Aus dem ganzen Tal sind viele Besucher, darunter vor allem Landwirte und Landwirtschaftsvertreter, zum Vortrags- und Diskussionsabend nach Schluderns gekommen.
Arnold Schuler
Franz Fischler

„Chancen für den Vinschgau“

Wohin geht die Reise für die Landwirtschaft?

Publiziert in 35 / 2018 - Erschienen am 16. Oktober 2018

Schluderns - Die Zukunft der Landwirtschaft im Vinschgau war am 8. Oktober das Schwerpunktthema eines gut besuchten Vortrags- und Diskussionsabends im Kulturhaus in Schluderns. Initiiert hatte den Abend Landesrat Arnold Schuler, der den ehemaligen EU-Kommissar für Landwirtschaft, Franz Fischler, als Referent und Gesprächspartner eingeladen hatte. Schuler blickte eingangs auf die erfolgreiche Entwicklung Südtirols in den vergangenen Jahrzehnten zurück.

Vom Selbstversorger zum Exportland

Die Landwirtschaft habe wesentlich zum Wohlergehen des Landes beigetragen. Südtirol sei vom Selbstversorger zum Exportland geworden. Die Südtiroler Landwirtschaft sei ein Vorzeigemodell in Europa, „aber eine Weiterentwicklung ist weiterhin notwendig.“ Zur speziellen Situation der Landwirtschaft im Obervinschgau meinte Schuler, „dass man die massive Diskussion insgesamt als eine Chance sehen sollte.“ Das Potential für den Anbau bestimmter Produkte sei groß. Eine Bioregion Obervinschgau wertete er als interessanten Ansatz. Gelingen könne das aber nur in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft und der gesamten Wirtschaft. Freie Entwicklungen seien zuzulassen. Falsch hingegen sei es, von außen zu bestimmen, wie die Landwirtschaft zu funktionieren hat: „Es geht nur im Miteinander.“

Blick auf die Welt

Wenn der Erfolg der Landwirtschaft zu einem wesentlichen Teil vom Export abhängt, muss man sich laut Franz Fischler auch mit der Frage befassen, „was in der Welt vor sich geht.“ Eine der zentralen Fragen für den Obstanbau sei der Klimawandel, wobei es nicht nur um ungute Wetterkapriolen geht, zu denen es immer häufiger kommen werde, sondern auch um neue Krankheiten in der Pflanzenproduktion, um den Pflanzenschutz und weitere Themen. Fischler: „Nur die Wissenschaft kann zu diesen und weitere Fragen Antworten liefern. Die Aufgabe der Politik ist es, rechtzeitig entsprechende Studien in Auftrag zu geben.“ Wie in vielen anderen Bereichen, werde die Digitalisierung auch in der Landwirtschaft zu einschneidenden Veränderungen führen. Es sei auch mit einer weiteren Aufsplitterung der Interessen der Konsumenten zu rechnen: „Man wird nicht nur zwischen regional, biologisch und konventionell erzeugten Produkten unterscheiden, sondern wir werden es mit einem geradezu individualisierten Nahrungsmittelkonsum zu tun bekommen.“

Qualität weiterhin hochhalten

Die Wertschätzung der Lebensmittel werde steigen. Die größte Chance der Apfelproduktion im Vinschgau sieht Fischler weiterhin in der Qualität der Ware: „Für Standardobst wird es nur Standartpreise geben.“ Nicht unerwähnt ließ der Referent, „dass die Polen mittlerweile die größten Apfelproduzenten in Europa sind und dass die Qualität auch dort wachsen wird.“ Bezüglich Markt und Handel warnte Fischler vor unguten Entwicklungen, wie man sie derzeit mit dem Protektionismus des US-Präsidenten Donald Trump erlebe. Europa täte gut daran, mit anderen Ländern neue Handelsverträge abzuschließen, zum Beispiel mit Japan oder Korea.

Energisch in Rom auftreten

Als Kernpunkt der neuen EU-Agrarpolitik nannte Fischler 7 Zielsetzungen, „denen sich die Mitgliedsstaaten unter der Aufsicht und Kontrolle der EU zu nähern haben werden.“ Alle agrarpolitischen Maßnahmen wie etwa die Flächenprämien und viele andere sollen den einzelnen Staaten überlassen werden. Auch Italien wird einen strategischen Plan vorlegen müssen und Südtirol täte laut Fischler gut daran, „in Rom sehr energisch aufzutreten und politisch einige Kilogramm auf die Waage zu bringen.“ Wirklich ernst werde es mit der Reform erst nach den EU-Wahlen im nächsten Jahr werden. Bedauert hat Fischler, dass es ihm während seiner Zeit als EU-Kommissar nicht gelungen sei, die Fördermittel für landwirtschaftliche Großbetriebe zu senken und Kleinbetriebe entsprechend mehr zu unterstützen. „Derzeit gelangen 80% der Geldmittel zu 20% der Landwirte“, bedauerte Fischler. Um die Zukunft des ländlichen Raums abzusichern, ist laut Fischler nicht nur die Landwirtschaft wichtig, sondern es kommt noch auf viele weitere Faktoren an, etwa auf das Bildungssystem. Worauf es für das Überleben in den Dörfern jenseits aller politischen Entwicklung am meisten ankomme, seien die Nachbarschaftshilfe und der Gemeinschaftssinn. Die Südtiroler täten gut daran, die Ärmel nach gewohnter Art immer neu aufzukrempeln und neugierig zu bleiben. Der neuen Herausforderung der Digitalisierung werde sich auch die Landwirtschaft stellen müssen. In der Bildung sieht Fischler auch den Schlüsselbegriff für eine Entwicklung in Ländern und Kontinenten, in denen es viel Armut gibt, zum Beispiel in Afrika.

„Pestizidfreies Mals“

Bei der Diskussion wurde viele Themen aufs Tapet gebracht. Die Palette reichte vom Einkauf riesiger Grundflächen in Afrika seitens chinesischer Banken und Finanzakteure, von der Stärkung der regionalen Kreisläufe und von den besonderen Anliegen und Problemen der Berglandwirtschaft bis hin zum Wolf und zu den Bestrebungen für die Schaffung einer „pestizidfreien Gemeinde Mals.“ Im Bereich Abdrift habe sich laut Günther Wallnöfer, Gemeindereferent für Landwirtschaft in Mals, „enorm viel verbessert.“ Zuzuschreiben sei dies vor allem dem Landesrat Schuler und dem Bauernbund-Bezirksobmann Raimund Prugger.

Nur auf freiwilliger Basis

Zu Wallnöfers Frage bezüglich der „pestizidfreien Gemeinde Mals“ meinte Fischler: „Ob in Mals biologisch angebaut wird oder nicht, können die Malser selbst entscheiden. Dass in einer Region zur Gänze biologisch angebaut wird, „ist super, aber das geht nicht überall. Vor allem aber geht es nur auf freiwilliger Basis, also ohne jeglichen Zwang.“

Thema Wolf

Zum Thema Wolf sagte Fischler, dass die EU untätig sei und ignoriere, dass viele Lebensräume in Europa für den Wolf ungeeignet seien. „Von der EU ist bisher nur zu vernehmen, dass der Wolf ein vom Aussterben bedrohtes Tier sei und daher geschützt werden müsse“, so Fischler. Bedauerlich sei laut Schuler auch, dass zu wenig darüber nachgedacht werde, welche Folgen eine vermehrte Ausbreitung des Wolfs nach sich ziehen würde: „Wo bleibt in diesem Punkt das Nachhaltigkeits-Denken?“

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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