„Verliebt in meinen Beruf“

Publiziert in 1 / 2004 - Erschienen am 14. Januar 2004
In grünen OP-Hosen, darüber einen weißen Arztkittel, stürmt er zur Tür herein. Ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Nach einem kräftigen Händedruck sinkt er in seinen Drehsessel. Auf seinem Schreibtisch steht eine elipsenförmige Kerze mit allerlei Symbolen verziert: Eine Weltkugel in Münzformat und Musiknoten, Symbole, aus dem Leben von Toni Pizzecco, dem Gemeindearzt von Latsch. Zu den Musiknoten: West Bound nennt sich eine bekannte Südtiroler Ärzteband, Toni Pizzecco ist eines ihrer Mitglieder. Er spricht ungern darüber. Musik ist sein Hobby, hat aber nichts mit seinem Beruf zu tun. Ob er wohl einmal im Vinschgau auftreten wird? "Nein, nein", so die prompte Antwort von Pizzecco. Die Patienten würden sich schwer tun, den seriösen Arzt mit dem flippigen Gitarristen auf der Bühne zu vereinbaren, mutmaßt Pizzecco. Deshalb will er das Vertrauen seiner Latscher Patienten gar nicht erst auf die Probe stellen. Seit zwanzig Jahren betreut er sie, "wenn ich nicht gerade unterwegs bin", fügt er hinzu. Unterwegs war er in früheren Jahren viel. Seine Augen beginnen zu leuchten. In den USA, in Los Angeles, hat er eine Fachausbildung absolviert. Später zog es ihn nach Südamerika, Brasilien, wo er in Rio im Dienst eines weltbekannten Schönheitschirurgen die Slums kennen lernte. Auch in Afrika hat Toni Pizzecco gearbeitet. Mit dem "schwarzen" Kontinent verbindet er seinen Jugendtraum. "Ich wollte immer hinunter nach Afrika. Ich dachte mir, wenn ich Arzt werde, dann muss ich dahin zum Helfen, denn dort brauchen sie mich", erinnert er sich. Irgendwie ist sie auch Familientradition, die Arbeit in Afrika. Auch sein Vater war dort als Arzt tätig. Warum gerade Afrika, der Kontinent, der den krassen Gegensatz zu Europa darstellt? "Ich bin verliebt in meinen Beruf", und das glaubt man ihm sofort, angesichts seines überzeugenden Lächelns und seines begeisterten Augenausdrucks. Vor Jahren hat er als Arzt in Tansania und Nigeria gearbeitet, war für die Flying Doctors (Fliegende Ärzte) drei Monate lang in Kenia stationiert. "Es geht immer um Leben oder Tod. Ansonsten werden die Flying Doctors gar nicht alarmiert, zu teuer wäre ihr Einsatz." Doch nicht nur bei den Patienten geht es um Leben und Tod, auch der Arzt lebt gefährlich. Zwischen Mozambique und Sudan erstreckte sich sein Einsatzgebiet. "Einmal wurden wir in die Hauptstadt von Uganda, Kampala, gerufen. Schon während der Landung konnten wir die zerschossenen Gebäude sehen. Natürlich wurde uns da etwas mulmig zumute. Der zu behandelnde Patient war der russische Botschafter. Er lag im Koma und musste noch auf der Landebahn wiederbelebt werden. Ich kniete neben den Patienten und rund um mich herum standen mindestens zehn russische Soldaten mit angeschlagener Mitra. Mit zittrigen Fingern versuchte ich ein Röhrchen in die Luftröhre zu schieben damit der Botschafter wieder frei atmen konnte. Wäre es mir nicht gelungen, ihn Leben einzuhauchen, ich weiß nicht, was die Soldaten mit ihren Mitras gemacht hätten". Letztlich gefunden hat er seinen beruflichen Auftrag in Latsch, wo der gebürtige Bozner mit zwei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis führt. "Ich bin sehr zufrieden mit der Arbeit als Landarzt, auch wenn manchmal die Bürokratie Überhand nimmt. In der Dritten Welt steht noch der Patient im Mittelpunkt, die Armut ist so groß, dass bereits eine kleine Hilfe große Wirkung hat", erklärt Pizzecco sein Engagement. "Ich habe viel von der Welt gesehen. Ich habe arme und reiche Patienten behandelt, aber die Vinschger sind mir die liebsten". Das klingt sehr schmeichelhaft aber warum? "Hier wurde viel Altes erhalten, es gibt Kulturschätze, man spürt die Gegenwart der Ahnen. Die Menschen hier sind naturverbunden, sie haben einen Glauben und das ist für die Menschen und ihre Gesundheit wichtig", so Toni Pizzecco. Heute, als Familienvater, organisiert er Projekte für "Südtirols Ärzte für die Dritte Welt onlus". Er leistet die Vorarbeit im ausgewählten Land damit die Ärzte und helfenden Hände bei ihrer Ankunft sofort mit ihrem Einsatz beginnen können. Im Oktober fuhr er nach Indien. In Kalkutta gibt es viele Menschen, die schon sehnsüchtig auf medizinische Hilfe warten. Er ist mit seinem Einsatz, bei seiner Arbeit glücklich und zufrieden, und das sieht man. Die Begeisterung für seine Arbeit macht ihn um Jahre jünger. Seine Assistentinnen haben ihm die elipsenförmige Kerze geschenkt, zum 50. Geburtstag. Toni Pizzecco ist Präsident der Organisation "Südtiroler Ärzte für die Dritte Welt onlus", wer ihre Arbeit unterstützen möchte, kann dies mit einer Geldspende auf eines der folgenden Konten tun: Spendenkonto Nr. 333, bei der Südtiroler Volksbank Bozen, ABI 5856 CAB 11601, Infos gibt es auch unter der Internetadresse: www.world-doctors.org, oder E-Mail info@world-doctors.org.
Andrea Kuntner
Andrea Kuntner

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