Karin Pörnbacher

Der Frühling und Menschen mit Demenz

Der schwierige Winter neigt sich dem Ende. Was Angehörige von Menschen mit Demenz jetzt tun können. 

Publiziert in 2 / 2023 - Erschienen am 31. Januar 2023

Schlanders - Die Tage werden länger, die Sonnenstunden zahlreicher: Mit mehr Lichtintensität kommt es auch zu einer größeren Ausschüttung der „Glückshormone“ Serotonin und Dopamin. Ein Motivationsschub, den Angehörige von Menschen mit Demenz nutzen können. Wie? Darüber haben wir mit Demenz-Expertin Karin Pörnbacher gesprochen.  

der Vinschger: Welche Herausforderungen brachte der Winter für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen? 

Karin Pörnbacher: Sicherlich waren die meteorologischen Verhältnisse, wie Schnee, Eis und niedrige Temperaturen, sowie auch die reduzierten Sonnenstunden weniger einladend für Spaziergänge. Auch schlägt dem ein oder anderen der Lichtmangel aufs Gemüt. Krankheitsbedingte Beschwerden könnten den Mensch mit Demenz und seine Familie auf eine harte Probe stellen. Bei Menschen mit Demenz bargen diese Faktoren eine besondere Herausforderung für Pflegende im Hinblick auf die Beibehaltung dieser so wichtigen Alltagsaktivitäten und der gewohnten Tagesstruktur. Auch die Gestaltung der Feiertage könnte Angehörige und Menschen mit Demenz überfordern. Feiertage könnten Stress, aber auch Trauer mit sich bringen. Der Winter brachte aber auch Chancen. Chancen durch Adventskranz und Dekorationen als zeitliche Orientierungshilfen, Gelegenheiten für gemeinsames Beisammensein und die Möglichkeit, in schönen Erinnerungen zu schwelgen.

Welche Chancen bringt der Frühling? 

Die steigenden Temperaturen und die Steigerung der Sonnenstunden laden wieder vermehrt zu Bewegung im Freien ein. Dort lassen sich die jahreszeitgebundenen Veränderungen der Natur beobachten und man kann sich gemeinsam darüber erfreuen. Das Erwachen der Natur vermittelt uns neue Lebensfreude und regt zu weiteren biografieorientierten Gesprächen ein. Religiöse Feierlichkeiten können als zeitliche Orientierungshilfe dienen. So fällt z.B. das Osterfest in diese Jahreszeit. Die Teilhabe an damit verbundenen Vorbereitungen können als Tätigkeiten im Alltag unterstützend zum Einsatz kommen: gemeinsames Eierfärben und dekorieren, aber auch die Verfolgung der Osterliturgie. Die Gartenarbeit oder auch der Frühjahrsputz sind in dieser Jahreszeit wieder Gelegenheiten der Einbindung in Alltagsaktivitäten. Dadurch können sich Menschen mit Demenz selbstwirksam und nützlich fühlen.

Es gilt als sinnvoll, Wohnung und Umgebung frühlingshaft zu gestalten, um daran zu erinnern, welche Jahreszeit ist. Wie gehen Angehörige hier am besten vor? 

Hier einige Ideen, wie man die Sinne der Person mit Demenz frühlingshaft anregen und den Frühling ins Haus bringen kann: Blumenzwiebeln in Töpfe pflanzen und gemeinsam Tag für Tag beobachten, wie daraus Blumen wachsen. Oder eine entsprechende Pflanzenschale mit Frühlingsblumen (Narzissen, Primeln, Tulpen), die gerade erblühen, kaufen. Achtung ist bei Hyazinthen und Osterglocken geboten, da sie giftig sind. Menschen mit Demenz stecken oft nicht essbare Gegenstände in den Mund, daher stellen diese Blumen eine Gefahrenquelle dar.Eine Dekoration der Umgebung mit frühlingshaften Elementen (z. B. Kissenbezüge und Plaids in Pastellfarben, selbstgebastelte Papierblumen, Frühlingszweige geschmückt mit Osterdekoration), wenn möglich gemeinsam mit der Person mit Demenz. Ist die betroffene Person bettlägerig, kann man in ihrem Sichtfeld einen grünen, gelben oder orangefarbenen Dekorationsstoff aufhängen und daran verschiedene Zweige oder Blumen befestigen. Ein weiterer Tipp ist gemeinsames Singen, das macht zu allen Jahreszeiten Freude. Durch Frühlingsgespräche kann man Erfolgserlebnisse für Menschen mit Demenz schaffen.  Durch das Zeigen von Frühlings- oder Osterbildern, das Riechen an Frühlingsblumen oder Blüten Gespräche anregen.

Auch Zeit an der frischen Luft sollte jetzt vermehrt verbracht werden. Was ist bei Spaziergängen zu beachten? 

Es gilt, dem Mensch mit Demenz Gelegenheit zu geben, viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Sinnvoll sind etwa Spaziergänge, bei denen in dieser milden Jahreszeit und dem Erwachen der Natur ganz besonders auch seine Sinne aktiviert werden können. Dabei können Angehörige auf das Vogelgezwitscher, die sprießenden Blumen und Gräser, Farben und Gerüche aufmerksam machen. Besonders für Menschen mit Demenz ist es wichtig mit allen Sinnen spüren zu dürfen. Auch wenn sich mit zunehmender Demenz manche Sinne verändern, wie z.B. die Fähigkeit zu riechen oder zu schmecken, bleibt doch immer die Möglichkeit des Spürens und Erlebens. Daher ist es umso wichtiger die Person nicht zu korrigieren, wenn sie ein Geräusch oder einen Duft nicht mehr richtig erkennt oder zuordnen kann. Es geht in der Begegnung mit Naturerfahrungen nicht um die richtige Antwort, sondern um diese wertvollen Momente des gemeinsamen Kontaktes, des Genießens und des Erlebens. Gerade und besonders zur milden Jahreszeit kann man sinnvolle Anlässe schaffen, um Bewegung zu fördern. Bewegung regt grundsätzlich die Gehirnfunktionen an, schafft Glücksgefühle und Entspannung und vermindert Zustände von Aggression und Angst. Bewegung geschieht sowohl in freier Natur als auch im eigenen Zuhause. So können Bewegungsmöglichkeiten in den Alltag eingebunden werden – zu jeder Jahreszeit:   Hausarbeiten wie Einkaufen gehen, Kochen, Wäsche waschen, Staub wischen, Geschirr spülen, aber auch die Teilhabe an der eigenen Körperhygiene, an-ausziehen, essen,… Es gilt als grundsätzlich Menschen mit Demenz Anreize zu verschaffen, die sie animieren sich zu bewegen. Und sicherlich wird den Angehörigen und den Menschen mit Demenz dies durch das Strahlen der Frühlingssonne erleichtert.

Michael Andres
Michael Andres

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