„Zehn Jahre lang versuchte ich, einen Verleger zu finden.“

„Meine Kindheit wünsche ich keinem Hund“

Publiziert in 12 / 2009 - Erschienen am 1. April 2009
Schluderns – Ganz einfach war es nicht, für „Die Schwaben­kinder – Die Geschichte des Kasparnaze“ einen Verleger zu finden. Zehn Jahre vergingen zwischen Beendigung des Romans und seiner Veröffentlichung, erzählte ­Autor Elmar Bereuter, als er am 20. März im Vintschger Museum seinen ­Roman vorstellte. Der Roman stützt sich zu achtzig Prozent auf Fakten: Bereuters Vater und dessen Freund arbeiteten als Schwabenkinder. Der in Lingenau geborene Autor recherchierte, fragte weitere Zeitzeugen und spann die Geschichte des Kasparnaze. Zwar wurden nicht alle Schwabenkinder, die aus Vorarlberg, der Schweiz, Nord- und Südtirol kamen, schlecht behandelt, erzählt Bereuter. Aber wer kein Glück hatte, dem ging es richtig schlecht: Bereuter traf ein ehemaliges Schwabenkind, das sich der Wahrheit verpflichtet fühlte: „Eine Kindheit wie meine wünsche ich keinem Hund.“ Angeboten wurden die Sieben- bis 14-Jährigen auf den Kindermärkten in Ravensburg und Friedrichshafen, in Kempten oder Überlingen, nachdem sie oft mit schlechtestem Schuhwerk und dürftiger Kleidung nach der mühsamen Wan­­derung über verschneite Bergpässe ankamen. Während des Sommers arbeiteten sie unter oft grausamen Bedingungen für „ein Kleitle und ein bizle Gelt.“ Manche schufteten bis zum Umfallen, von morgens um vier bis Mitternacht. Eigentlich sollten sie sich satt essen, was in der kargen Heimat, kinderreich, wie sie war, deren Zersplitterung der Höfe zu weiterer Armut beitrug, nicht immer der Fall war. Aber bei so manchem reichen Bauern konnte dies ebenso der Fall sein, auch wenn das karge Mahl nicht wegen Armut, sondern aufgrund grausamen Geizes aufgetischt wurde. Schon 1625 wird in Überlingen und Ravensburg von den Kindern berichtet, aus dem Jahr 1661 tauchten Prozessakten auf: Als ein Bauer einem Jungen den Bauch aufschlitzte, prozessierte der Vater des Kindes: Er hatte einen Sohn verloren, aber auch eine Arbeitskraft und den versprochenen Lohn, berichtet Bereuter. Die Kirche half tatkräftig mit, dass der Usus überlebte: Oft gingen Geistliche den Weg über die Pässe mit den Kindern und sorgten für deren „Abnehmer“ auf dem Marktplatz. Dieses düstere Kapitel will das Vintschger Museum weiter beleuchten. Wie Kristian Klotz vom Vintschger Museum erklärte, „sieht das Museum vor, ein alternatives Projekt über die Schwabenkinder ins Leben zu rufen.“ Man denke an ein regionales Projekt gemeinsam mit der Schweiz und dem ­Inntal, eine Wanderstrecke. An jene Wegstrecke der Kinder, die erst 1921 nicht mehr jeden Sommer von Tausenden von Kindern bewältigt wurde. Inoffiziell hörte der Kindermarkt erst viel später auf: Er sollte bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts dauern.
Katharina Hohenstein

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