Lucas Pitsch

Von Müstair nach Schlanders ins Gymnasium

Publiziert in 12 / 2008 - Erschienen am 2. April 2008
Val Müstair – Täglich sind es hunderte von Vinschgern, die die Grenze in Richtung Schweiz überqueren, um dort einer Arbeit nachzugehen. ­Lucas Pitsch aus Müstair überquert auch täglich die Grenze, aber in Richtung Südtirol. Seit über drei Jahren besucht der Münster­taler das deutschsprachige Realgymnasium in ­Schlanders. von Jon Manatschal In der Regel besuchen die jungen Münstertaler die Oberschulen (Gymnasien) im Engadin, in Ftan, in Zuoz oder in Samedan. Einzelne bevorzugen auch die Kantonsschule in Chur. Lucas Pitsch aus Müstair macht hier eine Ausnahme. Er hat sich für das Realgymnasium in Schlanders entschieden und sich in der neusprachlichen Fachrichtung eingeschrieben. Der Vorteil ist, dass er täglich wieder nach Hause zurückkehren kann, was aus dem Engadin nicht möglich ist. Natürlich können seine Eltern damit auch die Auslagen für auswärtige Kost und Logis ersparen. Ein Nachteil mag sein, dass man im Gegensatz zum Kanton Graubünden in den Südtiroler Schulen noch nicht die Fünftagewoche eingeführt hat und er somit auch am Samstag Schule hat. Die Idee, das Gymnasium in Schlanders zu besuchen, tauchte im Münstertal in den vergangenen Jahren immer wieder auf. Lange Zeit wurde daraus aber nichts. Nun sind es aber drei Jugendliche aus Müstair, die Schulen im Vinschgau besuchen, zwei in Mals und einer, eben Lucas Pitsch, in Schlanders. Mut zu dieser Entscheidung hat Lucas Pitsch und seinen Eltern auch ein befreundeter Lehrer aus Glurns gemacht. Er half Lucas insbesondere die Italienischkenntnisse zu verbessern, denen in den romanischen Schulen des Kantons Graubünden nicht soviel Gewicht beigemessen wird. Positive Erfahrungen Nun sind drei Jahre vergangen, seit sich Lucas Pitsch ins Realgymnasium Schlanders eingeschrieben hat. Wie er berichtet, wurde er hier sehr freundlich aufgenommen, sei es von Seiten der Lehrerschaft wie der Kolleginnen und Kollegen. Alle seien ihm gegenüber sehr offen und er fühle sich wohl an dieser Schule. Der Kontakt mit den Mitschülern sei gut und er habe nicht das Gefühl, als Fremder wahrgenommen zu werden. Inzwischen spreche er auch den Südtiroler Dialekt und habe im Italienischen keine Schwierigkeiten. Lucas ist seinerzeit in die zweite Klasse des Realgymnasiums eingetreten. In seiner Klasse sind 22 Schülerinnen und Schüler, der Großteil davon Mädchen. Die schulischen Anforderungen seien recht hoch, stellt er fest, man werde aber auch bestens durch die Lehrer betreut, die sich regelmäßig über das Wohlergehen erkunden. Der Unterricht beginnt um 7.45 Uhr. Bereits eine Stunde früher, um 6.37 Uhr, verlässt Lucas Müstair mit der SAD in Richtung Schluderns. Dort wechselt er auf die Vinschgerbahn und kommt um 7.30 Uhr in Schlanders an. In der Regel hat er jeden Tag 6 Lektionen. Etwa um 14.00 Uhr ist er wieder zu Hause in Müstair. Dann bleibt ihm noch Zeit für die Hausaufgaben und für seine Hobbys. Seit drei Jahren arbeitet er an einem Dokumentarfilm über den Bartgeier in den Alpen. Daneben ist Lucas Pitsch als Schlagzeuger und Perkussionist der Brass Band Müstair und eines Gospelchores im Südtirol tätig. Abwechslung im Schulunterricht Mit Freude erwähnt Lucas auch das Begleitprogramm der Schule. So wird jedes Jahr ein mehrtägiger Ausflug organisiert, bei dem man Gelegenheit hat, die Mitschüler, aber auch die Lehrer von einer anderen Seite kennen zu lernen. Positiv für Lucas war auch, dass er dabei Italien kennen lernen konnte. So führte eine Reise nach Ravenna, die andere nach Florenz. Dieses Jahr findet ein Schüleraustausch mit Portugal statt. Im Februar besuchten junge Portugiesen den Vinschgau und im Mai werden die Vinschger zusammen mit dem Schweizer Kollegen für eine Woche nach Portugal fahren. Das Treffen in Südtirol stand unter dem Motto „Die Kultur im Vinschgau“ und bot Lucas die Gelegenheit, mit einer extra dafür geschriebenen Fach­arbeit „Die rätoromanische Sprache und Kultur“ den Mitschülern auch einen Blick über die Grenze zu den Rätoromanen im Val Müstair zu verschaffen. Gesprochen werde bei solchen Treffen Englisch. Nächstes Jahr hofft Lucas Pitsch das Realgymnasium in Schlanders mit der Matura in der Tasche abschließen zu können. Dank der bilateralen Verträge ist diese auch in der Schweiz gültig. Später möchte er eine Tätigkeit als Kameramann beim Fernsehen finden. Der Besuch des Gymnasiums im Vinschgau ist für Münstertaler Schüler eine durchaus prüfenswerte Option. Nebst wenigen negativen hat es auch sehr viele positive Aspekte. Denken wir nur an Kulturaustausch, der hiermit ermöglicht wird, aber auch an die Erweiterung und die Festigung der gegenseitigen Beziehungen.
Jon Manatschal

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