Psychische Erste Hilfe – ein Muss für jeden Therapeuten

Wenn jemand schwer verunglückt, kann sein Leben in Gefahr sein. Dann helfen wir, indem wir die Atemwege des Betroffenen freihalten und den Kreislauf unterstützen – er soll überleben, bis die Retter vom Dienst da sind. Wir nennen das „Erste Hilfe“.

- Es gibt auch massives psychisches Unglück – so intensives, dass jemand glaubt, er muss den Tod suchen. Wenn wir in solchen Situationen helfen, betreiben wir Psychische Erste Hilfe. Die Grundregeln dafür kann jeder lernen. Gut diesbezüglich ausgebildet aber müssen Psychologen und Ärzte sein, die mit gefährdeten Menschen häufig zusammenkommen, und günstig intervenieren sollen. In Kürze entsteht ein psychologisches Krisentelefon im Land. Dann müssen Psychologen am Telefon psychische Erste Hilfe leisten können. Und ihre Kollegen untertags in den Psychologischen Diensten auch Dringlichkeiten behandeln. Wie geht das?
Überlebenden von Suizidversuchen erzählen ihren Therapeuten Vieles darüber. Sie wollten in aller Regel allein sein beim Durchführen ihrer Tat. Deshalb die erste Grundregel zur Rettung eines anderen Lebens: Bleiben Sie da, legen Sie den Hörer nicht auf, gehen Sie nicht weg. Psychisch gesehen halten zweierlei Maßnahmen praktisch immer am Leben: In Beziehung zu stehen mit wichtigen, lieben Menschen, also sozial vernetzt zu sein. Und Vorhaben, Pläne und Entwürfe zu haben, die man realisieren will, also vernetzt zu sein mit der Zukunft. Beides kann man auch mit Verzweifelten versuchen.
Wie kann ich schwer Erschütterten gegenübertreten? Sie dürsten vielleicht nach Beziehung, und fühlen sich verlassen. Da bedeutet Kontakt: Blick in ihre Augen, Lächeln, vielleicht auch ganz sanfte, neutrale Berührung, an der Hand oder Schulter zum Beispiel. Der Hinterkopf geht auch. Der Rücken, zwischen den Schulterblättern, wo man selbst mit der Hand nicht hinkommt, ist besonders berührungssensibel. Das ist die Stelle für den Fall, dass er oder sie auf andere Berührungen nicht reagiert. Das ist der Ort, an dem das Gehirn des Betroffenen blitzartig weiß: Es ist jemand anderer, der mich jetzt berührt, und da bin ich verletzlich. Jetzt muss ich etwas tun. Sofort danach sollte der Therapeut oder Helfer zu ihm sprechen. Radikal von dem ausgehen, was er selbst fühlt. Das ist der beste und ehrlichste Weg. „Sie kommen mir extrem bedrückt vor, und ich mache mir Sorgen um Sie. Ist Ihr Leben in Gefahr?“ ist da eine der kürzesten Formeln, um etwas mehr Gewissheit zu erlangen. Lassen Sie als Helfer oder als Therapeut bitte nicht locker. Wenn keine Antwort kommt, schildern Sie wieder Ihre eigene Lage: „Jetzt weiß ich gar nichts, und bin noch alarmierter. Bitte sagen Sie mir genau, was mit Ihnen los ist.“
Eine Antwort ist nicht immer verbal. Auch Zusammenkauern, Zittern, Weinen, Fäuste Ballen, sich Wegwenden können stumme Antworten des Körpers sein. Sie sind nicht ganz eindeutig, aber Helfer und Therapeuten können sie interpretieren. Sie fordern die Therapeuten dazu auf, zu vermuten, was geschieht: „Was bedeuten Ihre Tränen? Hat man Sie schwer verletzt?“
Wenn die Antwort bestätigend ausfällt, kann der Helfer Vieles tun, je nachdem, wieviel Zeit und Energie er zur Verfügung hat und ob er bereits einen Psychischen Erste Hilfe-Kurs besucht hat. Dort lernt er seine eigene Einstellung zum Suizid kennen, lernt Methoden der Suizidvorbeugung und der Krisenintervention.
Das Südtiroler Institut für Systemische Forschung und Therapie bietet am Mittwoch, den 5. April 2023 zum zweiten Mal ein Kurzseminar in Psychischer Erster Hilfe für Psychologen, Ärzte und Psychotherapeuten an. Der bekannte Psychiater, Suizidexperte und systemische Psychotherapeut Roger Pycha wird dabei das Einmaleins der Krisenintervention in Kurzform lehren. Die fachliche Fortbildung findet in Präsenz im Sitz des Instituts für Systemische Therapie, in der Crispistraße 15 A in Bozen, von 9 bis 13 Uhr statt, dabei sind, sofern die Zeit es zulässt, auch Rollenspiele und konkrete Übungen vorgesehen. Anmeldung über www.IARTS.bz. Es ist eines der gezielten Angebote des Südtiroler Netzwerks zur Suizidprävention und wird von der Europäischen Allianz gegen Depression in 16 europäischen Staaten verbreitet.

Südtiroler Sanitätsbetrieb

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