originalen Vierkanthebel übergeben. Er hatte wirklich 19 Jahre nach Auflassen der Bunker dem Kulturreferenten der Gemeinde Graun, Franz Prieth, symbolisch die Verfügungsgewalt über einen der eindrucksvollsten Abschnitte des Alpenwalls überlassen. Franz Prieth seinerseits betrat die ehemals waffenstarrende Kaverne aus dem Jahr 1938, setzte die Warnanlage und anschließend probeweise die Alarmsirene in Gang und gab damit das Zeichen für den Abschluss eines gelungenen Interreg IV-Projektes im Dreiländereck. Hermann Klapeer Altbürgermeister aus Nauders und mit seinem Grauner Kollegen Albrecht Plangger der Vordenker des Grenzen überschreitenden EU-Projektes „Historische Grenzbefestigungen im Dreiländereck“, hatte die Bedeutung der ersten Begehung richtig eingeordnet: „Es ist eine historische Stunde.“ Florian Eller, der Vorsitzende des Vereins „Oculus“ - in Anspielung an die Schießscharten, die auf die Grenze schauen“ entstanden - hob die gelungene Zusammenarbeit der drei angrenzenden Regionen hervor und dankte Franz Prieth für die schnelle Umsetzung des Projektes. Feuerwehrkommandant Hubert Schöpf erhielt als erster die schriftlichen Unterlagen für die Bunkerführung mit Notfallplan. Die Mappe enthielt unter anderem die Namen der neun Festungs-Führer, darunter des Altbürgermeister „Abi“ Plangger und seines Nachfolgers Heinrich Noggler, die beide das Interreg-Projekt und die Zusammenarbeit mit dem Förderverein Alt-Finstermünz zur Chefsache erklärt hatten. Sogar ein ehemaliger Finanzpolizist und ein Angehöriger des Heeres hatten die Ausbildung mitgemacht. Für sie hatte die Genossenschaft für Weiterbildung ein Programm zur allgemeinen Kriegsgeschichte, zur Baugeschichte der Burganlage Finstermünz, zum Verteidigungskonzept der Bunker in ­Reschen und auf Plamort, aber auch Grundlegendes zu den Beziehungen zwischen Tirol und Graubünden und zu Fauna und Flora im Einzugsgebiet gezimmert. Bei der kurzen Führung im mustergültig restaurierten Bunker boten sieben Texttafeln prägnante Informationen in zwei Sprachen. Der Film mit Bunkerspezialist Karl Punter ergänzte und zeigte einen virtuellen Rundgang. Der Schießstand für schwere Maschinengewehre und mit originalem, handbetriebenem Rauchabzug erinnerte an die tödlichen Absichten. Glanzlicht war aber eine Idee von Albrecht Plangger. Er hatte em­pfohlen die echte, aber schwer zugängliche Etschquelle über ein Plexiglas-Rohr sichtbar abzuleiten. Der zweitgrößte Fluss Italien, mit einer Hand umfassbar, entspringt in einem Bunker am Reschenpass. Letzte Woche durften die Mitarbeiter der Forstverwaltung bereits die Etsch in den Händen halten. Diese Woche folgen Innsbrucker Schüler, die über die Erlebnisschule Langtaufers die Relikte aus schweren Zeiten besuchen dürfen. Von Juli bis September werden jeden Freitag, um 15.00 Uhr, für ca. 90 Minuten Führungen in deutscher und italienischer Sprache angeboten. Anmeldungen und Informationen über das Tourismusbüro der Ferienregion Reschenpass unter der Nummer 0473 633101 oder unter info@reschenpass.it. Den Einheimischen soll im Herbst die begehbare Kaverne mit einem „Tag des offenen Bunkers“ vorgestellt werden. Er wird ins Aktionsprogramm des Bildungsausschuss aufgenommen.
Günther Schöpf

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