Ötzi ging es gut, weil er gut ging
Publiziert in 25 / 2009 - Erschienen am 1. Juli 2009
Unser Frau in Schnals - Wer hätte gedacht, dass man 3.300 vor Christi Geburt mit besserem Schuhwerk über die Gletscher marschierte als im Zeitalter von Vibram-Sohlen und Goretex-Gewebe? Wer hätte gedacht, dass der Steinzeit-Mensch Ötzi die Befiederung seiner Pfeile aus Brennessel-Schnüren befestigt hat? Erst seit es im ArcheoParc die Ausstellung „Bast, Binsen, Brennnessel“ gibt und erst seit Anne Reichert aus Ettlingen-Bruchhausen (Baden-Württemberg) aus ihrer langjährigen Erfahrung als Experimentalarchäologin und Archäotechnikerin geplaudert hatte, wurden den Besuchern die verblüffenden Zusammenhänge bewusst. Für die Leiterin des archäologischen Museums in Schnals, Johanna Niederkofler, kam die ungewöhnliche Ausstellung gerade recht. „Sie passt in unser Konzept“, stellte sie in Anwesenheit von Bürgermeister Hubert Variola und Museumspräsident Alexander Rainer fest. „Unser Konzept war es immer schon, Kultur und Natur gemeinsam darzustellen.“ Zu den Harfen-Klängen Birgit Hacklingers, der bayerischen Bäuerin aus Ulten, und der Geigen-Melodie der Brixnerin aus dem Fleimstal, Julia Gasser, hatte sich ein interessiertes, zum Teil kompetentes Publikum eingefunden, das gebannt den Ausführungen Anne Reicherts lauschte und überrascht erfahren musste, dass unser Bast gar kein Bast ist, dass Ötzis Dolchscheide das älteste, erhaltene Zwirngeflecht ist, dass der Mann aus dem Eis mit warmen Füßen und festem Schuhwerk aus Lindenbast und Gras über die Schneefelder gewandert ist und dass die Brennnessel reißfestere Schnüre liefert als Hanf und Flachs. Noch lange stand man in der Bibliothek-Bar des Museums zusammen, genoss Weißwein, gedörrte Brennnessel-Blätter und Parmesan-Käse und fachsimpelte über eine bemerkenswerte Sonderausstellung im ArcheoParc. Die Ausstellung ist zu den üblichen Öffnungszeiten bis 2. November im ArcheoParc zugänglich.
Günther Schöpf