Christian Greis beim Interview mit dem der Vinschger.

Das Grundeinkommen ohne Bedingungen 

Der Tarscher Christian Greis setzt sich intensiv mit den Theorien eines bedingungslosen Grundeinkommens auseinander – und bringt ein Buch dazu auf den Markt. 

Publiziert in 13-14 / 2021 - Erschienen am 15. April 2021

TARSCH - Nein, ein bedingungsloser Appell für das bedingungslose Grundeinkommen ist es nicht. Aber auch keineswegs eine Gegenstimme. „Es ist eine Auseinandersetzung mit einem System, das im Grunde genommen funktionieren könnte“, sagt Christian Greis. Der 28-Jährige aus Tarsch hat sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen auseinandergesetzt – und darüber auch seine Master-Arbeit geschrieben. Diese wusste zu überzeugen. Nicht nur an der Universität im bundesdeutschen Hagen, wo er sein Master-Fernstudium absolvierte, sondern auch beim Wiener Promedia-Verlag. Dieser entschied sich, aus der Arbeit des jungen Tarschers ein Buch zu machen. Der Student schrieb seine Arbeit, die er kurz vor dem Lockdown im Frühjahr 2020 eingereicht hatte, im Stil eines Autors um, ergänzte sie mit bis dato unverwendetem Material, weiteren empirischen Studien, professionellen Recherchen und verschiedenen neuen Überlegungen. Entstanden ist das Werk „Zur Zukunft eines Bedingungslosen Grundeinkommens - Eine soziologische Bestandsaufnahme“. Das Buch beinhaltet über 170 Seiten, in denen sich Greis mit den Systemen des bedingungslosen Grundeinkommens beschäftigt und versucht, die Frage zu beantworten, ob und in welcher Form das Grundeinkommen als sozialpolitisches Modell der Zukunft tauglich ist.

Beitrag zur Debatte über Grundeinkommen

Freilich, aufgrund des Studiums an der Uni Hagen ist das Werk maßgeschneidert auf die Situationen und gängigen Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland. Aber: „Die Überlegungen sind auf den gesamten deutschsprachigen Raum anzuwenden und treffend. Schließlich haben wir in Südtirol ähnliche Voraussetzungen wie in Österreich oder auch Deutschland, was die Arbeitsverhältnisse, die Schere zwischen Arm und Reich sowie die Arbeitslosenzahlen betrifft“, sagt der Tarscher im Gespräch mit dem der Vinschger. Das Buch könne und solle einen Beitrag zur Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen leisten und „aufkommenden Bewegungen für ein neues Sozialmodel ein kritisches Reflexionswerkzeug liefern“, erklärt Greis. Die Idee einer Grundsicherung für alle Menschen gibt es schon seit hunderten von Jahren. „Genauso alt wie ihr Gedanke ist auch die Vielfältigkeit und Weitläufigkeit der Ideen und Konzepte ihrer Fürstreiter und Fürstreiterinnen“, sagt der 28-Jährige. Es gebe bereits viele Bücher über das Grundeinkommen. „Die meisten davon haben aber einen idealistischen Hintergrund. Das wollte ich vermeiden. Es sollte eine kritische reflektierte Auseinandersetzung mit den Themen sein, ein Abwiegen von Vor- und Nachteilen“, erzählt er. 

Vier Theorien

So beschäftigt sich Greis im Buch vor allem mit vier Arten des Grundeinkommens und vier bedeutenden Theorien dazu. Zum einen ist da das von Götz W. Werner vertretene bedingungslose Grundeinkommen. Götz Werner ist übrigens kein Geringerer als der Chef der Drogeriekette dm. Werner macht sich schon lange für ein bedingungsloses Grundeinkommen stark. Er entwickelte das sogenannte Konsumsteuer-Modell. Jede Person erhält dabei einen bedingungslosen Teilhabebeitrag in Höhe von zum Beispiel 1.000 Euro als Grundeinkommen – ein Pflichtanteil für die Krankenvorsorge werde dabei aber abgezogen. „Finanziert werden soll dies seiner Ansicht nach vor allem durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer, sprich durch eine Konsumsteuer“, erklärt Greis. Ein zweites Modell ist das durch eine negative Einkommensteuer finanzierte Grundeinkommen, das als erstes von Milton Friedman vertreten wurde und heute von Thomas Straubhaar repräsentiert wird. Die negative Einkommensteuer basiert auf einem einfachen Prinzip. „Es gibt einen gesetzlich vorgegebenen Steuerfreibetrag, bei dessen Unterschreitung man eine staatliche Transferleistung erhält und bei dessen Überschreitung man Steuern auf die Differenz aus Einkommen und Freibetrag errechnet“, erklärt Greis frei nach Friedmann. Bei einem Einkommen unter dem Steuerfreibetrag würde man negative Steuern, also eine Zuwendung erhalten. Straubhaar sieht ein Grundeinkommensmodell in der Höhe von 12.000 Euro im Jahr als angemessen an. „Eine dritte Theorie ist das aus Transaktionssteuern finanzierte bedingungslose Grundeinkommen, welches derzeit vom Philosophen Richard David Precht propagiert wird“, sagt Greis. Precht vertritt die These, dass man ein Grundeinkommen mit Steuern auf Finanztransaktionen finanzieren könnte. Kritiker werfen hier jedoch häufig ein, dass dann die Finanztransaktionen abnehmen oder der Erlös daraus nicht ansatzweise ausreicht. Eine vierte Möglichkeit, die Greis in seinem Buch anführt, wäre „ein Grundeinkommen, das sich durch die Erhöhung der Einkommens- und Vermögensteuer sowie durch soziale Umverteilung auszeichnet und in verschiedenen Kreisen der Linken populär ist“. 

Ist es möglich? 

Schlussendlich wird im Buch natürlich auch die Frage aufgeworfen, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt möglich sei. „Würde ich Ja sagen, wäre es blauäugig. Würde ich Nein sagen, ebenso“, erklärt der Autor. Die Formen des liberalen Grundeinkommens etwa – wie zum Beispiel die Modelle von Götz Werner und Thomas Staubhaar – welche laut Greis das bedingungslose Grundeinkommen mit der Liberalisierung des Marktes verbinden, halte er nicht für erstrebenswert. „Solche Modelle wären auch ein sozialpolitischer Rückschritt und würden die Kluft zwischen Arm und Reich nicht unbedingt verkleinern“, glaubt der Tarscher. Sympathischer, vor allem aus sozialer Sicht, sei ihm dann eher das vierte Modell, das etwa eine Initiative der deutschen Partei „Die Linke“ fordert. Doch auch jenes habe Schwächen, so der Soziologe, denn alles in allem sei es zu großzügig und könne „sich als Ideal nicht vom zwanzigsten Jahrhundert lösen“, so Greis. Doch der junge Vinschger hat auch Ideen wie ein Grundeinkommen funktionieren könnte und wünschenswert wäre. Er selbst würde eine Mischung aus allen vier Vorschlägen bevorzugen, „was ein gewisses Maß an Bedarfsgerechtigkeit mitbringt, die soziale Spaltung vermindert und sich auf mehrere Standbeine der Finanzierung stützt“. Klar sei für ihn aber auch, dass ein solches Grundeinkommen nicht für sich allein stehen könne, sondern eine unter vielen sozialpolitischen Maßnahmen sein sollte. Es gelte sich aber auch vom Gedanken zu verabschieden, dass das Grundeinkommen eine Lösung für alle Probleme der Zukunft sein solle. „Das ist Wunschdenken“, gibt Greis zu verstehen. 

Viele Ideen

„Alle Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle aufzulisten, würde natürlich den Rahmen eines Zeitungsartikels sprengen“, lacht Greis. Ohnehin habe der 28-Jährige, der beim Jugenddienst Mittelvinschgau als Jugendarbeiter tätig ist, noch so einiges mitzuteilen. „Überlegungen, Gedanken, Ideen. Ich schreibe diese einfach gerne auf“, sagt er. Ob er aus den Themen, etwa im Hinblick darauf „welche Lehren aus der Coronavirus-Krise zu ziehen sind“, weitere Schriftstücke veröffentlichen will, dazu hält er sich noch bedeckt.

info

Das Buch „Zur Zukunft eines Bedingungslosen Grundeinkommens“ ist kürzlich im Pro-Media-Verlag erschienen und kann unter anderem in lokalen Buchhandlungen bestellt werden. Zudem ist das Werk im Internet erhältlich.  

Michael Andres
Michael Andres

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