„Ich sehe für die Alpen nicht schwarz“
Publiziert in 38 / 2007 - Erschienen am 31. Oktober 2007
München – Gletscherschwund, Felsstürze, Verkehrsüberlastung, Untergang der bäuerlichen Kultur. Schon seit Jahren werden die Alpen mit solchen und ähnlichen Negativ-Schlagzeilen schwarz angemalt. „Vieles ist sicher wahr. Trotzdem sehe ich für die Alpen nicht schwarz. Im Gegenteil, ich glaube an die Zukunft der Alpen. Nur Reden und Protestieren bringt aber wenig. Was es ist braucht, sind konkrete Vorschläge und Menschen, die sie umsetzen.“ Dies sagte der Extrembergsteiger, Museumsgestalter und Bergbauer Reinhold Messner kürzlich in München, als er am Sitz des BLV Buchverlages sein neuestes Buch „Meine Alpen“ vorstellte. Erschienen ist der Band im Tappeiner Verlag. In Südtirol trägt er den Titel „Die Zukunft der Alpen“.
„Obwohl wir in den Alpen die Erderwärmung und weitere Umweltfolgen schneller spüren, können wir etwas tun, um die Alpen nachhaltig als vielleicht wichtigsten Erholungsraum Europas zu positionieren“, sagte Messner. An ein Disney- oder „Heidiland“ denke er dabei aber keineswegs. In seinem Buch werde nicht nur versucht, die derzeitige Situation ohne Beschönigungen in Text und Bild darzustellen, „sondern ich zeige auch konkrete Vorschläge dafür auf, was zu tun ist, um die Natur und Kultur der Alpen retten zu können.“ In den Mittelpunkt seiner Visionen rückt Messner die Bergbauern. Sie seien es, die dem Lebensraum Alpen seit jeher ihren Stempel aufgedrückt haben. Auch in Zukunft sollen die Bergbauern ihre Produkte nachhaltig erwirtschaften und selbständig vermarkten können, auch an Touristen. Sanfter Tourismus lasse sich durchaus mit geschlossenen Kreisläufen der Landwirtschaft verzahnen. Dies ist eine der Kernbotschaften im neuen Buch. Von fundamentalistischen Umweltschützern hält Messner nichts: „Solche Umweltschützer sollen nicht nur reden, sondern konkret etwas tun. Viele professionelle Umweltschützer sind in Wahrheit nicht bereit, selbst Verantwortung zu übernehmen und zu tragen.“
Laut Messner muss es gelingen, die rund 16 Millionen Bewohner der Alpen von bürokratischen Hindernissen zu befreien, damit sie die Alpen möglichst in Eigenregie als Erholungs- und Wirtschaftsraum gestalten und erhalten können.
Messner ist überzeugt, „dass wir die Gletscher in den Alpen weder mit Zudecken mit Plastik, noch mit Beten retten können. Vielleicht besinnen wir uns in dieser Krise auf Werte, die den Bergen seit jeher innewohnen: Stille, Einsamkeit, Größe. Es gilt die Langsamkeit und das Steigen auf zwei Beinen wieder zu entdecken.“ Als Wasserschloss Europas werden die Alpen immer größere Bedeutung bekommen. KIimaschutz ist für Messner auch Alpenpolitik, Naturpolitik, Weltpolitik. Von Subventionen in der Landwirtschaft hält er nicht viel: „Für Rahmenbedingungen wie zu Maria Theresias Zeiten verzichte ich auf alle Subventionen für die Berglandwirtschaft.“ Bezüglich der touristischen Entwicklung ist Messner der Ansicht, dass man sich im Alpenbogen stärker auf die Sommersaison konzentrieren sollte.
Neben Messner kommen im Buch auch andere Persönlichkeiten zu Wort, so etwa der Bergbauer und Berater Sepp Holzer, der Bergführer Hanspeter Eisendle, Wissenschaftler, Denker und Professoren wie Konrad Bergmeister. Von Bergmeister etwa stammt das Zitat: „Wenn am Brenner nach der Eröffnung des Brenner Basistunnels im Jahre 2022 der Schwerverkehr von der Autobahn auf die Schiene verlagert wird, sollte auch der Vinschgau verkehrsberuhigt werden und die Lebensqualität vor Ort steigen.“
Der BLV-Geschäftsführer Hartwig Schneider würdigte Messners Buch als „sehr fundiertes, hervorragend recherchiertes Alpenbuch zum Nachlesen und Nachdenken.“ Der knapp 270 Seiten umfassende Bildband, der mit spektakulären Fotos, darunter vielen Luftbildern, ausgestattet ist, sei ein überzeugendes Plädoyer dafür, die Kunst des Lebens und Überlebens in den Bergen als wertvolles Erbe zu erhalten und als großes Kapital zu nutzen.
Josef Laner