Johannes Abart (links) mit seinem Vater Lorenz.
Johannes auf dem Ortsschild von Schleis. Familie und Freunde warten, bis er sich herunterfallen lässt.
Die Flasche mit den vielen guten Wünschen kam nach 4 Jahren wieder an Tageslicht.
Familie, Freunde und Bekannte freuten sich über die Heimkehr des Wandergesellen.
Zu Fuß ging es am Reschensee und dem versunkenen Kirchturm von Alt-Graun vorbei in Richtung Schleis.

4 Jahre, einen Monat und 11 Tage auf der Walz

Am 27. Juni kehrte Johannes Abart in sein Heimatdorf Schleis zurück und legte die Kluft, die typische Kleidung der Wandergesellen, wieder ab.

Publiziert in 25 / 2020 - Erschienen am 23. Juli 2020

Schleis - 2016 hatte sich der gelernte Fliesenleger Johannes Abart dem „Freien Begegnungsschacht“ angeschlossen. Dies ist eine von mehreren Vereinigungen von Handwerkern, die nach mittelalterlicher Tradition auf die Walz gehen, um im Beruf und fürs Leben zu lernen. Sie verpflichten sich, in dieser Zeit nur von dem zu leben, was sie für ihre Arbeit oder geschenkt bekommen. Kein Geld darf für das Reisen und für Übernachtung ausgeben gegeben werden.

Bannkreis von 50 Kilometern

Um den Heimatort wird ein 50 Kilometer weiter Bannkreis gezogen, der während der gesamten Zeit der Walz nicht überschritten werden darf. Auch auf moderne Errungenschaften wie beispielsweise ein Handy verzichten sie. Jeder Wandergeselle verpflichtet sich für mindestens 3 Jahre und einen Tag. Johannes Abart hatte sich entschieden, auf den Tag genau 4 Jahre, nachdem er aufgebrochen war, am 16. Mai 2020 wieder nach Hause zurückzukehren. Doch Corona machte ihm einen Strich durch die Rechnung.

Corona verzögert „Heimgeherei“

Wegen der geschlossenen Grenzen hätte er ohne die Begleitung anderer Wandergesellen alleine die Bannmeile überschreiten und nach Hause zurückkehren müssen. Damit hätten auch alle die Rituale nicht vollzogen werden können, die mit der so genannten „Heimgeherei“ verbunden sind. So entschloss er sich, noch etwas zuzuwarten und erst am 27. Juni heimzukehren. Bereits eine Woche zuvor hatte er gemeinsam mit 7 Wandergesellinnen und -gesellen die Bannmeile überschritten und war über das Obere Gericht zum Reschenpass gelangt. Tag für Tag ging es näher Richtung Schleis. Von Reschen über Graun nach St. Valentin a.d.H. und in die Spinaid, wo die Gruppe bei herrlichem Sommerwetter ein paar Tage verbrachte.

Warten am Schleiser Ortsschild

Am Samstag, 27. Juni, war es dann so weit: Familie, Freunde und Bekannte erwarteten um 16 Uhr Johannes Abart und die Wandergesellen am Schleiser Ortsschild, wo ein paar Aufkleber noch heute an seine „Losgeherei“ im Jahr 2016 erinnern. Doch alle mussten sich gedulden. So wie vor 4 Jahren der Abschied von Familie und Freunden hinausgezögert worden war, so wurde nun der Abschied von den Wandergesellen in die Länge gezogen. Denn ist ein Wandergeselle erst über das Ortsschild geklettert und hat sich auf der anderen Seite von Familie und Freunden auffangen lassen, dann ist die Zeit der Walz vorbei. So war es auch für Johannes Abart.

Vergrabene Schnapsflasche hervorgeholt

Zu den Ritualen einer „Heimgeherei“ gehört auch, dass die Schnapsflasche wieder ans Tageslicht geholt wird, die anlässlich der „Losgeherei“ in der Nähe des Ortsschildes vergraben worden war. Diese Arbeit mussten dieses Mal die Junggesellen Josephina, Johanna und Felix verrichten. Die Drei waren von Johannes in die Walz eingeführt und während der ersten Monate begleitet worden. Mit der Schnapsflasche wurde auch eine weitere Flasche ausgegraben. Sie enthielt eine Fülle von Zetteln mit guten Wünschen für Johannes und seine Walz.

Zurück ins normale Leben

Die Party, die bei solchen Gelegenheiten üblich ist, musste coronabedingt entfallen und so waren nur noch wenige dabei, als beim Elternhaus von Johannes der letzte Schritt von der Walz in das normale Leben vollzogen wurde. Der Wandergeselle tauschte Stück für Stück seine Kluft gegen Alltagskleidung und aus „Fuge“ - wie er in Anlehnung an seinen Beruf als Fliesenleger von den Wandergesellinnen und -gesellen genannt wurde – wurde wieder Johannes. Die Verbindung zu den Wandergesellen bleibt aber weiterhin bestehen. Denn als so genannter „Einheimischer“ bleibt er ein Anlaufpunkt für Wandergesellen auf der Walz. Zu ihm können sie jederzeit kommen und bei ihm finden sie jederzeit Aufnahme. In der Zeit der Wanderschaft hat Johannes Abart viel gesehen und viel erlebt. Und auch wenn nicht immer alles glatt lief, diese Zeit prägt sein Leben nachhaltig. Eines ist für ihn aber gewiss: „Wenn ich nicht schon auf der Walz gewesen wäre, würde ich jetzt losgehen.“

Redaktion

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