Ab dem 16. Juni gibt es die Küche im Vinzenzheim nicht mehr; im Bild (v.l.): Maria Luise Niedermair, Schwester Agnes und Martina Niedermair.
Die Ausräumarbeiten im Vinzenzheim laufen schon seit Tagen.
Im Vinzenzheim in Schlanders entstehen sogenannte leistbare Wohneinheiten.

Eine Ära geht zu Ende

Die Barmherzigen Schwestern verlassen das Vinzenzheim in Schlanders.

Publiziert in 11 / 2023 - Erschienen am 14. Juni 2023

Schlanders - Die Nachmittagsbetreuung, die Kindertagesstätte und die Sommerbetreuung für Kinder bleiben weiterhin bestehen, aber die Ära des jahrzehntelangen, stillen und segensreichen Wirkens der Barmherzigen Schwestern im Vinzenzheim in Schlanders geht nun endgültig zu Ende. Die Küche wird mit dem 16. Juni geschlossen. Schwester Agnes und Schwester Renate werden in absehbarer Zeit in das Provinzhaus ihres Ordens nach Bozen ziehen. Mit dem 16. Juni läuft auch das Arbeitsverhältnis von Maria Luise Niedermair aus, die 30 Jahre lang im Vinzenzheim gearbeitet hat, in den vergangenen Jahren in der Küche. Dasselbe gilt auch für ihre Schwester Martina Niedermair, die 13 Jahre lang in der Küche bzw. als Reinigungskraft tätig war. Mit viel Dankbarkeit, aber auch mit einem Anflug von Wehmut blickt Schwester Agnes, die langjährige Leiterin des Vinzenzheims, auf ihre 48 Tätigkeitsjahre in Schlanders zurück. Einen besonderen Dank spricht sie den Eltern für das Vertrauen aus, welches sie dem Vinzenzheim während all der Jahre entgegengebracht haben, dem gesamten Erzieher-Team für den großen Einsatz, sowie den Pflichtschulen und den verschiedenen Diensten, speziell den Sozialdiensten der Bezirksgemeinschaft Vinschgau, für die gute Zusammenarbeit.

Rund 900 Kinder betreut

Die Auflassung der Heimtätigkeit hatte sich bereits vor einigen Jahren abgezeichnet. Zumal die finanziellen Unterstützungen seitens des Landes für die Unterbringung im Heim wegfielen, brach die Nachfrage nach Heimplätzen ein. Für das Jahr 2021/2022 hatte es erstmals keine Neueinschreibungen für eine Vollzeitunterbringung mehr gegeben. Interne Schülerinnen und Schüler gibt es seither keine mehr. In früheren Zeiten war die Situation eine ganz andere. Bis zu 80 Grund-, Mittel- und Oberschüler aus dem gesamten Vinschgau und darüber hinaus wurden im Heim betreut und beim Lernen unterstützt. Die Heimtätigkeit wurde 1960 im bestehenden Haus aufgenommen. Damals wurde die Mittelschule eingeführt. Als Schwester Agnes vor 48 Jahren ins Vinzenzheim kam, lebten und wirkten dort noch 12 Barmherzige Schwestern. Insgesamt hat sie im Laufe der Jahrzehnte zusammen mit ihrem Team rund 900 Kinder betreut bzw. begleitet. In früheren Zeiten war das Vinzenzheim in Schlanders - es war damals übrigens das einzige Heim für Pflichtschüler im Vinschgau - vor allem bei Bergbauernfamilien sehr geschätzt. Dies auch deshalb, weil damals viele Höfe noch nicht mit Zufahrten erschlossen waren. Das Heim war im Jahr 1856 vom Landesgerichtsarzt Dr. Heinrich Vögele als Waisenhaus für bedürftige Kinder gegründet worden, der das Haus 1866 den Barmherzigen Schwestern des Hl. Vinzenz von Paul überließ. Nachdem das ursprüngliche Haus 1959 infolge eines Brandes vollständig zerstört worden war, entstand im angrenzenden Anger mit finanzieller Unterstützung des Landes das heutige Vinzenzheim mit der Zusatzbezeichnung „Dr. Vögele Haus“. Neben dem Vinzenzheim wirkten die Barmherzigen Schwestern in Schlanders auch im Krankenhaus, im Altersheim und im Kapuzinerkloster. Froh und dankbar ist Schwester Agnes, dass die Dienste der Sommer- und Nachmittagsbetreuung sowie auch die Kindertagesstätte weiterhin aufrecht bleiben. Mit den Diensten wurde eine neue Sozialgenossenschaft betraut, die auch das pädagogische Betreuerteam übernommen hat. Ein bisschen Wehmut klingt aber dennoch mit, denn mit der Schließung der Küche und Auflassung des Mensadienstes ab dem 16. Juni geht die Ära der Barmherzigen Schwestern in Schlanders endgültig zu Ende. Auf einer Marmortafel am Eingang steht geschrieben, dass sie diese „soziale Institution“ seit 1862 im Auftrag des Begründers Dr. Heinrich Vögele führen. Dem sozial-caritativen Auftrag sind die Barmherzigen Schwestern in Schlanders und in weiteren Orten im Vinschgau seit jeher nachgekommen. Das betrifft auch die Zeit, als die Zunahme von Kindern mit Migrationshintergrund stetig stieg, oder als am 24. Februar 2022 der Krieg in der Ukraine begann. 15 Flüchtlinge aus der Ukraine haben im Heim eine vorübergehende Unterkunft gefunden. Für eine Witwe, die derzeit noch mit zwei Kindern im Heim lebt, konnte eine private Unterkunft gefunden werden. Der größte Wunsch von Schwester Agnes ist es, dass die verbleibenden Betreuungs- und Bildungsangebote weiterhin zum Wohl der Kinder und Jugendlichen ausgeführt werden. 

Umbau soll im Herbst beginnen

Mit Ausnahme der Betreuungsräume im Erdgeschoss wird das Vinzenzheim voraussichtlich ab dem heurigen Herbst umfassenden internen Umbauarbeiten unterzogen. Der Orden der Barmherzigen Schwestern möchte das Heim so umbauen, dass sogenannte leistbare Wohneinheiten entstehen. Die hauseigene Kapelle, die Außenfassaden, das große Fresko des Künstlers Robert Scherer und weitere bauliche Besonderheiten sollen erhalten bleiben. Spätestens wenn der Umbau beginnt, dürfte manchen erst so richtig bewusst werden, dass die Ära der Barmherzigen Schwestern in Schlanders vorbei ist und dass die Gemeinde und das ganze Tal irgendwie ärmer geworden sind. 

Einrichtungsgegenstände werden abgegeben

Schon vor einigen Tagen wurde im Vinzenzheim mit dem Ausräumen begonnen. Wer Interesse an Geschirr und Geräten hat, an gut erhaltenen Möbeln, an Einrichtungsgegenständen aus der Küche oder an anderen Sachen, wie sie beim Ausräumen von Gebäuden anfallen, kann sich für nähere Auskünfte an Schwester Agnes wenden (Tel. 339 700 2300). Neben Privaten können sich gerne auch Vereine melden.

Josef Laner
Josef Laner

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