Für eine fossilfreie Zukunft: Südtirols Gemeinden müssen Verantwortung übernehmen
Mit zwei Beschlüssen vom 25.06.2025 hat das Verwaltungsgericht Bozen dem Aussetzungsantrag der Südtirolgas AG und Selgas GmbH stattgegeben und zentrale Bestimmungen des Dekrets des Landeshauptmanns 6/2025 vorläufig ausgesetzt. Was bedeutet das für Südtirol und seine Bürger und Bürgerinnen?
- Das D.LH. 6/2025 – ein Rückblick
Der Klima Club Südtirol begrüßt das D.LH. 6/2025 in Bezug auf die darin enthaltenen neuen Rahmenbedingungen zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und die klimarelevanten Optimierungen im Zuge des Heizungstausches.
Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Maßnahmen zur Energieeffizienz
Das Dekret schaffte die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2024/1275 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD), deren Umsetzungspflicht bis 29.05.2026 für Staat, Regionen und Autonome Provinzen besteht. Südtirol hatte mit dem D.LH. 6/2025 ein klares Zeichen gesetzt und setzte wichtige Maßnahmen der EU-Verordnung noch vor Italien um.
Das Dekret verpflichtet grundsätzlich beim Austausch von Heizsystemen zur Einhaltung hoher Energieeffizienzstandards und fördert gleichzeitig erneuerbare Heizlösungen wie Wärmepumpen oder den Anschluss an effiziente Fernwärmenetze. Als Anreiz bietet das Land, unter bestimmten Voraussetzungen, Förderungen. Zudem schreibt das Dekret die Installation von Photovoltaikanlagen bei Neubauten und größeren Sanierungen verpflichtend vor, sofern technisch möglich. Dies führt zu einer verstärkten Eigenversorgung mit erneuerbarer Energie und senkt die Stromkosten dauerhaft.
Kritik und fehlende Kontrollmechanismen
Kritisch gesehen werden zwar einige bürokratische und rechtliche Hürden, welche leider im Dekret des Landeshauptmanns erhalten blieben (z.B. Notwendigkeit von Änderungen von Durchführungsplänen zwecks Anwendung des Energiebonus, anstelle einer landesweiten einheitlichen Regelung) und die fehlenden Kontrollmechanismen, aber in Bezug auf Klimaschutz und Energiewende sind die von der EU vorgegebenen Maßnahmen sicherlich wichtig: „Der Klima Club Südtirol hält diese Maßnahmen für sehr wichtig. Jetzt ist die Zeit, gemeinsam – Handwerker, Planer, Gesetzgeber und die Zivilgesellschaft – alle Kräfte zu mobilisieren, um die Zahl fossiler Heizsysteme, die in Südtirol noch bei rund 80.000 liegt, bis Ende 2026 so weit zu reduzieren wie nur irgend möglich. Andernfalls drohen vielen Haushalten ab 2027 erhebliche Kostensteigerungen“, so der Klima Club Südtirol.
Trotz Kritik und trotz der Mängel des Dekrets: Mit diesem Dekret und den neuen Rahmenbedingungen für den Bereich Heizen und Energie zeigte Südtirol Verantwortung – gegenüber der Umwelt, dem Klima und seinen Bürgerinnen und Bürgern.
Das D.LH. 6/2025 – ein Ausblick
Wie oben erwähnt, wurde das D.LH. 6/2015 nun vom Verwaltungsgericht Bozen teilweise und vorläufig ausgesetzt. Konkret betroffen sind 2 zentrale Bestimmungen: Art. 4 Abs. 7 (betrifft den Austausch von Heiz- und Kühlsystemen in bestehenden Gebäuden) sowie Art. 4 Abs. 3 lit. d) (betrifft Auflagen für neue Gebäude).
Das Gericht sah in dieser ersten Phase des Verfahrens „konsistente Anhaltspunkte für einen möglichen Rechtsverstoß“ und stellte zudem fest, dass die sofortige Anwendung der Vorschriften einen schweren und irreparablen Schaden durch Umsatzeinbußen für die Unternehmen, die Rekursstellerin Südtirolgas AG und Selgas GmbH, nach sich ziehen würde. Die Sachverhandlung, nach welcher wohl das definitive Urteil ergehen wird, ist für den 28.01.2026 anberaumt. Ob das Dekret dann in dieser Form erhalten bleibt, ist offen.
Wärmewende statt fossiler Abhängigkeit
Seit Jahren machen Umwelt- und Klimaschutzvereine auf die problematischen Verflechtungen zwischen den Gemeinden und der fossilen Energieindustrie aufmerksam: 51% der Anteile am Gesellschaftskapital der Südtirolgas AG sind im Besitz der Selfin GmbH, ein Zusammenschluss von 112 Südtiroler Gemeinden. Südtirolgas und damit auch die Südtiroler Gemeinden verdienen weiterhin an fossilen Energieträgern, wie Erdgas – und das, obwohl klar ist, dass fossile Verbrennung maßgeblich zum Klimawandel beiträgt. Anstatt den notwendigen Ausstieg aus der fossilen Verbrennung zu beschleunigen, behindert Südtirolgas und damit indirekt auch die 112 Gemeinden Südtirols mit den Rekursen aktiv die Klimaschutzmaßnahmen des Landes.
Suggeriert wird dabei, es gäbe eine Zukunft für die fossile Energie und dass diese für die „wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit“ notwendig sei. Das Gegenteil ist der Fall: Abgesehen von der notwendigen Energiewende aus Klimaschutzgründen, werden aufgrund der EU-Richtlinien all jene, die ab 1.1.2027 noch mit Gas heizen, große finanzielle Nachteile erleiden.
Die Argumente der Fossillobby versuchen den Erhalt eines überholten Systems zu rechtfertigen, das Umwelt, Klima und langfristig auch soziale Gerechtigkeit gefährdet. Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit darf nicht losgelöst von ökologischer und sozialer Verantwortung gesehen werden – warme Wohnungen lassen sich längst auch ohne Gas sicher und effizient beheizen. Die höheren Investitionskosten für klimafreundliche Alternativen relativieren sich durch Förderungen, geringere Betriebskosten und Klimavorteile deutlich. Auch scheinbare Alternativen wie Fernwärme mit Erdgas oder Biomethan können das große Gasnetz nicht rechtfertigen – sie sind nur lokale Ergänzungen, keine tragfähige Lösung für eine fossilfreie Zukunft.
Ein Appell an die Gemeinden
Der Klima Club Südtirol fordert die Gemeinden auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Statt die fossile Abhängigkeit künstlich zu verlängern, sollten sie ihre Bürger und Bürgerinnen aktiv beim Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme unterstützen. Die technischen Lösungen sind vorhanden, Förderinstrumente existieren, und die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen Planungssicherheit. Südtirols Gemeinden stehen an einem Scheideweg: Entweder sie bleiben Teil des Problems – oder sie werden endlich Teil der Lösung.
Klima Club Südtirol