BM und Bezirkspräsident Dieter Pinggera
LH Arno Kompatscher stellte Südtirols Weg in die Nachhaltigkeit vor.
Das Interesse an der Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung war groß. Auch viele Gemeindeverwalter aus dem ganzen Tal waren gekommen.

Alle mitnehmen

Nachhaltigkeits-Tour des Landes macht Station in Schlanders. LH Kompatscher: „Wir werden vieles neu und anders machen und einiges auch lassen müssen.“

Publiziert in 6 / 2022 - Erschienen am 29. März 2022

Schlanders - „Wir gestalten Zukunft. Gemeinsam“: So lautete nicht nur das Motto der Informationsveranstaltung zur Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung, die am 17. März im Kulturhaus in Schlanders stattfand, sondern das war auch die Kernbotschaft von Landeshauptmann Arno Kompatscher. Willkommen geheißen wurde er vom Schlanderser Bürgermeister und Bezirkspräsidenten Dieter Pinggera, der sich auch darüber freute, dass der große Saal fast voll besetzt war. Die Klimakrise, der Schutz der Biodiversität und der sparsame Umgang mit den Ressourcen sind laut Kompatscher drei große Herausforderungen, „die wir nur bewältigen können, wenn wir alle mitnehmen und die Gestaltung der Zukunft gemeinsam in die Hand nehmen.“ In Bezug auf die Klimakrise sei das Land zurzeit dabei, den Klimaplan zu überarbeiten. Den Entwurf dazu habe die Landesregierung vorerst nur zur Kenntnis genommen. Nun liege es an einer unabhängigen Expertenkommission, die 2.865 eingegangenen Änderungsvorschläge und Stellungnahmen zu bewerten und der Landesregierung sodann einen Gesamtvorschlag für die Genehmigung zu unterbreiten. Fest stehe, „dass wir früher klimaneutral werden müssen und wollen als 2050“, sagte Kompatscher.

Naturnahe Landwirtschaft

In Sachen Biodiversität liege einer der Schwerpunkte der Nachhaltigkeitsstrategie in einer möglichst naturnahen Landwirtschaft. Die im Strategiepapier „Landwirtschaft 2030“ festgeschriebenen Ziele sehen eine schrittweise Umgestaltung der Landwirtschaft im Sinne der Nachhaltig vor. Beim Umgang mit den Ressourcen stehe der Grundsatz der Neutralität im Mittelpunkt. Im Vorjahr wurde das weltweite Ressourcen-Budget bis zum 29. Juli aufgebraucht. Die Menschheit hatte bis zu diesem Datum so viel verbraucht, wie die Erde im ganzen Jahr erneuern kann. „Und den Rest des Jahres lebten wir auf Kosten der zukünftigen Generationen“, so Kompatscher. Das Schlüsselwort beim Thema Ressourcen sei die Kreislaufwirtschaft, die im Vinschgau kein Fremdwort sei. Der Grundsatz der Kreislaufwirtschaft hat auch Eingang in die Regierungsprogramme der EU-Staaten und der EU-Kommission gefunden.

Mehr als „nur“ Ökologie

Mehrfach unterstrichen hat Kompatscher, dass es bei der Nachhaltigkeitsstrategie neben der Ökologie noch um viele weitere Bereiche geht, wie etwa um die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Er verwies darauf, dass es den meisten Südtirolern zwar relativ gut geht, „aber es gibt auch bei uns die relative Armut und die absolute Armut.“ Die 17 politischen Ziele, wie sie die Vereinten Nationen für die weltweite Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf wirtschaftlicher, sozialer sowie ökologischer Ebene formuliert haben, bilden auch den Kern der Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung. Die 7 wichtigsten Handlungsfelder auf dem „Weg des Landes in die Nachhaltigkeit“ sind: Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemission; Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft im Kreislaufdenken; soziale Absicherung und Chancengerechtigkeit; Erhaltung des Naturraumes und der Artenvielfalt; Veränderung von Konsumverhalten, Produktion und Bewusstsein; Transparenz und Gerechtigkeit; hochwertige öffentliche Dienste. Nicht nur die Politik und die Wirtschaft sind laut Kompatscher gefordert, „sondern die gesamte Bevölkerung muss an dieser nachhaltigen Entwicklung mitwirken.“ Nachhaltigkeit heiße auch, die Zusammenhänge auf der Welt und die Verbundenheit der gesamten Menschheit zu sehen. 

Nicht von oben herab

Dass die Landesregierung die Nachhaltigkeitsstrategie nicht von oben herab aufzwingen möchte, sondern diesen Weg gemeinsam mit der Bevölkerung gehen will und muss, zeigte sich auch beim Abend in Schlanders. So wurde das Publikum, unter dem sich viele Gemeindeverwalter aus dem ganzen Tal befanden, zu einer mobilen Abstimmung eingeladen. Der aus Wien zugeschaltete Präsident von Eurac Research, Roland Psenner, hatte zuvor die Arbeitsergebnisse eines Eurac-Forschungsteams vorgestellt. Das Team hatte 4 „Zukunftsszenarien für ein nachhaltiges Südtirol 2030+“ überprüft und bewertet. Das Ergebnis: Mit keinem der 4 Szenarien können alle Ziele erreicht werden. Bei der mobilen Abstimmung über die Szenarien sprach sich das Publikum deutlich für eine ressourcenschonende Gesellschaft mit Zusammenhalt, Zusammenarbeit, Gemeinwohl sowie mit sprachlicher und kultureller Vielfalt aus.

Fragen zu Verkehr, Wasser und mehr

Viele der rund 70 digital gestellten Fragen betrafen die Themen Verkehr, Wasser und Landwirtschaft. In punkto Verkehr verwies Kompatscher auf drei Prinzipen: Vermeiden, Verlagern, Verbessern. Von den Verzögerungen bei der Elektrifizierung der Vinschger Bahn sei er zwar „ein bisschen frustriert“, aber es werde nun alles unternommen, „damit wir in die Gänge kommen.“ Der doppelgleisige Ausbau der Bahnstrecke Bozen-Meran mit Gesamtkosten von rund 300 Mio. Euro soll in Zusammenarbeit mit dem Schienennetzbetreiber RFI bis 2032 erfolgen. Zum Thema Bahnverbindung mit der Schweiz sagte Kompatscher, dass dieses Vorhaben im großen europäischen Kontext der Eisenbahnkorridore zu sehen sei, „denn ohne Geldmittel der EU geht es nicht.“ Nun gelte es, „dass wir uns gemeinsam auf Trassen einigen.“ Für sehr wahrscheinlich halte er eine Verbindung Mals-Scuol (27 Kilometer), die über eine Milliarde Euro kosten würde: „Sollte es dazu kommen, wäre Südtirol bereit, für diese ‚bahnbrechende Geschichte’ ca. 350 Millionen Euro zu zahlen, obwohl der Streckenanteil in der Schweiz erheblich länger ist als in Südtirol.“

„Bioregion Vinschgau“ nicht tot

Wenngleich während der Corona-Zeit zu gut wie nichts weiterging, ist das Thema „Bioregion Vinschgau“ nicht vom Tisch. „Landesrat Arnold Schuler hat mir versichert, dass der Dialog gemeinsam mit allen Betroffenen jetzt wieder Fahrt aufnehmen soll“, so Kompatscher. Zum Pflanzenschutz meinte er, „dass moderner Pflanzenschutz so betrieben werden soll, dass es die Gesundheit und Umwelt nicht ruiniert.“ Was die Wasserknappheit im Vinschgau betrifft, speziell die Wassernutzung seitens der Landwirtschaft, sprach sich der Landeshauptmann für den Bau von Speichern und Becken aus. Als konkretes Beispiel nannte Bürgermeister Dieter Pinggera in diesem Zusammenhang das Projekt zur Erweiterung des Speicherbeckens in Schlanders (Priel), „das jetzt einer positiven Entwicklung entgegengeht.“ Speicher und Becken werden grundsätzlich als Ausgleichsmaßen für die Ausweisung von Trockenzonen im Vinschgau angedacht. Zur Frage, ob es wirklich angebracht sei, die großen Gebäude-Riegel auf dem Areal der ehemaligen Drusus-Kaserne, wo sich das Gründungs- und Innovationszentrum BASIS befindet, zu schleifen, meinte Pinggera, dass drei Bewertungsteams bereits vor Jahren einhellig vorgeschlagen hätten, auf dem Areal auch Wohnraum zu schaffen. Die Absicht, die große Riegel abzureißen und ca. 65% des Areals für den Wohnungsbau vorzusehen, stehe nach wie vor. Als die größten Vinschger Nachhaltigkeitsthemen aus seiner Sicht nannte Pinggera den Verkehr, die soziale Gerechtigkeit, das Klima und die Umwelt sowie den demografischen Wandel. Bei einem moderierten Workshop am 18. März konnten Interessierte im Kulturhaus die 4 „Zukunftsszenarien für ein nachhaltiges Südtirol 2030+“ vertiefen und Ideen dazu einbringen.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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