Demenz: Nur sechs Buchstaben, aber...
Publiziert in 21 / 2005 - Erschienen am 4. November 2005
Demenz... ein Wort mit nur sechs Buchstaben, aber dennoch mit einer so großen Aussagebedeutung für die Betroffenen, deren Angehörigen und jedem weiteren Umfeld. 22 Altenpflegerinnen und Altenpfleger aus allen Teilen Südtirol waren oft berührt und sprachlos und suchten nach gültigen Betreuungsformen, als sie sich zur Weiterbildung „Zusatzqualifikation zur Begleitung und Pflege von Menschen mit Demenz“ anmeldeten, angeboten von der Landesfachschule für Sozialberufe in Bozen. Die Seminarblöcke fanden in Nals statt, und zwar vom Mai 2004 bis zum Oktober 2005. Folgende Schwerpunkte aus verschiedenen Fachbereichen wurden in den Lehrgangsabschnitten vertieft:
Gesprächsführung, Konflikt und Teamarbeit, Kommunikationspsychologie, Supervision, Gerontologie (Altersforschung), Geriatrie (Altersheilkunde), Gerontopsychiatrie (Wissenschaft, die sich psychischen Erkrankungen bei älteren Menschen befasst), Validation (Prüfung eines Lösungsansatzes), reaktivierende Pflege und Übergangspflege, Pflegeprozess und Pflegeplanung, Pflegedokumentation, Handling (Körperführung) und Lagerung, Angehörigkeitsarbeit, Basale Stimulation (Konzept zur Förderung von Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation wahrnehmungseingeschränkter Menschen).
Der Lehrgang umfasste 300 Unterrichtstunden sowie eine Exkursion in das Landeskrankenhaus St. Veith in Österreich und zur Christian-Doppler-Klinik Salzburg.
Am vergangenen 7. Oktober überreichten Dr. Luis Elsler in Vertretung vor Dr. Luigi Loddi und Dr. Paul Zingerle die Zertifikat an die 22 Teilnehmer. Dr. Zingerle betonte in seiner Ansprache, dass Menschen mit Demenz sich in ihrer eigenen Welt befinden „und wir sie dort abholen müssen“. Außerdem ist es wichtig, für sich selbst auch etwas Gutes zu tun, „denn nur so können wir gute Begleiter sein“.
Das Land ist bemüht in größeren Einrichtungen spezielle Oasen bzw. Dementen-Stationen zu errichten. Das Ziel ist es jedoch, dass alle Pflegerinnen und Pfleger ausgebildet sind, damit auch in kleinen Heimen den Dementen eine gute, auf sie abgestimmte Pflege zukommt.
Auch drei Altenpflegerinnen und ein Altenpfleger aus dem Vinschgau haben diese Zusatzqualifikation besucht: Lukas Rungg (Altersheim Mals), Herta Höchenberger (Altersheim Schluderns) sowie Hilde Raffeiner und Monika Prohaska (Altersheim Laas). Sie danken ihren Arbeitskollegen und ihren Direktorinnen Roswitha Rinner und Sibille Tschenett, dass sie teilnehmen durften. Sie möchten nun jetzt gerne bei ihrer Arbeit das erworbene Wissen einsetzen und auch weitergeben.
Was ist Demenz, wie erkennt man sie und wie wird sie behandelt?
Die Demenz (oder das dementiale Syndrom, das psychoorganische Syndrom) ist keine natürliche Altersveränderung, sondern eine Erkrankung des Gehirns, dessen Funktion und Leistung gestört ist.
Dadurch gibt es Defizite im kognitiven (geistigen) Bereich wie Gedächtnis, Auffassung, Erinnern, Sprache, Orientierung und im inkognitiven Bereich (emotional) wie Gefühle, Angst, Stimmung, Antrieb, Wahn. Auch Veränderungen des Verhaltens treten auf (Aggressionen, Schreien, Herumwandern, Fluchen usw.). Zurückzuführen sind diese Hirnfunktionsstörungen auf Eiweißablagerungen (Plaques) an den Nervenzellen, welche dadurch zerstört werden und auch nicht mehr aufgebaut werden können. Betroffen sind auch die Botenstoffe, vor allem Acetylcholin, welches für die Funktion des Gedächtnisses besonders wichtig ist. Die häufigsten Ursachen einer Demenz sind: degenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer; gefäßbedingte Erkrankungen (MID-Mulitinfarkt-Demenz = mehrere kleine Infarkte); Durchblutungsstörungen; Tumore und hirndrucksteigende Blutungen; Verletzungen und Sturzfolgen (zum Beispiel nach Unfall bzw. Schädelhirntrauma); Gifte (Gewerbegifte, Schwermetalle wie Blei, Quecksilber, Alkohol); Hormonstörungen (zum Beispiel Schilddrüsenunterfunktion); Infektionskrankheiten (TBC-Tuberkulose, Lues-Syphilis.
Weiters gibt es verschieden Arten von Demenz: SDAT (senile Demenz vom Alzheimer Typ), MID (Multiinfarktdemenz); Symptomatische Demenz; Lewy-Body Demenz; Jacob Kreutzfeldsche Krankheit (durch eine Virusinfektion); Pseudodemenz.
Die senile Demenz (Alzheimer Typ, SDAT) ist die häufigste Form der Demenz. Die Entstehung dieser Krankheit ist bis heute ungeklärt. Der Krankheitsprozess beginnt meist langsam schleichend oder akut und kann sich oft über Jahre hinziehen. Meist sind es die Betroffenen selbst, die es als erste merken, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Doch nach außen hin geben sie diese Mängel nicht zu erkennen und spielen der Umwelt eine heile Scheinwelt vor. Vieles wird dem Alter zugeschrieben, deshalb ist eine Früherkennung schwierig.
Die wichtigsten Veränderungen beim Betroffenen sind: Probleme bei der Ausführung einfacher Alltagstätigkeiten; Gedächtnisstörungen, wobei am Anfang das Kurzzeitgedächtnis betroffen ist und später dann auch das Langzeitgedächtnis; Stimmungsschwankungen; Sprachstörungen (vor allem Schwierigkeiten bei der Wortfindung und Benennung, später dann auch Schwierigkeiten beim Verstehen des Gesprochenen); Antriebslosigkeit und Interesselosigkeit; Orientierungsstörungen (zuerst kommt die zeitliche Orientierungslosigkeit - Datum, Uhrzeit - , später fehlt die örtliche Orientierung und zum Schluss geht das Zeitgefühl verloren - kann Vergangenheit und Gegenwart nicht mehr unterscheiden - und auch die persönliche Orientierungsstörung und der eigene Persönlichkeitsverlust kommen dazu). Auch Wahnideen können auftreten.
Die geschilderten Veränderungen können erste Hinweise auf eine Alzheimer-Krankheit sein, können aber auch andere Ursachen haben. Deshalb ist es sehr wichtig, einen Arzt auszusuchen. Alzheimer-Demenz tritt immer öfter auf, weil die Menschen immer älter werden. Der Verlauf dieser Krankheit ist so individuell verschieden, wie die Menschen selber.
Alzheimer-Demenz ist nicht heilbar, aber mit Medikamenten behandelbar und diese tragen dazu bei, dass die Lebensqualität des Betroffenen verbessert wird. Im Endstadium dieser schweren Krankheit kommt es zum körperlichen Verfall, die Betroffenen werden bettlägrig und dadurch entsteht die Gefahr von Infektionen. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung.
Bei der pflegerischen Therapie und Betreuung desorientierter, verwirrter, verhaltensauffälliger und demenzerkrankter Menschen gilt: Wenn sie die Welt nicht mehr verstehen, muss man sie ihnen wieder verständlich machen. Auch ärztliche Hilfen in der Diagnostik (Mini Mental Status, Uhren Test, Schädel-CT) sind in Anspruch zu nehmen sowie somatische Ursachen auszuschließen und zu behandeln. Das „wichtigste Medikament“ bei pflegerischen Maßnahmen gegen Symptome wie Angst Unruhe Orientierungslosigkeit, Aggression, Unsicherheit oder Hoffnungslosigkeit ist der Pfleger selbst.
Manni Strimmer