Literaur: Paul Flora (Zeichnungen 1938-2001) Katalog zur Ausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien anlässlich des 80. Geburtstages von Paul Flora.

Der Bilderschriftsteller

Publiziert in 19 / 2003 - Erschienen am 9. Oktober 2003
An einem leicht regnerischen Tag auf der Hungerburg in Innsbruck: Paul Flora kommt mir mit einem Regenschirm entgegen und geleitet mich in sein Haus: Bilder, Bilder, Bilder, an den Wändenn auf den Tischen, auf dem Boden, letztere besonders beeindruckend, schon hergerichtet zum Abtransport in eine der vielen Ausstellungen des Meisters oder zum Verkauf, ich weiß es nicht. Beleuchtet nur sein Arbeitstisch oder der Platz, den ich dafür halte. Ein bisschen Nervosität macht sich bei mir schon bemerkbar: Wer weiß, wie sich der Herr mit der spitzen Feder im Gespräch entwickelt? Aber nein! Er erzählt von sich, seiner Arbeit, seinen politischen Engagement für sein Innsbruck, als Mensch und als Künstler, im Kampf gegen eine Tiefgarage und dass es vielleicht wieder zu einer Auseinandersetzung kommen muss, dass die Innsbrucker zornig werden, wenn man ihre Alpenstadt verschandeln will. Paul Flora gibt einen neuen Band über Venedig heraus, dessen Originale in einer sehr intimen Ausstellung auf der Churburg ab dem 10. Oktober 2003 gezeigt werden. Was fasziniert Paul Flora so an Venedig? Es gibt ein großes Venedigbuch von mir, es gibt aber auch noch viele ungedruckte Venedigzeichnungen. Da haben wir – mein Sohn Thomas, der die Edition hat und ich – gemeint, dass man damit auch etwas machen sollte. Venedig hat mich immer fasziniert, weil es wirklich eine merkwürdige, sonderbare Stadt ist. Man kann herumgehen, ohne dass man von einem Auto niedergefahren wird, es ist eine Fußgängerstadt, was auf der ganzen Welt etwas Einzigartiges ist. Venedig ist eine Stadt, wo eigentlich nie etwas Neues passiert. Es ist der einzige Ort auf der Welt, wo man nie zu spät kommt. Gibt es zwischen Venedig und dem Vinschgau Gemeinsamkeiten? Mit Glurns vielleicht schon. Dort passiert zwar einiges, Positives, und in Glurns kommt man auch nicht zu spät. Glurns hat halt ein bisschen weniger Sensationen als Venedig. In Glurns sind die Türme interessant, die haben so schöne Augen, aber sie schielen. Es gibt auch viele schöne Ecken und ein paar Hennen, die herumspazieren. Je älter man wird, umso mehr zieht es einen dahin, wo man geboren ist. Ich habe mich seinerzeit sehr gekümmert um die Sanierung von Glurns. Der Anfang war ein bisschen schwer. Ich habe dann Wiener Studenten mit ihrem Professor Friedrich Achleitner nach Glurns gelockt, die die Häuser vermessen haben. Denn das hat die Leute etwas gekostet und sie haben nicht gewusst, ob sie dafür ein Geld bekommen oder nicht. Der Bürgermeister Riedl hat dabei ein großes Verdienst gehabt, das war ein Glücksfall für Glurns, dass er so lange Bürgermeister war. Nichts gegen den neuen Bürgermeister, der ist auch tüchtig. Bei der Eröffnung der großen Ausstellung über ihr Lebenswerk in Innsbruck ist auch der Mala Peppi dabei gewesen... Ja, der Mala Peppi, ist ein sehr gescheiter und origineller Mensch. Ich gehe gerne zu ihm hin, man isst bei ihm gut und ich bin gut Freund mit ihm. Er trinkt zum Beispiel in der Fastenzeit keinen Wein. Darauf bin ich erst später gekommen: Ich war beim Scheibenschlagen in Glurns, dann war ich bei ihm und er hat mir einen Wein angeboten. Da habe ich gefragt: Trinkst du keinen? Dann hat er mir gesagt: Ich trinke die ganze Fastenzeit keinen Wein. Da habe ich mir gedacht, das ist gescheit, da habe ich auch keinen getrunken und habe so in sechs Wochen fünf Kilo abgenommen. Man hört oft, die Vinschger seien besonders kreativ, aber wenn man als Künstler etwas werden will, muss man aus dem Vinschgau weg. Ja, einige bekannte Künstler sind schon weggegangen, aber weggehen muss man immer, wenn man sich weiterentwickeln will. Ich bin immer in Innsbruck geblieben und nie von Innsbruck weggegangen. Ich habe den Vorteil gehabt, dass ich mit dem Zeichnen von Karikaturen begonnen habe. Das ist nach dem Krieg gefragt gewesen und man konnte damit Geld verdienen. Dadurch bekam ich sehr viele Verbindungen zu Zeitungen, da ich vor allem über Zeitungen publiziert habe. Dadurch ist der Diogenes-Verlag in Zürich auf mich aufmerksam geworden. Ein Maler tut sich da schon viel schwerer. Wenn ich eine Zeichnung gemacht habe, ist diese über eine Zeitung in zwei-, dreihunderttausend Exemplaren veröffentlicht worden. Dadurch bin ich künstlerisch ein Sonderfall und privilegiert gewesen. Das Berühmt werden kommt dann halt auch mit der Begabung: Wer gut ist, kommt schon zu etwas. Der Erich Kästner hat einmal über mich gesagt, dass ich ein Bilderschriftsteller bin. Zeichner und Schriftsteller sind Zwillingsbrüder: Ich erzähle Geschichten, die ich nicht aufschreibe, aber aufzeichne. Ich mache alle Tage eine Zeichnung, entweder kauft sie dann jemand oder auch nicht. Beim Zeichnen ist es so, dass mir ein Bild einfällt und das zeichne ich dann auf. So ist für mich das Arbeiten ein Vergnügen. Ich bin froh, dass ich kein Schriftsteller bin: Das ist so etwas von deprimierend, zwei Jahre an etwas dran sein und nicht wissen, was daraus wird. Gibt es Zukunftsprojekte? Große Sachen sind keine in Sicht, es ist eher der normale Ausstellungsverlauf. Jetzt kommt eine Ausstellung in Regensburg, dann in Bozen, am 10. Oktober ist die Ausstellungseröffnung auf der Churburg, dann München und Wien. Es ist immer was los. (ch)

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