Verbreitung des Borkenkäfers bereitet weiterhin große Sorgen
600 Hektar betroffene Waldfläche am Beginn des Jahres 2022, 5400 Hektar im Oktober: die Verbreitung des Borkenkäfers hat ungeahnte Ausmaße angenommen, Südtirols Wälder sind ernsthaft in Gefahr. Und: Ein Ende ist leider nicht in Sicht. Bei einer Anhörung im II. Gesetzgebungsausschuss des Südtiroler Landtags wurde eine Zwischenbilanz gezogen.
- Der Vorsitzende des II. Gesetzgebungsausschusses Franz Locher sprach eingangs von einer extremen Verbreitung des Schädlings in diesem Jahr: „Man geht davon aus, dass wir einen jährlichen Bedarf an Brennmaterial in den 76 Fernheizwerken des Landes und für private Nutzung von etwa eineinhalb Millionen Schüttraummeter haben. Die Schadholzmenge in diesem Jahr liegt aber bei vier bis fünf Millionen Kubikmetern.“ Allein schon wegen dieser enormen Menge und auch wegen fehlender Facharbeiter sei die komplette Aufarbeitung des Schadholzes nicht bewältigbar, so Locher. Die Prognosen für die Zukunft seien düster und nur eine einheitliche Vorgehensweise werde zielführend sein.
Besonders betroffen von den Auswirkungen des Schädlingsbefalls ist die Berglandwirtschaft, die neben explodierenden Kosten bei der Produktion von Milch und anderen Lebensmitteln nun auch noch eine weitere Einnahmequelle, sprich die Holzbringung, in Gefahr sieht. Der Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes Leo Tiefenthaler sprang bei der Anhörung für die Waldbesitzer in die Bresche und forderte weitere Unterstützungsmaßnahmen für die überaus schwierigen und vor allem gefährlichen Aufräumarbeiten in den Wäldern. Auch warnte er vor einer langfristigen Veränderung des Landschaftsbildes und einem Verlust der Schutzwaldfunktion. Für Tiefenthaler drohe der Borkenkäferbefall zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu werden.
Der Abteilungsdirektor für Forstwirtschaft Günther Unterthiner nahm zu den Ursachen der Schädlingsexplosion Stellung, die nicht so sehr dem Jahrhundertsturm Vaia zuzuschreiben sind, sondern vielmehr auf die diffusen Schneedruckschäden aus den Jahren 2019 und 2020. Nicht große Flächen, sondern viele kleine, zum Teil schwer zugängliche Einzelflächen hätten die zeitnahe Entnahme in den betroffenen Gebieten schier unmöglich gemacht. 2018 fielen etwa 1,6 Millionen Festmeter dem Sturmtief Vaia zum Opfer, 2019 und 2020 noch einmal etwa zwei Millionen Festmeter dem Schneedruck. Bis dato konnten 2,8 Millionen Festmeter aufgearbeitet werden. Derzeit findet ein intensiver Austausch mit Fachleuten statt und auch die Waldbesitzer und die Bevölkerung werden demnächst bei Informationsabenden über die Situation informiert. Unterthiner zog in einem Vergleich mit anderen Ländern und Regionen auch eine positive Bilanz über die Fördermaßnahmen.
Der Borkenkäfer ist mit einer Länge von etwa 5 Milimetern sehr klein, aufgrund seiner Beschaffenheit und Lebensweise aber auch sehr widerstandfähig. Alessandro Andriolo, Mitarbeiter im Amt für Forstplanung, beschrieb den Schädling und seine Vermehrung, die aufgrund von ausreichend befallstauglichem Material sehr schnell voranschreiten kann. Das wechselwarme Insekt braucht eine Lichtdauer von mindestens 15 Stunden und eine Temperatur von 16,5 Grad, um sich auszubreiten. Eine niedrigere Durchschnittstemperatur als in diesem Sommer könnte die weitere explosionsartige Verbreitung des Borkenkäfers etwas eindämmen, so Andriolo.
Derzeit wird fieberhaft an der weiteren Vorgehensweise gearbeitet, wobei der Schwerpunkt zweifelsohne beim Objektschutzwald, der in Südtirol 24 Prozent der Waldflächen darstellt, liegen wird. Franz Locher und der II. Gesetzgebungsausschuss des Südtiroler Landtags setzen auch auf ausländische Experten: „Am 23. November wird eine weitere Anhörung des zweiten Gesetzgebungsausschusses stattfinden, mit einer Reihe von namhaften Experten aus dem Ausland, die sich bereits seit geraumer Zeit mit dem Borkenkäfer beschäftigen und mit einer Vielzahl an Erfahrungswerten im Gepäck zu uns kommen werden. Es gilt Synergien zu schaffen, um die Schäden zu minimieren und um zu retten, was noch zu retten ist.“
SVP