Die Präsenz der „Freunde Krankenhaus Schlanders“ war bei der Bürgerversammlung im CulturForum unübersehrbar.

Arno Kompatscher schenkt reinen Wein ein

Publiziert in 23 / 2015 - Erschienen am 17. Juni 2015
Bürgerversammlung in Latsch. Offene Worte zu vielen Themen. Palette reicht von Krankenhaus bis Pestizid-Debatte. Latsch - Mit den Bürgern und Verwaltern aller Gemeinden bei Bürgerversammlungen auf Augenhöhe diskutieren: das hat sich Landeshauptmann Arno Kompatscher zu Beginn seiner Amtszeit vorgenommen. Am 10. Juni war als 31. der 116 Gemeinden die Marktgemeinde Latsch an der Reihe. Zum Auftakt zeigte Bürgermeister Helmut Fischer mit Hilfe von Bildern Stärken und Schwachpunkte des Hauptortes und der Fraktionen auf und umriss die größten Vorhaben, welche die Verwaltung bis 2020 umsetzen will. Einen Namen gemacht habe sich Latsch als „Sportdorf im Vinschgau“. Als wichtige Standbeine nannte er u.a. den Tourismus, den Obstbau und die Gewerbezone. Auch auf das aktive Dorf- und Vereinsleben ging Fischer ein und auf den kulturellen Reichtum. Nicht verwahrlosen sollten die Dorfkerne. „Autolobby hat das große Sagen“ Bedauerlich sei, „dass das Auto nach wie vor den größten Stellenwert hat.“ Jeder Versuch, den Fußgängern, Radfahrern, älteren Menschen und Müttern mit Kindern mehr Raum zu geben, „ist sehr mühsam und frustrierend.“ Dabei könnten verkehrsberuhigende Maßnahmen mehr Lebensqualität bringen. Vor allem im Dorf Latsch. Derzeit sei es leider so, „dass viele mit dem Auto ins Dorf fahren und sich beklagen, wenn sie keinen Parkplatz finden. Und wenn sie einen finden, heißt es, dass nichts los ist im Dorf.“ Der Schwerpunkt bei den geplanten Bauvorhaben liege eindeutig bei Sanierungsarbeiten. Fischer listete eine ganze Reihe von öffentlichen Bauten und Einrichtungen auf, die zu sanieren bzw. zu erweitern sind: Mittelschule Latsch, die Kindergärten in Latsch, Goldrain und Morter, die Infrastrukturen in der Gewerbezone, der Schießstand in Goldrain und weitere Bauten. Hand in Hand mit der Sanierung des Sportstadions in Latsch soll auch ein Jugendzentrum errichtet werden. Zum Erhalt aller Abteilungen im Krankenhauses Schlanders bekenne sich die Gemeinde Latsch ebenso wie zum Erhalt von Schloss Goldrain als einzigartige Bildungsstätte für Latsch und den gesamten Vinschgau sowie auch zum Erhalt und Ausbau des Sesselliftes auf die Tarscher Alm. Im Bahnhofsgebäude in Latsch, dem einzigen im Vinschgau, das noch nicht saniert ist, soll die Forststation eine neue Heimstatt finden. In punkto Obstbau erinnerte Fischer daran, „dass der integrierte Anbau vor 25 Jahren von Latsch ausgegangen ist.“ Der Obstbau habe seine Hausaufgaben gemacht und werde es weiterhin tun. Die Ängste und Sorgen bezüglich des Einsatzes von Pestiziden und der Abdrift seien ernst zu nehmen. „Die Bauern sollen aber selbst mitarbeiten und mitgestalten. Sie dürfen und sollen sich nicht von anderen etwas aufdiktieren lassen.“ „Nicht so schlecht wie oft dargestellt“ Arno Kompatscher gratulierte der Latscher Gemeindeverwaltung für die Ausrichtung, Strukturen zu sanieren und anzupassen. In Bezug auf die Gesamtsituation von Südtirol bedauerte er, dass Medien oft ein verzerrtes und teils unwahres Bild von Südtirol vermitteln. Die Lage sei objektiv betrachtet viel weniger schlecht, und zwar in vielen Bereichen. In einem kürzlich veröffentlichten Ranking der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OECD) sei Südtirol an der 21. Stelle gereiht. Noch weiter vorne liegen fast nur urbane Räume. Nach 6 Krisenjahren gebe es jetzt in Südtirol wieder „untrügliche Zeichen eines Aufwärtstrends. Das Rad der Wirtschaft beginnt sich wieder zu drehen.“ Die mit dem Staat ausgehandelte Finanzregelung, wonach Südtirol jährlich 476 Millionen Euro nach Rom zahlt, sei der richtige Weg gewesen. Die Tatsache, dass der Staat alle Prozesse, die von anderen Regionen wegen ausständiger Geldzuweisungen aus Rom angestrengt worden waren, gewonnen hat, dürfte auch die letzten Kritiker zum Verstummen bringen. „Ohne unsere Finanzregelung, die übrigens international einklagbar ist, hätten wir heuer Mindereinnahmen von über einer Milliarde Euro“, so Kompatscher. Autonome Befugnisse, die Südtirol seit 2001 verloren hat, gelte es nun laut dem Programm mit der Regierung Renzi Schritt und Schritt zurückzugewinnen. Die Finanzregelung gewähre vor allem Planungssicherheit. Nicht gekürzt wurde und wird im Landeshaushalt in den Bereichen Soziales, Bildung und Gesundheit. Bezüglich der Gesundheitsreform räumte Kompatscher offen ein, „dass wir uns dumm angestellt haben, und zwar in der Kommunikation und in der Vorgehensweise.“ „Wir haben uns bei der Reform dumm angestellt“ Der Grundgedanke aber sei richtig, „und wir haben nichts verspielt, denn es wird jetzt eng mit den Bezirken zusammengearbeitet.“ Richtig und notwendig sei die Reform aus mehreren Gründen: die Menschen werden immer älter und die Zahl der notwendigen Leistungen steigt; es gibt in ganz Europa zu wenig Ärzte, auch in Südtirol fehlen überall Ärzte, Allgemeinmediziner ebenso wie Fachärzte; die Kunden bzw. Patienten sind mobiler und wollen dort behandelt werden, wo Spezialisten arbeiten. Zum Krankenhaus Schlanders meinte der Landeshauptmann: „Kein Mensch in der Landesregierung, und schon gar nicht Martha Stocker, will das Krankenhaus Schlanders schließen oder ausbluten.“ Vielmehr gehe es darum, das Prinzip „1 Krankenhaus – 2 Standorte“ umzusetzen, wobei die Standorte gleichwertig behandelt werden sollen. Die klinische Reform mache in etwa eine Viertel der gesamten Reform aus, „der Rest ist eine Reform der Verwaltung.“ In punkto Geburtenstation werden derzeit noch Verhandlungen mit der für die medizinischen Standards zuständigen Kommission in Rom geführt. Kompatscher: „Es sind unsere Experten, die diese Diskussionen führen. Über solche Dinge können und sollen nicht Politiker verhandeln, sondern Fachleute.“ Nicole Ritsch, Anästhesistin im Krankenhaus Schlanders, meinte bei der Diskussion, „dass sich die Reform jetzt anders anhört als zu Beginn.“ Die Reform sei ein Stück weit gut. Die Frage sei, ob sich das, was theoretisch gut klingt, in der Praxis dann auch so umsetzen lässt, speziell was den Grundsatz „1 Krankenhaus – 2 Standorte“ betrifft. Sinngemäß meinte Ritsch, dass Schlanders im Vergleich zu Meran den Kürzeren ziehen könnte. Laut Kompatscher sei man bemüht, einen klaren Leistungskatalog zu definieren. Außerdem sollte es so sein, „dass neue Primare die Aufträge für beide Krankenhäuser bekommen.“ „80 Prozent der Sprüher sind auf dem neuesten Stand“ Weitere Schwerpunktthemen bei der Diskussion waren die Abdrift und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau. Laut Thomas Oberhofer, dem Obmann der VI.P und der MIVOR, habe die Obstwirtschaft immer ihre Hausaufgaben gemacht. Die 2014 von der Landesregierung beschlossenen neuen Leitlinien für den Pflanzenschutz gehen weit über den nationalen Aktionsplan hinaus. In der Gemeinde Latsch zum Beispiel sei man in Sachen moderner Ausbringungstechnik schon sehr weit fortgeschritten: „Es war ursprünglich geplant, die Umrüstung in vier Jahren vorzunehmen. Es ging aber viel schneller. Bei uns dauerte es nur wenige Monate. In unserer Gemeinde sind mitlerweile bereits 80% der Sprüher auf dem neuesten Stand“, sagte Oberhofer. Scharf kritisiert hat er die Tatsache, dass die Obstwirtschaft trotz aller Bemühungen und aller zum Teil selbst auferlegten Auflagen „ständig angegriffen wird, speziell in manchen sozialen Medien.“ Das Fass zum Überlaufen gebracht habe eine Verunstaltung der Dachmarke Südtirol. Mit solchen Aktionen werde dem Ruf Südtirols arg geschadet, vor allem auch dem guten Image, das Südtirol als Tourismus-Destination genießt. Kompatscher versicherte, dass die Verhunzung der Dachmarke jetzt nicht mehr länger hingenommen wird: „Die zuständigen Ämter wurden beauftragt, die nötigen Schritte zu unternehmen.“ Zur Pestizid-Debatte insgesamt hielt der Landeshauptmann fest, dass die Sorgen und Ängste sicher ernst zu nehmen sind, dass aber auch zugelassene Grenzwerte und andere Argumente zu berücksichtigen sind. Ihm komme vor, dass hier zum Teil Glaube und Beweise aufeinander prallen. In einigen Gemeinden würden sehr heftige Diskussionen geführt. Laut Kompatscher gehe es jetzt darum, „von zum Teil aufgeladenen, irrationalen und nicht nachvollziehbaren Diskussionen auf die Ebene der Vernunft, des gegenseitigen Respekts und des Vertrauens zurückzukehren.“ Mit einseitigen Verboten lasse sich das Problem nicht in den Griff kriegen. Ohne ein Miteinander werde es keine Lösung geben. Außerdem seien die Leistungen der Obstwirtschaft anzuerkennen, „denn die Obstbauern gehen mit den neuen Richtlinien weit über die vorgeschriebenen Standards hinaus.“ Arme Arbeitnehmer Die niedrigen Gehälter vieler Arbeitnehmer waren ein weiteres Diskussionsthema. Selbst wenn in einer Familie beide Elternteile einer Arbeit nachgehen, werde es am Monatsende nicht selten knapp. Viel mehr unternehmen müsste die Politik auch für die Familien. Wer Kinder auf die Welt setze, dürfe nicht bestraft, sondern müsse zusätzlich gefördert werden. An die Gemeindeverwalter erging die Aufforderung, mehr Wohnmöglichkeiten für ältere Menschen zu schaffen. Kompatscher sicherte zu, dass die Landesregierung bemüht sei, der Familien- und Sozialpolitik zusätzlich zu bereits gesetzten Maßnahmen weiterhin Vorrang einzuräumen. „Wenn wir die Unternehmen steuerlich entlasten, ist das auch Sozialpolitik,“ sagte Kompatscher. Wirtschaftspolitik sei immer auch Sozialpolitik. Und umgekehrt gelte das auch. Überzeugt ist der Landeshauptmann auch, dass Hand in Hand mit der Gründung einer neuen, großen Südtiroler Energiegesellschaft nicht nur die Wirtschaft, sondern alle Bürger in den Genuss von Vorteilen kommen werden. Alle Gemeinden werden an der neuen Gesellschaft beteiligt werden „und sie werden mehr Anteile haben als das Land.“ Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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