Der "Rancher am Sold River"
Publiziert in 7 / 2004 - Erschienen am 8. April 2004
"Träume sind das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann." Diese Zeilen stehen im Poesiealbum von Franz Gapp. Wann immer er Zeit hat, bringt er seine Gedanken und Gefühle zu Papier. Gedichte, Märchen und erotische Geschichten schreibt er in seiner "Sattelkammer" oder im Stall während die Melkmaschine läuft. "I loss mi treibm, wia a Vogl im Wint", sagt er. Gerne zitiert er aus der "Country-Musik": "Landstraße führ mich heim zu dem Ort, zu dem ich gehöre." Dieser Satz aus dem Lied "Country road" spiegelt seine Lebenseinstellung wider. Er glaubt, dass er in seinem früheren Dasein ein "Rancher" gewesen sein muss. Anders kann er sich seine Leidenschaft für die Western-Romantik nicht erklären. Auf seinem Bauernhof am Suldenbach in Prad versucht er seine Träume und Sehnsüchte von grenzenloser Weite zu leben. Seine "Ranch", fast ein Hektar groß, könnte gut und gerne irgendwo in Amerikas Westen stehen, mit Planwagen, Sattel, Zäunen, Pfählen, Kultstätten und Pferden. Pferde verkörpern für ihn die Freiheit. Ihre Eleganz, ihre Feinfühligkeit, ihre Kraft faszinierten ihn schon als kleiner Bub. Im Stall des elterlichen Hofes hätte er anstatt der Kühe lieber Pferde gesehen. Zu den zwei Haflingern, die als Arbeitstiere gehalten wurden, fühlte sich Franz besonders hingezogen. Hoch zu Ross begab er sich als Bursche zum "Fensterlen" und versetzte die Mädchen gehörig ins Staunen. Er traf seine Anna, die er zu seiner Bäuerin machte. Sie liebte im Gegensatz zu ihm die Landwirtschaft. "Miar hotts
drwuschn, Bauer z`wearn", sagt er, "a richtigr Baur pinn i nitt, i war mea pa di Ross." Nach elf Jahren glücklicher Ehe erkrankte Anna schwer und starb ganz plötzlich. Franz blieb mit den Kindern Magdalena, Christine und Georg zurück. Die Kleinen waren zehn, neun und eineinhalb Jahre alt. Ihm wurde bewusst, dass man im Leben nichts festhalten kann. Vieles veränderte sich schlagartig. Neben dem Schmerz lastete der Druck der alleinigen Verantwortung mit viel Arbeit auf ihm. Anna fehlte, ihre Zuwendung, die vertrauten Gespräche mit ihr. Den kleinen Georg musste er in die Obhut seiner Schwägerin geben, die im Haus nebenan wohnt. Haushälterinnen schauten fortan auf dem Hof nach dem Rechten. Zehn waren es im Laufe der vergangenen fünfzehn Jahre. Mit allen ist Franz noch heute in Freundschaft verbunden. Der häufige Wechsel hängt damit zusammen, dass er keine Nähe zulassen wollte. Eine erneute Heirat kam für ihn wegen der Kinder nicht in Frage. In einsamen Stunden fand er Trost bei seinen Pferden. Sie gaben ihm Kraft. Er flüchtete sich in seine "Rancherwelt". Diese bewahrte ihn davor, an irgendeiner Gasthaustheke zu versumpfen. Davon ist er überzeugt. Seine künstlerische Ader entdeckte Franz, nachdem er für seinen Patensohn ein schwarzes Schaukelpferd geschnitzt hatte. Er fand damit Beachtung bei einer Ausstellung, auch dank seines treffend formulierten Textes. "Seit sellm pinn i pa di Künstler", lacht er. Kurz darauf kaufte er sich ein lebendiges schwarzes Pferd und begann sich als "Rancher" zu kleiden, mit Fransenlederweste, Sporenstiefeln und Schlapphut. Manch einer im Dorf musterte ihn anfangs mit Verwunderung. Doch schon bald war er akzeptiert. Auch er achtet jeden Menschen in seinem Sein und kennt keine Feinde. Seinen Kindern ist er Vater und Freund. Sie sind stolz auf ihn. Franz liebt die Nacht und vergleicht sich mit einer Fledermaus. Beim Tanzen inmitten der Nachtschwärmer fühlt er sich in seinem Element. Da kann es durchaus passieren, dass er erst kurz vor fünf Uhr in den Hof zurückkehrt und sofort mit der Stallarbeit beginnen muss. Er kommt mit wenig Schlaf aus. "Schlofn tua i norr untr dr Erd", meint er. Für alles Extravagante ist der "Franz von der Ranch" aufgeschlossen. Gerne bricht er mit Althergebrachtem. Als ihn
Vinschger Malerinnen vor kurzem fragten, ob er sich als Aktmodell zur Verfügung stellen würde, sagte er sofort zu. "Zuersch isch di Nocketei schunn a kitzlige Soch gewesen", bekennt er. "Pa dreizehn Frauen honn i nit gwisst, wia si der untn verholtet." Es sei zum Glück alles ruhig verlaufen. Er habe seinen Körper zum ersten Mal ganz bewusst gespürt und könne das "Akt-Liegen" jedem empfehlen. Zu Frauen hat Franz ein offenes herzliches Verhältnis. Trotz aller Sehnsucht nach Liebe und einiger Abenteuer, sein Herz hat er nach dem Tode seiner Frau nie mehr verschenkt. Seinen Weg geht er allein, begleitet von seinen Träumen.
Magdalena Dietl Sapelza