Levi und Yuki, die Kinder des Paars, sind jetzt schon dreisprachig.

Hardrock, Sashimi und Höflichkeit

Publiziert in 7 / 2011 - Erschienen am 23. Februar 2011
Trafoi – Wer von Prad aus Richtung Sulden fährt, lässt sich von Gedanken an das Bergsteigen leiten, freut sich auf schneesichere Pisten oder die spektakulären Serpentinen des Stilfserjochs. Doch während sich der Reisende, vielleicht mit einem Mitsubishi oder Toyota, durch das Tal ­hinaufschlängelt, könnte er sich ebenso gut Gedanken über den viertgrößten Inselstaat der Welt machen. In Trafoi nämlich lebt Takeshi Yokokawa mit seiner Familie. Japan­kenner werden sich die Bäuche vor Lachen halten, angesichts dessen, was uns Nichtwissenden zu Japan in den Sinn kommt: Mangas, Kurosawa, Millionenstädte und ein Heer enorm gut ausgebildeter Arbeitskräfte? Dabei ließe sich schon Gomagoi als Schauplatz des Romans „Wilde Schafsjagd“ von Japans großartigem Schriftsteller Haruki Murakami nicht schlecht an. Und die alte Stadt Kamakura, berühmt für ihre bestens erhaltenen Schreine und Tempel, wo Tania Wallnöfer und Takeshi Yokokawa heirateten, trägt eine Blume in ihrem Wappen, die an den Hängen des Ortlers bestens gedeiht: der Enzian. Die Familie scheint in ­Trafoi ebenso aufzublühen. Zwei Jahre lang wohnten Takeshi ­Yokokawa Tania Wallnöfer in der 800-Seelengemeinde­ ­Hangenmeilingen im hessischen Landkreis Limburg-Weilburg: „Am Anfang war alles in Ordnung, wir fühlten uns akzeptiert. Nach und nach hatte man den Eindruck, dass es doch nicht passt.“ Mit den Südtirolern sei es anders, sie seien den Japanern ähnlicher: Erst stieße man auf Hindernisse, doch nach und nach „öffnen sich die Menschen.“ Mittlerweile ist der sport- und musikbegeisterte 44-Jährige im Tal bekannt: Der erste Japaner Südtirols, der Berechtigungen zur Personenbeförderung erwarb, ist als Busfahrer im ganzen Tal unterwegs: auch mit Hilfe des Stilfser Busunternehmers Hugo Ortler, der ihn im Einschlagen des neuen Berufzweiges bestärkte. Takeshi Yokokawa ist von seiner Arbeit begeistert - und wird von Fahrgästen geschätzt. Vor allem die Tatsache, dass Umsicht im Umgang mit anderen Menschen für ihn ein absolutes Muss ist, gibt Anlass für regelrechtes Lob. „In Japan wird man überall zuvorkommend bedient, das zieht sich durch alle Bereiche des öffentlichen Lebens,“ sagt Tania Wallnöfer, die fließend japanisch schreibt und spricht und mit der japanischen Kultur vertraut ist. Sie lebte sechs Jahre lang in der Geburtsstadt ihres Mannes, Yokohama, wo die beiden sich kennen lernten, als sie ihm an einer Privatschule Deutsch beibrachte. Ihre Kinder verständigen sich jetzt schon auf Japanisch, Hochdeutsch und im Dialekt. Köstliches Sashimi, worin sich Doraden, Thun- oder Schwertfische finden können, die mit Wasabi, also Meer­rettich und eingelegtem Ingwer, Gari, gegessen werden, findet sich schon einmal auf dem Wallnöfer-Yokokawa-Mittagstisch. Essen nähme in Japan einen hohen kulturellen Platz ein, bestätigen die beiden: mit der Qualität der Lebensmittel sei bei japanischen Konsumenten nicht zu spaßen. Zwischen den besten einheimischen Angeboten und eingeflogenen Qualitätsprodukten aus der alten Heimat kann das Einkaufen zu einer regelrechten Tour de Epikur werden. „In Japan erlaubt sich niemand, mittelmäßige Qualität anzubieten. Es muss nicht nur frisch sein, sondern auch Top-Qualität besitzen,“ sagt die 37-Jährige. Essen, das käme noch vor der Religion, bekräftigt Takeshi, der aus einer katholischen Familie - drei seiner Tanten wurden Nonnen, eine davon heiratete einen holländischen Priester - stammt. Der Sohn eines hart arbeitenden Journalisten ging nicht den traditionellen Weg zur Universität, wie seine drei Geschwister, sondern lernte ein Handwerk, wurde Bauschreiner. Ein Handwerk, das in Japan aufgrund der Erosionen und der Erdbeben mit einer für westliche Verhältnisse unbegreiflichen Präzision ausgeübt wird, erklärt Tania ­Wallnöfer, deren Wissen darüber aus erster Hand kommt: Über ein Jahr lang arbeitete sie auf den Baustellen mit. Der Vater von Yuki und Levi mag das Lockere der Vinschger. Überhaupt vermittelt das Paar den Eindruck, gelassen mit verschiedensten Lebens­situationen zu recht zu kommen. Die musische Ader, die sie beide besitzen - Tania Wallnöfer musiziert und malt - könnte mit verantwortlich dafür sein. ­Yokokawa, der im Alter von dreizehn Jahren Schlagzeug lernte, spielte von 1989 bis 2002 bei den Pink Pantalons, die eigene Stücke auf die Bühnen brachten. Begeistert von einer Vielfalt musikalischer Stilrichtungen und Epochen, richtet sich der leidenschaftliche Fan von Led Zeppelin’s ehemaligem Schlagzeuger John Bonham zu Hause gerade ein Musikzimmer ein. Eigentlich aber ist er auf der Suche nach einem Schlagzeugerposten in einer Band. Mit viel Lust auf Rock’n Roll. Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein
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