Vom Bestatter zum Clown
Publiziert in 5 / 2004 - Erschienen am 11. März 2004
"Wenn vour vier Johr jemand gsogg hatt´, i wear Clown, norr hatt´i gsogg – du spinnsch!", so erklärt Bernhard gleich zu Anfang unseres Gesprächs.
"Toun hon i schun viel in mein Leben, ober dasse Clown wear und dass des so eppes scheans isch, hone it gmont. I staun!"
Geboren wurde Bernhard Wiesler (Clown Stauni) 1963, als zweiter von drei Buben in Taufers. Nach seiner Schulkarriere – er war nie ein besonders guter Schüler – hat der 13-jährig eine Lehre als Radio- und Fernsehtechniker begonnen, drei Jahre später eine Lehre als Elektriker, wieder zwei Jahre später eine Lehre als Hydrauliker. "Hon ollm a bissl Pech mit meine Chefitäten kopp!"
Immer auf der Suche nach etwas Neuem lockte es ihn in die Schweiz, wo er das Glück als Dachdecker versuchte, doch nur für kurze Zeit. Er blieb in der Schweiz und arbeitete bei einer Baufirma als Hondlonger weiter und irgendwann hörte er von einem Kollegen, dass in Chur ein Bestattungsgehilfe gesucht wird.
Ohne Scheu vor der Konfrontation mit dem Tod, hat er sich telefonisch vorgestellt und gleich den ersten Auftrag als Leichenbestatter bekommen.
"I honn af mai Fohrt noch Chur a kupferne Urne in Form fan an Buach, mit die Überreste einer Frau, in Krematorium Davos okoult und afn Beifohrersitz fa mein oltn grianen Fiat 124 nidergstellt, bin gfohrn bis Landquart zu der Address, womar der Chef ban Telefon gsog hot, hon klingelt. A Monn hot offtoun und i hon gsog, i bring di Frau. Er isch a pissl schockiert gwesn und hot gsogg i soll inekemmen. Er hot a groasse Bibliothek kop. Er nimmt die Urne und hotse irgendwo zwischn die ondere Biacher inegstellt! In Tog dernoch isches nocher losgongen!"
Drei Leichen durchschnittlich am Tag mussten gewaschen, geschminkt und für die Bestattung vorbereitet werden.
"Die erschte Woch isches miar total schlecht gongen, hon nimmer essen und schlofn kennt, weilmer ollm dia Tote in Kopf umanond sein. Hommer schun denkt des konne lai lossn, ober nor af oanmol isch des awek gwesn und mir hots gfolln. Leichenbestatter isch a gonz interessanter Beruf, i honn viel erlebt und viel erfohrn in der Zeit. Hon oft die Gsichter va di Verstorbenen gstudiert, ba eppes hosch gmoant dia schlofn lai, ondere hobm a Lächeln af di Lippm kop und wieder ondere hobm an Ausdruck kop, wiase nou hatn gwellt eppes sogn, oder eppes guatmochn. Haint denk i, ma misatse viel mea mit Tod befossn und it verdrängen weil der Tod oanfoch zun Lebm keart und jeder hots Recht zun Lebm und a zun Sterbm , wia und wenner will. I konn lai Sogn: Wer den Tod versteht, begreift das Leben und i persönlich freimer afn Sterbm weil’s oanfoch der sponnenste Moment in Lebm isch, wenn und wia ischmer gleich!"
Nach eineinhalb Jahren als Leichenbestatter in Chur, wo er sich von seinem reichen Chef ausgenützt vorkam, kehrte er wieder zurück nach Taufers, wo er das Glück hatte im benachbarten Müstair bei archäologischen Ausgrabungen im Kloster St. Johann zu arbeiten.
"Archäologie ist die faszinierendste Orbat überhaupt, ollm spannend, ma woaß nia wos kimp – sou wia in Leben! Deswegn bin i 13 Johr dabeigwesn und gea haint a inzwischn amol nu zun grobm!"
Bernhard hat nebenbei auch noch als selbständiger Bestatter in Mals gearbeitet.
"I bin friar eher zruckzochn und schüchtern gwesn, hon Minderwertigkeitskomplexe kop und hon a a pissl zu viel Alkohol trunkn. Hon des ober ollm verdrängt. Hon olm Jo gsogg, wennes a nit gwellt hon, lai dasse mit olle guat auskim!"
Vor 4 Jahren sollte dann alles ganz anders kommen.
"I honn der Beate kennenglernt, dia a Gosthaus in Taufers ibernummen hot und i homer in der wahnsinng verliabt. Oamol af ´n Obat sog die Beate zu mir: Bernhard, du trinksch zuviel! Und noch dia Worte hotse mai Lebm total verändert. I hon gonz viel aufgebm, an wos i miar suscht ollm kep hon, Alkohol, Zigrettn, Gsellschoft und umso mea i aufgebm hon, umso mea hone nuis darzukriag. I glab, ma muass in Lebm olls verliern, um olls zu gwinnen!"
Bernhard war immer auf der Suche nach Veränderung und so startete er eine Karriere als Clown. In Brixen wurde eine 9-monatige Ausbildung als Medicus Comicus angeboten, jene sind Clowndoktoren die in Krankenhaus kranke Kinder besuchen um sie aufzuheitern.
"Dia Ausbildung isch streng, ober wunderbor gwesn. Erstes und wichtigschtes Ziel isch gwesn mit sich selber ins Reine zu kemmen und selm hone einiges zu tian kop! Gach hon i lai gmiast Staunen, wer i iberhaupt bin. Clown sein hoast fir mir deis sein, wos i eigentlich bin und in jedn Mensch steckt a Clown, ma muassn lai zualossn. Jeder Mensch isch wunderbor und einzigartig und man soll viel mehr für sich selber tian und it olls lai weget di Lait, sich nicht so sehr an materielle Dinge festhalten, lernen loszulassen, den eigenen Gefühlen sehr viel Aufmersamkeit schenken, lernen zu staunen und nicht alles als selbstverständlich zu sehen!"
"I muass sogn Clown isch a wunderborer Beruf, miar geahts sou guat, und scheanste isch fir mir, dasse gonz viel weitergebm konn!"
Brigitte Thoma