Es ist ihm gelungen, das Stilfserjoch mit nur dem rechten Fuß in Rekordzeit zu erklimmen.

„Ich bin immer auf der Suche nach dem Unmöglichen“

Publiziert in 17 / 2005 - Erschienen am 7. September 2005
Er ist ein gewöhnlicher Mann mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Die Liste der Rekorde, die der Fahrrad- und Gleichgewichtskünstler Giuliano Calore aus Padua bisher aufgestellt hat und die schon vor Jahrzehnten international für Aufsehen sorgten, ist lang. Der pensionierte ENEL-Angestellte ist nicht nur Weltrekordinhaber im akrobatischen Radfahren mit über zehn Eintragungen im Guinness-Buch der Rekorde, sondern auch aktiver Pianist und Komponist. Noch vielen in Erinnerung sind Giuliano Calores Rekorde auf der Stilfserjochstraße. 1985 „schoss“ er in 27 Minuten und einer Sekunde ohne Lenker und Bremsen vom Stilfserjoch nach Prad. Im Jahr zuvor war er in einer Stunde und 37 Minuten von Prad aus auf das Joch geradelt, wobei er nur mit dem rechten Fuß in das Pedal trat. In diesen Tagen hat sich Giuliano Calore, der im Jänner 68 Jahre alt wird, für einen Urlaub im Vinschgau aufgehalten. Am Dienstag der Vorwoche war er mit seinem Fahrrad – natürlich immer ohne Lenker und Bremsen – in Münstertal in der Schweiz unterwegs, als er zufällig vom passionierten Hobbyradfahrer Ludwig Blaas aus Schluderns gesichtet wurde. Der Ludi sprach ihn sofort an und die beiden vereinbarten, sich am Tag danach bei „Helene“ (Bar-Restaurant) in Schluderns zu treffen. Auch Giuliano Calore freute sich, dass er Ludwig Blaas näher kennen lernen konnte, denn ihm war schon im Vorfeld zu Ohren gekommen, dass Ludwig Blaas das Stilfser Joch bereits über 200 Mal erklommen hat. Am 22. September wird der ehemalige Jagdaufseher zum 226. Mal auf das Stilfser Joch radeln, denn an diesem Tag wird er 70 und ein schöneres Geburtstagsgeschenk könne er sich gar nicht vorstellen. Auch alte Erinnerungen wurden beim Zusammentreffen aufgefrischt. Als Calore 1989 ohne Lenker und Bremsen vom Stilfserjoch in Richtung Prad fuhr, radelte der Ludi hinter ihm her. „Ich habe beim Hinunterfahren mehr geschwitzt als beim Hinauffahren“, erinnert sich der Ludi. So richtig entdeckt hat Giuliano Calore seine außergewöhnlichen Fähigkeiten auf dem Fahrrad im Alter von 17 Jahren in den Dolomiten. „Ich genoss die Gerüche, habe während des Radfahrens komponiert und mich von der Natur inspirieren lassen“, erzählte er dem „Der Vinschger“. Calore ging sogar soweit, dass er hohe Pässe bezwang, während er gleichzeitig mit der Ziehharmonika und mit anderen Instrumenten spielte. Bis jetzt hat es Calore, der derzeit von „Fior di frutti – Rigoni die Asiago“ gesponsert wird, auf zwölf Guinness-Buch-Eintragungen gebracht. Zu seinen besonderen Unternehmungen, die noch immer etwas Unvorstellbares und Unglaubliches an sich haben, gehörte 1983 auch die Bewältigung von 14 Bergpässen (330 Kilometer) in nur 13 Stunden. Zum Stilfserjoch hat es ihn immer wieder hingezogen. 1989 fuhr er – immer mit seinem Rad ohne Lenker - in einer Stunde, 17 Minuten und 18 Sekunden aufs Joch. Diese Zeit war besser als jene, die 1980 der „Giro d’Italia“-Sieger Bernard Hinault benötigt hatte. Für viele ist es einfach unvorstellbar, ohne Bremsen steile Abfahrten bewältigen zu können. „Ich bremse mit dem Einsatz der Hände und des ganzen Körpers und drücke mit dem Fuß gegen das hintere Rad“ erklärt der „Fahrrad-Astronaut“. Rücktrittsbremsen haben seine Räder nicht. Schon seit jeher setzt sich Calore, der stets auf der Suche nach dem Unmöglichen ist, für einen sauberen und naturverbundenen Sport ein. Auch in Schulen ist er immer wieder zu Gast. Seine teils haarsträubenden Rad-Künste haben ihn schon in viele Länder der Welt geführt. Besonders begeistert von seinen Unternehmungen sind die Amerikaner. Seine Räder sind mittlerweile von Museen in aller Welt begehrt. Das Stilfserjoch gehörte natürlich auch bei seinem heurigen Rad-Urlaub im Vinschgau zum Programm.
Josef Laner

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