Nicht alles glänzt unter dem König Ortler
Publiziert in 7 / 2006 - Erschienen am 5. April 2006
Hermann Ortler, Vizepräsident der Ferienregion Ortlergebiet, war gerne bereit, über die aktuelle Situation im Tourismus Auskunft zu geben.
„Der Vinschger“: Wie ist die derzeitige Situation der Hoteliers und Gastwirte im Ortlergebiet?
Hermann Ortler: Die aktuelle Situation der Hoteliers und Gastwirte im Ortlergebiet ist derzeit sicher schwierig. Zurückzuführen ist dies auf die schlechte wirtschaftliche Situation unserer Nachbarländer und in Italien selbst, wo die Mehrzahl unserer Gäste herkommt, allen voran aus Deutschland. Weiters muss man sagen, dass sich in den letzten Jahren das Verhalten der Gäste merklich geändert hat, ihre Erwartungen sind sehr hoch und nur schwer zu befriedigen. Zudem machen uns die Allinklusive-Angebote in den südlicheren Ferienorten zu schaffen. Erst kürzlich bezeichnete einer meiner Gäste den Flugverkehr als „Transportmittel der Armen“ und das nicht ohne Grund, da man mit Billigflügen in europäische Hauptstädte reisen kann. Ein wichtiger Aspekt ist sicher auch, dass wir hauptsächlich als Wintersportgebiet fungieren und die Fixkosten daher natürlich relativ hoch ausfallen.
„Der Vinschger“: Sie haben die Allinklusive-Reisen angesprochen, wäre das in Südtirol nicht auch machbar, es gibt diesbezüglich schön seit längerer Zeit Diskussionen, den Bozner Flughafen besser zu nutzen?
Hermann Ortler: Würde der Bozner Flughafen besser genutzt, wäre dies logischerweise positiv, doch die Möglichkeiten wie zum Beispiel in Innsbruck, wo die Flüge aus aller Herrenländer eintreffen, bestehen leider noch nicht. Der Bozner Flughafen wird wie erwähnt noch zu wenig genutzt. Es wird auch in den nächsten Jahren aus diesem Grund keinen so genannten Flugtourismus wie anderenorts geben, da wir noch nicht die Infrastrukturen dazu haben. Zudem wäre die Anfahrt vom Bozner Flughafen bis hin zum Ortlergebiet sehr weit.
„Der Vinschger“: Welche Vor- und Nachteile im Gegensatz zu anderen Ferienorten gibt es speziell in Sulden?
Hermann Ortler: Die Vorteile, speziell im Winter, sind sicher die Höhenlage, die Abgeschiedenheit, die Schneesicherheit und das wunderschöne Panorama rund um den Ortler. Die Nachteile sind die weiten Anfahrtswege, die lang gezogene Ortschaft und die drei nicht zusammenhängenden Skigebiete.
„Der Vinschger“: Wieso steckt der Sommertourismus in Sulden bereits seit längerer Zeit in der Krise? Wie will man dieser nicht zufrieden stellenden Situation entgegenwirken?
Hermann Ortler: Durch die extreme Höhenlage wird der Sommertourismus in Sulden sicherlich nicht begünstigt. Außer der Alpinschule Ortler wird im Sommer kein ordentliches Programm für den Gast angeboten. Es ist deshalb dringend notwendig, mehr mit dem Nationalpark zusammenzuarbeiten. Wir befinden uns doch im Herzen des Nationalparks und müssen das unseren Gästen auch zeigen. Wir müssen dahingehend mehr Führungen durch unsere schöne Natur, das heißt durch den Nationalpark anbieten. Es gibt zudem noch Bestrebungen, Sulden in Zukunft als allergiefreie Zone zu vermarkten. Diesbezüglich wurden mit Walter Huber, dem Ressortchef für Umwelt, Gespräche geführt. Sulden wurde bereits als absolutes Reinluftgebiet deklariert und zertifiziert. In Sulden wird ab dem Frühjahr 2006 der Pollenflug untersucht, dabei stellt uns das Landesamt für Umwelt für zwei Jahre eine Pollenfalle zur Verfügung. Aufgrund des Klimas und der Höhenlage ist der Pollenflug in Sulden deutlich verkürzt und gegenüber tieferen Lagen zeitlich verschoben.
„Der Vinschger“: Wie ist die finanzielle Situation in der Ferienregion Ortlergebiet?
Hermann Ortler: Gelinde gesagt katastrophal! Je schlechter die Situation der Gastwirte, desto weniger Mitgliedsbeiträge werden einbezahlt und desto weniger Geld fließt in die Kassen des Tourismusvereins. Es müssen deshalb sicher interne Anstrengungen unternommen werden, um die finanzielle Misere in den Griff zu bekommen. Hier denke ich vor allem an einen Personalabbau im Tourismusverein, da wir in unseren Büros mit derzeit sechs Mitarbeitern sicher überbesetzt sind und hier einiges an Kapital einsparen können.
„Der Vinschger“: Kann ein Tourismusverein heutzutage noch seinen Zweck erfüllen?
Hermann Ortler: Ich sehe die Zukunft der Tourismusvereine im Infopoint. Tourismusvereine als solche sind sehr schwerfällig und es fehlt eindeutig an Kapital, um entscheidende Schritte zu setzen. Meines Erachtens wären private Organisationen in den jeweiligen Ortschaften sicher sinnvoller, da man mit solchen gezielter und unbürokratischer auf aktuelle Situationen reagieren könnte als es derzeit der Fall ist. Der Tourismusverband Vinschgau sollte dabei noch mehr als Zentralstelle fungieren als derzeit.
„Der Vinschger“: Wie ist die Zusammenarbeit mit Walter Klaus?
Hermann Ortler: Herr Walter Klaus arbeitet hervorragend mit uns zusammen. Durch seine enorme Weitsichtigkeit haben wir ihm sehr viel zu verdanken. In Sulden, aber auch in Trafoi haben Herr Baumeister Arch. Walter Klaus und deren Leitung sehr viel bewirkt und man wird auch in Zukunft versuchen, ohne riesige Einflüsse auf die Natur zu nehmen, attraktive und wettbewerbsfähige Skigebiete zu gestalten. Ich möchte mich daher im Namen des gesamten Ortlergebietes noch einmal für seinen großen Einsatz bedanken.
Interview: Rudi Mazagg
Rudi Mazagg