Gabriel, der Vinschger Sängerknabe
Publiziert in 10 / 2007 - Erschienen am 21. März 2007
„Ah, ein Sängerknabe…“ flüstern sich zwei ältere Damen in der Wiener U-Bahn zu, als sich ein etwa 11jähriger Junge im maßgeschneiderten dunkelblauen Mantel und einer Matrosenmütze zu ihnen setzt. Es ist Gabriel Jörg aus Schluderns, der seit September 2006 einer der rund 100 singbegeisterten Sängerknaben im Wiener Augarten ist.
Es begann mehr aus Jux“, erinnert sich Sepp Jörg, Gabriels Vater. Beim Lesen der Homepage der Wiener Sängerknaben kam Gabriel auf die Idee, sich dort zum Vorsingen zu bewerben. Eine Woche bevor Gabriel gemeinsam mit seinen Freunden aus der Grundschule Schluderns die Mittelschule in Glurns beginnen sollte, änderte sich sein Lebensweg grundlegend. Er wurde nach Wien zum Vorsingen geladen und nach einer verkürzten Probezeit als „Quereinsteiger“ bei den Wiener Sängerknaben aufgenommen.
„Gesungen hat Gabriel immer schon gut und gerne“, erzählt Vater Sepp. „Zwei Jahre lang hat er den Klavierunterricht besucht und begeistert die klassischen und modernen Lieder der Sängerknaben gehört.“ „Ich bin gerne in Wien, es ist flott hier, aber ich fahr auch gern nach Hause zu meiner Familie“, gesteht Gabriel dem „Vinschger“. Gabriel ist das 6. von 9 Kindern der Familie Jörg und deshalb schon früh zur Selbständigkeit erzogen worden. Mit einem Buch vertreibt sich Gabriel die Zeit während der Bahnfahrt von Landeck nach Wien, die er meist alleine macht.
In Wien hat er einen straffen Schulalltag: Er besucht die zweite Klasse des Gymnasiums; von 11.00 bis 13.00 Uhr wird im Chor geprobt. In ihrer Freizeit haben die Knaben des Augarteninstituts die Möglichkeit zum Schwimmen und Fußballspielen. Und da sie ganz normale Jungs sind, schwärmen sie auch von Gameboys, PSP und Playstation.
Die Wiener Sängerknaben sind in vier Chöre zu je 24 bis 26 Knaben, den Haydnchor, den Schubertchor, den Mozartchor und den Brucknerchor aufgeteilt. Gabriel singt im Brucknerchor. Mit diesem wird er auch im Frühjahr auf eine Japantournee gehen.
„Die wichtigste Voraussetzung, die ein Knabe mitbringen sollte, der Mitglied im Chor werden möchte, ist Freude am Singen, an der Musik“, sagt Direktor Jesser vom Institut im Augarten. „Wir laden alle Buben, die gerne bei uns singen möchten, zu einem individuellen, unverbindlichen Vorsingtermin ein. Informationen gibt es auf unserer Homepage www.wsk.at.“ Keinem Kind soll es aus finanziellen Überlegungen verwehrt sein, im Chor aufgenommen zu werden. Der Internatsbeitrag beträgt 700 Euro im Jahr. In Härtefällen gewährt das Institut auch Ermäßigungen. Das Institut finanziert sich nicht wie in der Nachkriegszeit nur aus den Konzerteinnahmen, sondern hat neue Wege beschritten. Private Sponsoren sowie Bund und Land übernehmen die Bezahlung der Lehrer, Erzieher und Umbauarbeiten.
In den letzten Jahren bewerben sich immer mehr Knaben, die nicht aus Österreich stammen, um die Aufnahme bei den Wiener Sängerknaben. Derzeit singen Burschen aus Italien, Deutschland, der Schweiz, Slowenien, der Slowakei, Polen, Belgien, aber auch den USA, Australien und Japan im Chor. Sie geben aufgeteilt auf vier Chöre weltweit ca. 330 Konzerte jährlich. Heuer geht es u.a. nach Spanien, Italien, Finnland, Korea, USA, China, Südostasien, Südamerika und voraussichtlich auf eine Mittelmeerkreuzfahrt. Auf die Frage des „Vinschgers“, ob wir auch auf ein Konzert in Südtirol hoffen dürfen, antwortet Direktor Jesser: „Gerne würden wir, gerade da nun Gabriel Jörg aus Südtirol in den Chor aufgenommen wurde, auch einmal ein Konzert in seiner Heimat geben.“ Erste Vorgespräche soll es bereits gegeben haben.
Ingeborg Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher