„Zappelphilippe“ sind nicht verloren
Publiziert in 3 / 2006 - Erschienen am 8. Februar 2006
Meran/Mals - Ehen brechen auseinander, Eltern verzweifeln, Kindergärtnerinnen und Schulleute sind genervt und überfordert. Kinder mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) wurden allenfalls als verhaltensauffällig und verzogen bezeichnet, aber dass sie eigentlich krank sind, weiß man erst seit wenigen Jahren. Weniger auffällig und weniger chaotisch im Unterricht sind jene Kinder, an denen „nur“ die Symptome des Aufmerksamkeits-Defizits-Syndroms (ADS) festzustellen sind. Sie sind ja nur verträumt, nur unkonzentriert, haben höchstens Schwierigkeiten mit sozialen Bindungen, aber sie bringen wenigstens die Klasse nicht durcheinander.
Bei den Krankheitsgruppen hat Heinrich Hoffmann vor 160 Jahren in seinem Buch „Struwwelpeter“ mit dem „Zappelphilipp“ und dem „Hans-guck-in-die-Luft“ auf unvergessene Weise ein Denkmal gesetzt. Beide Krankheitsgruppen verbindet die Tatsache, dass sie häufig unter hartnäckigen Kopfschmerzen leiden. Im Zuge vieler Studien auf der Suche nach Ursachen und Heilung der Migräne ist es nun Universitätsprofessor Joseph Egger, Primar der Pädiatrie am Krankenhaus Meran, gelungen, ein Reihe von Zusatzstoffen und Lebensmitteln festzustellen, die nicht nur Darmbeschwerden und Migräne verursachen, sondern auch für die unterschiedlichsten ADHS-Symptome verantwortlich sind. Ins Visier genommen und für schuldig befunden wurden synthetische Farb- und Konservierungsmittel in den beliebtesten Süßigkeiten, dazu Kuhmilch, Schokolade, Weizen, Zitrusfrüchte, Käse, Eier und Erdnüsse. Das Vermeiden dieser Nahrungsmittel nannte Primar Egger die „Oligoantigene-Diät“ (oligo = wenig); sie bot endlich eine Möglichkeit, beruhigende Arzneimittel wie „Ritalin“ mit zum Teil ungewissen Spätfolgen erst im äußersten Notfall einzusetzen. Im Vinschgau entstand die Selbsthilfegruppe „Eltern Migräne-, ADS- und ADHS-kranker Kinder“ mit Sitz in Schlanders. Monika Klammsteiner (Mals, Mobil Tel. 335 1050975) und Karin Pirhofer (Tarsch, 335 6192415) boten sich als Ansprechpartner an. Einmal im Monat, jeweils am ersten Montag, treffen sich Betroffene und Interessierte im Haus der Bezirksgemeinschaft, um Informationen weiter zu geben, Erfahrungen, Gedanken und Rezepte auszutauschen. Mit einem Informationsabend im Kongressraum des Krankenhauses Meran trat die Gruppe erstmals an die Südtiroler Öffentlichkeit. Als Referent konnte niemand weniger als Professor Egger selbst gewonnen werden. Im lebhaften Diskussionsteil gesellte sich auch Gesundheits-Landesrat Richard Theiner dazu.
Günther Schöpf