Das ganze Dorf wird zur Bühne

Publiziert in 3 / 2024 - Erschienen am 13. Februar 2024

Stilfs - Alle zwei Jahre wird das Dorf Stilfs zu Fasching für einen Tag zu einer großen Bühne. In die Reihe der klassischen Faschingsumzüge lässt sich das „Stilzer Pfluagziachn“ nicht einordnen, denn es ist anders und viel mehr. Das „Pluagziachn“ reicht weit in die Jahrhunderte zurück. Wiederbelebt wurde der einzigartige Brauch 1991. Es sind vor allem der Bildungsausschuss, die Theatergruppe s‘Lorgagassl und viele freiwillige Helferinnen und Helfer, die dazu beitragen, dass das „Pfluagziachn“ weiterlebt. Wie viele andere Faschingsbräuche hat auch das „Pfluagziachn“ mit den Themen Fruchtbarkeit, Austreiben des Winters und Frühling zu tun. Schon allein die Tatsache, dass die Mitwirkenden im Osten des Altdorfes (Gomperle) zum Umzug aufbrechen, lässt laut Roland Angerer darauf schließen, dass es um Fruchtbarkeit geht: „Im Osten geht die Sonne auf. Sonne bedeutet Licht, Leben und Fruchtbarkeit.“ Vorchristliche Elemente leben im „Pfluagziachn“ ebenso auf wie christliche. So wird etwa zum Auftakt um Punkt 12 Uhr auf dem Kirchplatz der „Engel des Herrn“ gebetet. Das mehrstündige Treiben im Anschluss daran ist hauptsächlich von Zwistigkeiten, Streitereien und Interaktionen zwischen zwei Gruppen geprägt. Das sind zum einen die sesshaften Bauersleute mit Bauer und Bäuerin, Knecht, Dirn, Sämann und andern Darstellern, die mit dem Pflug (Orl) durch das Altdorf ziehen, und zum anderen das „Gesindl“, also die Nicht-Sesshaften, zu denen Wanderhändler, Kaminkehrer, Pfannenflicker, Tabakverkäufer, Ärzte, Leichenbestatter, Vogelhändler und andere Gestalten gehören. Die Auseinandersetzungen zwischen den zwei Gruppen bilden laut Roland Angerer den Schwerpunkt des „Drehbuchs“. Dieses sei in diesem Sinn aktueller denn je: „War es früher das ‚Gesindl’, so sind es heutzutage die Ausländer, also Fremde, die nicht zu den Sesshaften gehören.“ In das Geschehen miteingebunden werden beim „Pfluagziachn“ auch die Zuschauerinnen und Zuschauer. Es gibt wohl keinen „Stilzer“ und keine „Stilzerin“, die am 10. Februar völlig „ungeschwärzt“ nach Hause gekommen sind. Der Höhepunkt war auch heuer das Knödelessen bzw. Knödelstehlen um 15 Uhr auf dem Kirchplatz. Das „Gesindl“, das sich zur Schüssel wagte, um einen der insgesamt über 700 Knödel zu ergattern, wurde bei der Rückkehr buchstäblich „verdroschen“. Detail am Rand: Mitgemacht hat beim heurigen „Pfluagziachn“ erstmals auch Pfarrer Florian Öttl, und zwar als meckernde und etwas grantige Oma.

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Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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