Neues Gesetz für Raum und Landschaft: Raubbau am Kapital Natur- und Kulturlandschaft

Neues Gesetz für Raum und Landschaft: Raubbau am Kapital Natur- und Kulturlandschaft

In den letzten Tagen wurden im zweiten Gesetzgebungsausschuss schon wieder eine Vielzahl von Änderungen diskutiert. Die geplanten Änderungen erhöhen nochmal massiv den Druck auf die Natur- und Kulturlandschaft und stellen vielfach Einzelinteressen vor das Gemeinwohl.

- „Wer den Kapitalstock gefährdet, betreibt Raubbau“, betonte der Wirtschaftsprofessor Gottfried Tappeiner bei der gestrigen Tagung „Nachhaltigkeit im ländlichen Raum“ der Plattform Land. Das größte Kapital Südtirols ist seine einmalige Natur- und Kulturlandschaft. Sie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für Tourismus, Landwirtschaft und vor allem für die gute Lebensqualität in Südtirol. Doch genau dieses Kapital wird mit dem neuen Gesetz für Raum und Landschaft (GfRuL) und den geplanten Änderungen aufs Spiel gesetzt.

Programmiertes Chaos
Das Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Juli war – gelinde gesagt – chaotisch (siehe dazu Südtiroler Wirtschaftszeitung 9.10.2020). Unklare Bestimmungen und fehlende Durchführungsverordnungen stellen die Gemeinden vor schier unlösbare Aufgaben. Damit die Gemeinden trotzdem weiterarbeiten können, enthalten das GfRuL und die geplanten Änderungen eine Vielzahl von Übergangsbestimmungen, die allerdings voller Schlupflöcher für Einzel- und Lobbyinteressen sind. So gelten zum Beispiel bis zur Verabschiedung der Gemeindeentwicklungsprogramme bereits zehn zusammenstehende Häuser als geschlossene Siedlung. Damit ist es, obwohl das neue GfRuL immer wieder als wirksames Mittel gegen die Zersiedelung und den Flächenverbrauch dargestellt wird, weiterhin möglich, neue Tourismuszonen und dergleichen mitten im Grünen auszuweisen.

Mit den geplanten Änderungen bekommen Bürgermeister und Gemeindeausschüsse noch mehr Möglichkeiten, die Gemeindeentwicklungsprogramme hinauszuschieben und mit den Übergangsbestimmungen ohne Berücksichtigung der Gemeinderäte, Bürger und Kontrollinstanzen Entscheidungen zu treffen. Das erhöht den Druck auf die Gemeindevertreter enorm und liefert sie den Interessen Einzelner aus. Das Gemeinwohl bleibt dabei allerdings auf der Strecke.

Tourismus ohne Grenzen
Mit den geplanten Änderungen am neuen GfRuL soll eine der letzten Einschränkungen für den maßlosen Ausbau der Tourismusinfrastruktur fallen. Die Tourismusentwicklungskonzepte der Gemeinden müssen nun nicht mehr eine „Höchstbettenanzahl“ angeben. Damit wird die ohnehin durch die Coronakrise stark beeinträchtigte Tourismuswirtschaft einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt. Sowohl Tourismusmarketinggesellschaften wie die IDM als auch Wirtschaftsexperten wie Gottfried Tappeiner erklären die Landschaft und die Authentizität zu den größten Stärken Südtirols für den Tourismus.

Mit dem Streichen der letzten Regeln für eine Bettenobergrenze im neuen GfRuL setzt die Landesregierung genau diese Stärken aufs Spiel.

Neue Ausnahmeregelungen für landwirtschaftliche Betriebe?
Für Bauern ist der verantwortungsbewusste Umgang mit Kulturgrund grundsätzlich ein wichtiges Anliegen, doch mehrere Änderungsvorschläge für das GfRuL höhlen den Schutz vor Zersiedelung massiv aus. Laut nun gültigem Gesetz darf außerhalb der Siedlungsgrenzen neue Baumasse nicht vom geschlossenen Hof abgetrennt werden. Doch Änderungsvorschläge sehen Ausnahmeregelungen zur „Eigentumsbereinigung oder für betriebliche Erfordernisse“ vor. Ebenso soll die Verlegung von Hofstellen erleichtert werden. Außerdem sollen landwirtschaftliche Betriebe, sogar in mit Bauverbot geschützten Gebieten, riesige unterirdische Kubatur errichten dürfen. Solche Regelungen öffnen der Spekulation und Zersiedelung Tür und Tor.

Absolut abzulehnen ist zudem das Bestreben, Bagatelleingriffe auch in Naturparken zu erlauben, genauso wie die Nutzung von konventionierter Baumasse für Gästezimmer und Ferienwohnungen. Dies steht dem eigentlichen Sinn und dem Zweck des Geförderten Wohnbaus diametral entgegen.

Hemiatpflegeverband Südtirol

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