Das blonde Fräulein im eiskalten Wasser

Publiziert in 33 / 2013 - Erschienen am 25. September 2013
Folgenden rührenden Beitrag zum 50-jährigen Hochzeitstag hat uns der ehemalige Carabiniere Tommaso Amico zukommen lassen: Eine außergewöhnliche Begegnung, die seit 50 Jahren besteht Es war Sommer 1962. Seit 9 Jahren leistete ich Dienst bei den Carabinieri und war 28 Jahre jung. Ich war beim IX Battaglione Veneto der Carabinieri in Padova stationiert. Im Monat Juli ­mussten wir zum Militärmanöver in die Provinz Udine. Am 15. Juli startete eine lange Kolonne von Militärfahrzeugen in Richtung Trasaghis. Das ist ein kleiner Ort in der Provinz Udine. Nach einigen Stunden Fahrt gelangten wir in den Ort und begannen mit dem Aufbau der Zelte (Schlafsaal, Küche, Kantine, Krankenhaus) und am Folgetag begannen die Manöverübungen. Nach dem Essen hatten wir immer einige Stunden Freizeit und da sich in der Nähe ein kleiner See, halb so groß wie der Reschensee, befand, wollten wir zum Baden. Der See hieß ‚Lago di Cavazzo’, so wie der Ort in seiner Nähe. Niemand von uns Kommilitonen ging wirklich baden, das Wasser im See war absolut zu kalt. Kalt ist eigentlich noch eine reine Untertreibung. Wir mieteten ein Ruderboot und machten es uns somit zur Gewohnheit, zu viert über den See zu rudern und uns zu sonnen. Eines Tages, während unserer üblichen Ruderfahrt, sahen wir auf der anderen Seite des Sees eine Person, die im See schwamm. Ungläubig und von der Neugier getrieben näherten wir uns und stellten fest, dass ein blondes Fräulein in dem eiskalten Wasser schwamm. Als wir uns auf ein paar Meter herangewagt hatten, schlussfolgerten wir, dass es sich um eine Deutsche handeln musste, die dann umgehend begann, uns mit Wasser zu bespritzen. Wir versuchten weg zu rudern und den kalten Wasserspritzern, die sich wie Nadelstiche auf unserer warmen Haut anfühlten, zu entkommen. Doch das blonde deutsche Fräulein folgte uns schwimmend und spritzte uns fortgehend an, was unseren Ärger auslöste. Ich erhob mich im Ruderboot und versuchte mit unmissverständlichen Zeichen dem Fräulein klarzumachen, mit ihrer Aktion sofort aufzuhören, ansonsten wäre ich ins Wasser gesprungen und hätte sie unter Wasser gezogen! Da dies nichts nutzte und wir weiterhin bespritzt wurden, tauchte ich in den See und zog sie an den Beinen in die Tiefe, ließ sie aber auch sofort wieder los. Als wir wieder an die Wasseroberfläche gelangten, war das deutsche blonde Fräulein doch etwas überrascht von meiner Aktion und hatte sichtlich Wasser geschluckt, so dass ich sie an das Ufer begleitete wo sich herausstellte, dass sie tatsächlich eine deutsche Touristin war. Im Nachhinein hat das Fräulein mir gestanden, dass es nie damit gerechnet hätte, dass ich wirklich ins eiskalte Wasser gesprungen wäre. Wir trafen uns folglich einige Male; da niemand der Sprache des anderen mächtig war, kauften wir uns kleine Wörterbücher und versuchten mittels dieser zu kommunizieren. Unsere Treffen verliefen bestens und so wie man zu sagen pflegt, war es für mich Liebe auf den ersten Blick…und nach dem dritten Treffen fragte ich sie, mit Hilfe des besagten Wörterbuches, ob sie mich heiraten wollte. Wir trafen uns noch einige Male, und als sie sich von der Gemütsbewegung meiner Anfrage erholt hatte, willigte sie ein und wir begannen die Hochzeitsvorbereitungen. Am 27. September 1963 wurden wir, im Kreise unserer Verwandten und Freunde in Martell von Hochwürden Mittelberger getraut! Herzlichen Glückwunsch zu ­unserem 50. Hochzeitstag, meine liebe Agnes. Dein Tommaso
Vinschger Sonderausgabe

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