„Hoffentlich kein Präzedenzfall“

Publiziert in 23 / 2005 - Erschienen am 30. November 2005
Toni Stocker (im Bild) aus Prad ist Berg- und Skiführer und auch Ausschussmitglied des Berg- und Skiführerverbandes. Er hat mit Kuno Kaserer die Ausbildung absolviert, kennt ihn bestens und hat den „Lawinenprozess“ von Anfang an mitverfolgt. „Der Vinschger“: Was fühlten Sie, als feststand, dass Kuno Kaserers Verurteilung endgültig ist? Toni Stocker: Große Enttäuschung, obwohl die Entscheidung des Kassationsgerichtes nach der Verurteilung am Oberlandeslandesgericht vorhersehbar war. „Der Vinschger“: Kaserer selbst hat gesagt, dass Tourengeher und Varianteskifahrer nach dem jetzigen Urteil leicht zum Spielball der Justiz werden könnten. Sehen Sie das auch so? Toni Stocker: Ganz so krass möchte ich die Lage nicht einschätzen. Ich habe eher Angst, dass das Urteil zu einem Präzedenzfall wird. Man darf aber auch nicht vergessen, dass in der Vergangenheit mehrere Gerichtsverfahren, bei denen es um ähnliche Vorwürfe ging, eingestellt wurden. „Der Vinschger“: Welche Folgen hat das Urteil für ihre Berufsgruppe, für die Skibergsteiger und Variantefahrer? Toni Stocker: Wir als Bergführer werden unseren Job, für den wir ausgebildet sind, weiterhin nach bestem Wissen und Gewissen ausführen. Eine hundertprozentige Einschätzung der Gefahr am Berg gibt es nicht und wird es nie geben. Ein Restrisiko bleibt. „Der Vinschger“: Es ist nach der Verhaftung von Kuno Kaserer vorgekommen, dass Wintersportler, die im freien Skiraum ein Schneebrett losgelöst haben, geflohen sind, um nicht eingesperrt zu werden. Wird das auch in Zukunft vorkommen? Toni Stocker: Solche Fälle hat es in den letzten Jahren nach dem „Fall Kuno Kaserer“ im ganzen Land gegeben und es wird auch weiterhin vorkommen. Es ist schon krass, wenn Ski- oder Snowboarder nach einem Lawinenabgang aus Angst, ins Gefängnis zu kommen, fliehen und es möglicherweise unterlassen, nach eventuellen Verschütteten oder Verletzten zu suchen. „Der Vinschger“: Was halten Ihre Berufskollegen im Ausland von diesem Urteil? Toni Stocker: Ich war am Tag nach der Pressekonferenz in Innsbruck. Freunde haben die Verurteilung von Kuno Kaserer mir gegenüber als „Wahnsinn“ bezeichnet. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass die Gutachten der besten Experten und Lawinenkundler einfach über den Haufen geworfen werden. Das Interesse am „Fall Kaserer“ ist in den benachbarten Alpenländern sehr groß. „Der Vinschger“: Was wird der Berg- und Skiführerverband unternehmen? Toni Stocker: Wir werden uns alle gemeinsam an einen Tisch setzen müssen, was ansatzweise schon geschehen ist, wobei alle Beteiligten miteinbezogen werden. Es soll ein Ergebnis erzielt werden, damit sich so etwas nicht mehr wiederholt. „Der Vinschger“: Was raten Sie all jenen, die Skitouren unternehmen? Toni Stocker: Sehr wichtig ist es, sich im Vorfeld ausreichend Wissen anzueignen und sich auszubilden. Die Möglichkeiten dazu sind gegeben. Nicht zuletzt möchte ich aber auch an das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen appellieren. Interview: Josef Laner
Josef Laner
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