Geometer Werner Stecher an seinem letzten Arbeitstag im Landesbauhof Lichtenberg.

Abschied von 380 km Straßen

Publiziert in 30 / 2014 - Erschienen am 3. September 2014
„Kommt ein Projekt oder eine Arbeit gut an, ist es das Verdienst der betreffenden Gemeinde, wenn nicht, ist der Stecher der schlechte Mensch“ Lichtenberg - Eine kleine Baracke, ein Mechaniker, ein Schmied und ein blutjunger Geometer. Das waren die Voraussetzungen, unter denen Geometer Werner Stecher aus St. Valentin am 1. Jänner 1979 als Zonendirektor die Leitung des Landesbauhofs Lichtenberg übernahm. Die Straßenarbeiter nahmen die Arbeitsgeräte damals von zuhause mit. „Man kann sich heute kaum noch vorstellen, unter welchen Umständen damals gearbeitet wurde. In Langtaufers zum Beispiel wurde der Schnee mit einem Unimog 411 geräumt. Es gab keine Heizung in diesem Fahrzeug. Wenn der Fahrer aus dem Fenster schaute, hingen ihm Eiszapfen vom Gesicht.“ Es klingt aber auch ein bisschen Wehmut mit, wenn Werner Stecher von früher erzählt. der Vinschger besuchte ihn am 29. August, dem letzten Arbeitstags des Amtsdirektors. „Ginge es nach mir, wäre ich noch länger geblieben. Ich war immer ein Arbeitsmensch und könnte ohne weiteres noch weiterhin arbeiten“, verrät Stecher und schaut auf die Kartone, in die er seine Sachen gepackt hat. Seit 1979 bis heute hat sich viel getan und vieles geändert. Stecher: „Der Straßendienst Vinschgau ist zu einem modernen Dienstleistungsbetrieb geworden.“ 75 Bedienstete und 5 Büroangestellte betreuen das 380 km umfassende Straßennetz von der Töller Brücke bis zum Reschenpass. Neben der Zentrale in Lichtenberg gibt es je 6 Stützpunkte und Sammelstellen im Tal. Großen Wert legte Stecher immer auf ein gutes Klima im Betrieb und das Arbeiten als Mannschaft. Einschneidende Ereignisse An besonderen Herausforderungen für die Mannschaft fehlte es während der Amtszeit von Werner Stecher nicht. Zu nennen sind nicht nur die Unwetter zu Pfingsten 1983, die im ganzen Vinschgau Schäden anrichteten, sondern auch die Unwetterkatastrophe von 1987 in Martell, der große Steinschlag von 1997 in Schnals und zuletzt der Steinschlag im Jänner 2014 in Taufers i.M., der den raschen Bau einer neuen Umfahrung notwendig machte. Bei den Unwettern 1983 war Stecher noch ein junger Geometer: „Wir mussten ohne Telefon, Handy oder Funk arbeiten und waren auch auf Maschinen von auswärts angewiesen.“ Einschneidende Änderungen brachte der Übergang der Staatsstraßen an das Land am 1. Juli 1998. Dass sich der Zustand der ehemaligen Staatsstraßen ebenso einschneidend verbessert hat, wird allgemein anerkannt und bestätigt. Hätte man zum Beispiel entlang der Passstraße auf das Stilfserjoch nicht Jahr für Jahr Arbeiten durchgeführt, wäre die Straße laut Stecher heute nicht mehr befahrbar. Detail am Rande: Seine letzte Dienstfahrt unternahm Werner Stecher am vergangenen Samstag in der Früh. Er fuhr auf das Stilfserjoch, um im Vorfeld des Radtages den Zustand der Straße zu begutachten. Nach dem Übergang der Staatsstraßen gab es großen Nach- und Aufholbedarf. Nicht gelten lässt Stecher die Kritik, wonach z.B. die Hauptdurchzugsstraße zu einem geschlossenen „Kanal“ ohne seitliche Haltemöglichkeiten geworden sei: „Es ging und geht in erster Linie um Sicherheit. Außerdem wurde entlang der Straße viel Müll abgelagert. Auch heute noch müssen wir ziemlich viel Dreck einsammeln.“ „Kein Projekt ohne Kritik“ Als Straßen-Chef hatte Stecher natürlich sehr oft mit Gemeindeverwaltern zu tun. Nicht selten kam es dabei auch zu Konflikten und zu Kritik seitens von Bürgermeistern und Verwaltern. Stecher dazu: „Die Gemeinden kamen manchmal mit unhaltbaren Forderungen daher, die nicht erfüllbar waren. Für mich war immer wichtig abzuwägen, ob ein Projekt sinnvoll und finanzierbar ist, aufbauend auf den Grundsätzen der Sicherheit und Ordnung.“ Allerdings: „Wenn jemand ordinär daher kam, war auch ich ordinär“, räumt Stecher selbstkritisch ein. Er für seinen Teil habe immer versucht, geradlinig zu sein und ungerechtfertigten Kritiken standzuhalten. „Wenn Verwalter kamen und fragten, wie wir dies oder jenes Vorhaben miteinander umsetzen könnten, gab es kein Problem.“ Allerdings sei es oft so gewesen, dass sich Verwalter das Verdienst guter Projekte selbst zuschrieben, „und wenn etwas nicht gut war oder nicht gemacht werden konnte, war der Stecher der schlechte Mensch.“ Er kenne kein Projekt oder keine Arbeit, bei der es keine Kritik gegeben habe. Der Einsatz, den die gesamte Straßendienst-Mannschaft erbringe, werde oft unterschätzt. Stecher: „Keiner sagt zum Beispiel öffentlich, dass der Giro d’Italia nicht stattfinden könnte, wenn unsere Arbeiter im Vorfeld nicht tagelang Schnee räumen, und das zum Teil unter Lebensgefahr. Oder dass die Passstraße auf das Stilfserjoch vier Tage lang vor dem Radtag gesäubert und herausgeputzt wird.“ „Ich lade jeden ein, auf der Straße zu arbeiten“ Auch vor Kritiken, wonach die Straßenarbeiter nicht gerade „Schwerstarbeit“ leisten, nimmt Stecher seine Mannschaft in Schutz: „Ich lade jeden Kritiker ein, einen Monat lang auf der Straße zu arbeiten. Auch ‚nur’, um den Verkehr zu regeln. Dann wird er bald sehen, wie ‚freundlich’ manche Autofahrer sind.“ Die Palette reiche von Beschimpfungen bis hin zum Stinkefinger. Kritiken, wonach Straßenarbeiten immer und überall zum falschen Zeitpunkt ausgeführt würden, seien so gut wie normal: „Man müsste nur nachts arbeiten und dann, wenn bestimmte Personen nicht unterwegs sind.“ Was Stecher stark beanstandet, ist das „moderne“ Verhalten so mancher Verkehrsteilnehmer: „Wenn irgendetwas passiert, wird sofort versucht, Schaden einzuklagen und Geld herauszuholen.“ Mit Sorge beobachtet er auch die ausufernde Bürokratie, die teils unvernünftigen Bestimmungen in punkto Arbeitssicherheit, die knapper werdende finanzielle Ausstattung und die immer größer werdende persönliche Verantwortung, wie sie z.B. auch die Vorarbeiter zu schultern haben. Von diesen hat sich Stecher ­übrigens am Montag verabschiedet. Im Oktober wird der ehemalige Straßendienst-Chef 66 Jahre als. Vor seiner Tätigkeit im Vinschgau hatte er 4 Jahre lang im Amt für Geologie und Baustoffprüfung in Kardaun gearbeitet und anschließend daran 3 Jahre lang als Baustellenbetreuer im Pustertal. An die Zeiten, als er als Amtsdirektor und Geometer im Vinschgau eigenhändig Projekte entwarf, die Baustellen betreute und abrechnete, denkt er gerne zurück. Oft hat er auch zu Hause gearbeitet. Großen Dank zollt er seiner Familie, die oft auf ihn verzichten musste, und natürlich seiner gesamten Mannschaft. Seit dem 1. September ist sein bisheriger Stellvertreter, Ingenieur Bauer Stephan, geschäftsführender Amtsdirektor. „Wenn jemand meinen Rat braucht, stehe ich auch weiterhin über mein Privathandy zu Verfügung“, sagt Stecher. Unterwegs sein werde er natürlich weiterhin, „aber mit dem Privatauto, in dem man mich im Gegensatz zum Dienstauto nicht sofort erkennt.“ Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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